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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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man die Prügel zugedacht hat. Andere sagen bestimmter: die Haselgerte
zum Durchprügeln eines Entfernten muß eine einjährige sein und am Char-
freitagmorgen mit drei Schnitten abgetrennt werden, während man nach
Osten blickt und die drei höchsten Namen nennt. Will man mit ihr einen
Abwesenden schlagen, so nimmt man ein Kleidungsstück oder auch nur einen
Fetzen oder Lumpen, sieht nach Morgen hin, spricht den Namen des Andern
aus und haut dann auf das Kleid oder den Fetzen, so lange man Lust hat.
Die Sache hat ihre Richtigkeit, wie folgende Geschichte zeigt.

Zwischen Wurmlingen und Pfäffingen zogen einmal Soldaten hin. Ein
Schäfer, mit seinem Hintertheil auf seinen Stab gelehnt, sah ihnen zu. Da
schoß ein guter Schütz unter jenen ihm den Stab entzwei, sodaß der Schäfer
rücklings zu Boden stürzte. Der wußte sich aber zu rächen. Sofort zog er
seinen Kittel aus und prügelte ihn mit einer solchen Zaubergerte, die er bei
sich gehabt, durch, worauf der Soldat jämmerlich schrie und von seinen
Kameraden obendrein wegen der ihm aus der Ferne beigebrachten Schläge
verhöhnt wurde.

Wieder eine sehr bedeutsame Rolle im Aberglauben spielt der Klee,
vermuthlich, weil man in der Dreizahl seiner Blätter eine Hindeutung auf
die Dreifaltigkeit erblickte, bei zwei- oder vierblätterigem aber einen Gegen¬
satz zu dieser, also etwas Unchristliches, Unheimliches, Unnatürliches vor sich
zu haben glaubte, womit sich die Idee des Uebernatürlichen verband. Im
Altenburgischen muß man am Abend vor Johanni von den vier Ecken eines
fremden Ackers stillschweigend eine Hand voll Klee mit nach Hause nehmen,
weil dann das Vieh gedeiht. In Mecklenburg, Holstein, Franken und am
Harz weissagt eine Kleestaude, die weiße oder gelbe Blätter trägt, daß näch¬
stens jemand im Hause stirbt. Allenthalben in Deutschland herrscht die
Meinung, daß der, welcher vierblätterigen Klee findet. Glück hat. In Schwa¬
ben muß er ihn ungesucht finden. Ein Mädchen, das hier ein vierfaches
Kleeblatt in den Schuh legt, kann den Vornamen ihres Zukünftigen erfahren:
sie darf sich nur nach dem Vornamen des ersten Mannes erkundigen, der ihr
dann begegnet; wie der heißt, wird auch ihr dereinstiger Schatz heißen. Zu
Rottweil ließ sich einmal ein Seiltänzer sehen, der auf der Nase einen unge¬
heuren Wiesbaum trug und damit so leicht herumging, als ob es gar nichts
wäre. Während die Leute ihn nun anstaunten, kam ein Mädchen mit einer
Tracht Klee daher, unter der sich auch ein Vierklee befand, und durch diesen
erkannte sie, daß der Gaukler mit dem Wtesbaum nur zauberhaftes Blend¬
werk trieb. Deshalb lachte sie und rief laut: "El das kann ja Jeder; der
trägt ja nur einen Strohhalm aus der Nase!" Zur Strafe aber täuschte
nun der Zauberer auch sie, sodaß es ihr vorkam, als müsse sie durch ein
Wasser gehen, weshalb sie flink ihren Rock aufhob und zu waten anfing-


man die Prügel zugedacht hat. Andere sagen bestimmter: die Haselgerte
zum Durchprügeln eines Entfernten muß eine einjährige sein und am Char-
freitagmorgen mit drei Schnitten abgetrennt werden, während man nach
Osten blickt und die drei höchsten Namen nennt. Will man mit ihr einen
Abwesenden schlagen, so nimmt man ein Kleidungsstück oder auch nur einen
Fetzen oder Lumpen, sieht nach Morgen hin, spricht den Namen des Andern
aus und haut dann auf das Kleid oder den Fetzen, so lange man Lust hat.
Die Sache hat ihre Richtigkeit, wie folgende Geschichte zeigt.

Zwischen Wurmlingen und Pfäffingen zogen einmal Soldaten hin. Ein
Schäfer, mit seinem Hintertheil auf seinen Stab gelehnt, sah ihnen zu. Da
schoß ein guter Schütz unter jenen ihm den Stab entzwei, sodaß der Schäfer
rücklings zu Boden stürzte. Der wußte sich aber zu rächen. Sofort zog er
seinen Kittel aus und prügelte ihn mit einer solchen Zaubergerte, die er bei
sich gehabt, durch, worauf der Soldat jämmerlich schrie und von seinen
Kameraden obendrein wegen der ihm aus der Ferne beigebrachten Schläge
verhöhnt wurde.

Wieder eine sehr bedeutsame Rolle im Aberglauben spielt der Klee,
vermuthlich, weil man in der Dreizahl seiner Blätter eine Hindeutung auf
die Dreifaltigkeit erblickte, bei zwei- oder vierblätterigem aber einen Gegen¬
satz zu dieser, also etwas Unchristliches, Unheimliches, Unnatürliches vor sich
zu haben glaubte, womit sich die Idee des Uebernatürlichen verband. Im
Altenburgischen muß man am Abend vor Johanni von den vier Ecken eines
fremden Ackers stillschweigend eine Hand voll Klee mit nach Hause nehmen,
weil dann das Vieh gedeiht. In Mecklenburg, Holstein, Franken und am
Harz weissagt eine Kleestaude, die weiße oder gelbe Blätter trägt, daß näch¬
stens jemand im Hause stirbt. Allenthalben in Deutschland herrscht die
Meinung, daß der, welcher vierblätterigen Klee findet. Glück hat. In Schwa¬
ben muß er ihn ungesucht finden. Ein Mädchen, das hier ein vierfaches
Kleeblatt in den Schuh legt, kann den Vornamen ihres Zukünftigen erfahren:
sie darf sich nur nach dem Vornamen des ersten Mannes erkundigen, der ihr
dann begegnet; wie der heißt, wird auch ihr dereinstiger Schatz heißen. Zu
Rottweil ließ sich einmal ein Seiltänzer sehen, der auf der Nase einen unge¬
heuren Wiesbaum trug und damit so leicht herumging, als ob es gar nichts
wäre. Während die Leute ihn nun anstaunten, kam ein Mädchen mit einer
Tracht Klee daher, unter der sich auch ein Vierklee befand, und durch diesen
erkannte sie, daß der Gaukler mit dem Wtesbaum nur zauberhaftes Blend¬
werk trieb. Deshalb lachte sie und rief laut: „El das kann ja Jeder; der
trägt ja nur einen Strohhalm aus der Nase!" Zur Strafe aber täuschte
nun der Zauberer auch sie, sodaß es ihr vorkam, als müsse sie durch ein
Wasser gehen, weshalb sie flink ihren Rock aufhob und zu waten anfing-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/492>, abgerufen am 28.07.2024.