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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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liegende Bericht keine directe Aufklärung, da er politischen Erörterungen ferne
bleibt, aber diese Motive liegen ziemlich nahe und waren zunächst schon mili¬
tärischer Natur. Die Armee war stark geschwächt; 21737 Mann hatte die
Schlacht von Solferino gekostet; die Besatzung der einzelnen Festungen, die
jetzt unmittelbar von den Operationen berührt wurden, mußten durch beträcht¬
liche Abgabe von den mobilen Truppen auf den erforderlichen Stand gebracht
werden; die noch bei der Feldarmee befindlichen italienischen Truppentheile,
die nicht ganz verläßlich waren, sendete man ins Innere der Monarchie zu¬
rück und so hatte man in der ersten Juliwoche nur 138,000 Mann im
Stande der Operationsarmee, wozu noch das erst mit der Spitze angelangte
4. Armeekorps treten konnte. Dem gegenüber wurde in einem vom 4. Juli
datirten Memoire, welches die ferneren Operationen in Erwägung zog, die Macht,
über welche Kaiser Napoleon zum Angriff verfügen konnte, auf 200,000 Mann
veranschlagt (in der Wirlichkeit war diese Ziffer freilich nicht so hoch) abgesehen
von weiteren 2S000 Mann, welche zur Blokade Peschieras, zur Beobachtung
Mantuas und zur Deckung gegen den Gardasee für nöthig erachtet wurden.
An eine rasche Verstärkung der k. k. Truppen konnte man zunächst nicht
denken. Der disponible Truppenstand war ziemlich erschöpft, die italienischen
Regimenter wagte man nicht mehr ins Feld zu bringen, die zum Schutz der
Küsten bestimmte 4. Armee verlangte dringend Verstärkungen, Angesichts der
in Guarnero erschienen feindlichen Flotte, welche Lusstnpiccolo als Basiöpunkt
besetzt hatte. Die bereits im Mai angeordnete Aufstellung von 5 Feldbataillonen
bei allen Infanterie-Regimentern war zwar erfolgt, aber die Bataillone selbst
noch nicht verwendbar, meist aus Rekruten bestehend und ungenügend ausge¬
rüstet; Tirol und Dalmatien mußten, als vom Feinde bedroht, besetzt gehalten
werden und endlich wollte man für den Kriegsfall am Rheine doch noch in der
Lage bleiben, das matrikelmäßige Bundeskontingent zu stellen (? d. Red.).
Angesichts dieser Umstände schien es für den Augenblick um so schwieriger,
den Kampf mit Erfolg fortzusetzen, als ein Angriff auf Venedig erwartet
wurde und Besorgnisse für die Sicherheit der eigenen Verbindung obwalteten.
Erzherzog Albrecht, welcher mit der obersten Leitung der im Innern der
Monarchie verbliebenen Streitkräfte betraut worden war, erstattete am 6.
Juli einen Bericht an den Kaiser über die militärische Lage. Aus diesem
Berichte erhellt, daß man über die Haltung der östlichen -- ungarischen --
Provinzen des Kaisers sehr in Sorge war, so daß man nicht-einmal italie¬
nische Truppen in denselben belassen wollte, während man andererseits eine
gewisse Anzahl von Besatzungs-Truppen im Innern nicht entbehren zu können
glaubte. Die Absendung der Ersatzmannschaften für die in Italien stehenden
Truppen wurde binnen drei Wochen in Aussicht gestellt. Eine weitere Ver¬
stärkung der Feldarmee, sowie auch der 4. Armee an der Küste erachtete der


liegende Bericht keine directe Aufklärung, da er politischen Erörterungen ferne
bleibt, aber diese Motive liegen ziemlich nahe und waren zunächst schon mili¬
tärischer Natur. Die Armee war stark geschwächt; 21737 Mann hatte die
Schlacht von Solferino gekostet; die Besatzung der einzelnen Festungen, die
jetzt unmittelbar von den Operationen berührt wurden, mußten durch beträcht¬
liche Abgabe von den mobilen Truppen auf den erforderlichen Stand gebracht
werden; die noch bei der Feldarmee befindlichen italienischen Truppentheile,
die nicht ganz verläßlich waren, sendete man ins Innere der Monarchie zu¬
rück und so hatte man in der ersten Juliwoche nur 138,000 Mann im
Stande der Operationsarmee, wozu noch das erst mit der Spitze angelangte
4. Armeekorps treten konnte. Dem gegenüber wurde in einem vom 4. Juli
datirten Memoire, welches die ferneren Operationen in Erwägung zog, die Macht,
über welche Kaiser Napoleon zum Angriff verfügen konnte, auf 200,000 Mann
veranschlagt (in der Wirlichkeit war diese Ziffer freilich nicht so hoch) abgesehen
von weiteren 2S000 Mann, welche zur Blokade Peschieras, zur Beobachtung
Mantuas und zur Deckung gegen den Gardasee für nöthig erachtet wurden.
An eine rasche Verstärkung der k. k. Truppen konnte man zunächst nicht
denken. Der disponible Truppenstand war ziemlich erschöpft, die italienischen
Regimenter wagte man nicht mehr ins Feld zu bringen, die zum Schutz der
Küsten bestimmte 4. Armee verlangte dringend Verstärkungen, Angesichts der
in Guarnero erschienen feindlichen Flotte, welche Lusstnpiccolo als Basiöpunkt
besetzt hatte. Die bereits im Mai angeordnete Aufstellung von 5 Feldbataillonen
bei allen Infanterie-Regimentern war zwar erfolgt, aber die Bataillone selbst
noch nicht verwendbar, meist aus Rekruten bestehend und ungenügend ausge¬
rüstet; Tirol und Dalmatien mußten, als vom Feinde bedroht, besetzt gehalten
werden und endlich wollte man für den Kriegsfall am Rheine doch noch in der
Lage bleiben, das matrikelmäßige Bundeskontingent zu stellen (? d. Red.).
Angesichts dieser Umstände schien es für den Augenblick um so schwieriger,
den Kampf mit Erfolg fortzusetzen, als ein Angriff auf Venedig erwartet
wurde und Besorgnisse für die Sicherheit der eigenen Verbindung obwalteten.
Erzherzog Albrecht, welcher mit der obersten Leitung der im Innern der
Monarchie verbliebenen Streitkräfte betraut worden war, erstattete am 6.
Juli einen Bericht an den Kaiser über die militärische Lage. Aus diesem
Berichte erhellt, daß man über die Haltung der östlichen — ungarischen —
Provinzen des Kaisers sehr in Sorge war, so daß man nicht-einmal italie¬
nische Truppen in denselben belassen wollte, während man andererseits eine
gewisse Anzahl von Besatzungs-Truppen im Innern nicht entbehren zu können
glaubte. Die Absendung der Ersatzmannschaften für die in Italien stehenden
Truppen wurde binnen drei Wochen in Aussicht gestellt. Eine weitere Ver¬
stärkung der Feldarmee, sowie auch der 4. Armee an der Küste erachtete der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/507>, abgerufen am 27.11.2024.