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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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bis Cavriano immerhin an die Fortsetzung der Schlacht denken. Kaum
waren aber die hierauf hinzielenden Dispositionen ergangen, als die vorher
erwähnte Meldung des Grafen Wirnpffen jede Hoffnung schwinden machte,
da nun die unerläßliche Voraussetzung für den weiteren Gang der Schlacht,
nämlich das Gelingen der Offensive in der Ebene, nicht eintraf. Der Befehl
zum Rückzüge hinter den Mincio ward gegeben und die weiteren Kämpfe des
7. Corps um Cavriano hatten nur den Zweck, den gesicherten Rückzug zu
decken und dies gelang auch.

Freilich fühlte man beim 1. Armeekommando nach Absendung des letzten
Berichtes an den Kaiser, daß man zur Lösung der gestellten Aufgabe doch
nicht Alles gethan haben dürfte und so versuchte man noch einige Offensiv¬
stöße, die aber, mit den wenigen noch verfügbaren, durch das bunte Kampf¬
gemisch zusammengeballten Bataillonen verschiedener Regimenter unternommen,
ergebnißlos bleiben mußten. Nur soviel ward erzielt, daß der feindliche An¬
griff vor Guidizzolo zum Stehen kam und der Rückmarsch der 1. Armee un¬
gestört vor sich gehen konnte. Am rechten Flügel behaupteten die Oester¬
reicher das Feld und es klingt gar sonderbar, wenn sich die Italiener soviel
auf ihren Sieg bei San Martino zu Gute thun. Ihre Lorbeern vom Sol-
ferinotage sind karg. Benedek, welcher unstreitig sein Corps mit vielem Ge¬
schicke führte, marschirte nur wegen des allgemein angeordneten Rückzuges
aus seinem Stellungen ab.

Derart ging die Schlacht am 24. Juni 1839 verloren. Wenn aber auf
Seite des k. k. Heeres die höhere Führung Fehler auf Fehler häufte, so war
doch die Tapferkeit und Hingebung der Truppen über jegliches Lob erhaben
und sicher lag es nicht an denselben, daß der Sieg unerrungen blieb. Die
wesentlichen Fehler, welche an dem Mißerfolge Schuld trugen, finden eine
treffliche Analyse in einem reservirten Erlasse des Kaisers an die beiden
Armeekommandanten vom 28. Juni. In demselben wird der Tapferkeit und
Aufopferung der Truppen in vollster Anerkennung gedacht, dann aber in einer
Reihe von Punkten das Verhalten der höheren Truppenführer erörtert. Es
heißt im ersten Punkt: "Was die Leitung der Gefechte betrifft, so bemerke
ich leider, daß nur an wenigen Punkten der Schlachtlinie schnell die richtige
Disposition getroffen und die nöthige Energie entwickelt wurde. Die Gefechte
beschränkten sich größtenteils auf Straßen, Wege und einige Ortschaften,
ohne daß sonstige Vortheile, die das Terrain bietet, gehörig benutzt worden
wären. Die Vertheidigungsgefechte wurden fast überall nur passiv fortge-
führt, anstatt dabei jene offensive Beweglichkeit darzulegen, welche einem so
gewandten Feinde gegenüber allein zu einem günstigen Resultate führen kann
Dann weiter im Punkt 2): An mehreren Punkten habe ich die doch zu den
ersten militärischen Regeln zählende Aufstellung entsprechender Reserven ver-


bis Cavriano immerhin an die Fortsetzung der Schlacht denken. Kaum
waren aber die hierauf hinzielenden Dispositionen ergangen, als die vorher
erwähnte Meldung des Grafen Wirnpffen jede Hoffnung schwinden machte,
da nun die unerläßliche Voraussetzung für den weiteren Gang der Schlacht,
nämlich das Gelingen der Offensive in der Ebene, nicht eintraf. Der Befehl
zum Rückzüge hinter den Mincio ward gegeben und die weiteren Kämpfe des
7. Corps um Cavriano hatten nur den Zweck, den gesicherten Rückzug zu
decken und dies gelang auch.

Freilich fühlte man beim 1. Armeekommando nach Absendung des letzten
Berichtes an den Kaiser, daß man zur Lösung der gestellten Aufgabe doch
nicht Alles gethan haben dürfte und so versuchte man noch einige Offensiv¬
stöße, die aber, mit den wenigen noch verfügbaren, durch das bunte Kampf¬
gemisch zusammengeballten Bataillonen verschiedener Regimenter unternommen,
ergebnißlos bleiben mußten. Nur soviel ward erzielt, daß der feindliche An¬
griff vor Guidizzolo zum Stehen kam und der Rückmarsch der 1. Armee un¬
gestört vor sich gehen konnte. Am rechten Flügel behaupteten die Oester¬
reicher das Feld und es klingt gar sonderbar, wenn sich die Italiener soviel
auf ihren Sieg bei San Martino zu Gute thun. Ihre Lorbeern vom Sol-
ferinotage sind karg. Benedek, welcher unstreitig sein Corps mit vielem Ge¬
schicke führte, marschirte nur wegen des allgemein angeordneten Rückzuges
aus seinem Stellungen ab.

Derart ging die Schlacht am 24. Juni 1839 verloren. Wenn aber auf
Seite des k. k. Heeres die höhere Führung Fehler auf Fehler häufte, so war
doch die Tapferkeit und Hingebung der Truppen über jegliches Lob erhaben
und sicher lag es nicht an denselben, daß der Sieg unerrungen blieb. Die
wesentlichen Fehler, welche an dem Mißerfolge Schuld trugen, finden eine
treffliche Analyse in einem reservirten Erlasse des Kaisers an die beiden
Armeekommandanten vom 28. Juni. In demselben wird der Tapferkeit und
Aufopferung der Truppen in vollster Anerkennung gedacht, dann aber in einer
Reihe von Punkten das Verhalten der höheren Truppenführer erörtert. Es
heißt im ersten Punkt: „Was die Leitung der Gefechte betrifft, so bemerke
ich leider, daß nur an wenigen Punkten der Schlachtlinie schnell die richtige
Disposition getroffen und die nöthige Energie entwickelt wurde. Die Gefechte
beschränkten sich größtenteils auf Straßen, Wege und einige Ortschaften,
ohne daß sonstige Vortheile, die das Terrain bietet, gehörig benutzt worden
wären. Die Vertheidigungsgefechte wurden fast überall nur passiv fortge-
führt, anstatt dabei jene offensive Beweglichkeit darzulegen, welche einem so
gewandten Feinde gegenüber allein zu einem günstigen Resultate führen kann
Dann weiter im Punkt 2): An mehreren Punkten habe ich die doch zu den
ersten militärischen Regeln zählende Aufstellung entsprechender Reserven ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/505>, abgerufen am 27.11.2024.