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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Verbrennt man drei oder vier derselben beim Heranziehen eines Gewitters,
so schlägt es einem nicht ins Haus. Geht man mit dem geweihten Palm¬
zweig am Palmsonntag dreimal um sein Gehöft, so raubt einem der Geier
keine Hennen.

Die Mistel gilt in den Meisten deutschen Gegenden als ein unheilvolles
zu schadenbringenden Zauber dienendes Gewächs und heißt in Tirol der
Trudenfuß. Dagegen ist der Wachholder ein Strauch, der allenthalben
einen guten Ruf hat. Wer einen Zweig von Kranewitt -- so heißt der
Wachholder in Tirol und manchen anderen Landstrichen -- auf dem Hute
hat, läuft sich bei Reisen keinen Wolf und wird nicht müde. Wer an Hühner¬
augen leidet, geht zu einem Kranewittstrauche und knickt so viele Zweige um,
als er Hühneraugen hat, doch müssen jene so gebrochen werden, daß sie hängen
bleiben. Sobald die Zweige dürr werden, verschwinden auch die Hühner¬
augen. Zum Buttern muß man sich eines Schlägels aus Wachholderholz
bedienen, dann können die Hexen nicht machen, daß die Milch nicht bricht.
Niemand soll man mit einer Weide schlagen, heißt es in Norddeutschland
wie in Baiern und Schwaben; Menschen bekommen davon die Auszehrung
oder wachsen nicht mehr; Vieh verdorrt davon.

Der Ebereschenbaum mit seinen rothen Früchten (Sorbus) war in
der Heidenzeit dem Gewittergotte Donar heilig. Ein Nachklang davon
hat sich noch in der westphälischen Sitte erhalten, in der Walpurgisnacht
Zweige dieses Baumes über die Haus- und Stallthüren zu stecken, um den
fliegenden Drachen abzuhalten, und die Kühe mit solchen Zweigen auf das
Kreuz zu schlagen, um sie milchreich zu machen. In Tirol soll man, wenn
Mariä Verkündigung mit dem Charfreitag zusammenfällt, Aeste von der-
Esche schneiden, und zwar auf der Seite, wo der Baum nicht von der Mor¬
gensonne beschienen wird. Das auf diese Weise gewonnene Holz ist unver¬
weslich, und wenn sich jemand mit einer Waffe verwundet hat, so braucht
er, um das Schlimmerwerden der Wunde zu verhüten, nur die Waffe in solches
Holz hineinzuschlagen. Die Hexen oder Trüben verursachen nicht blos den
Menschen Alpdrücken, sondern quälen auf ähnliche Weise auch die Eschen.
Daher kommt es, daß an diesen Bäumen so viele verkrüppelte Bildungen
vorkommen, die bald Sicheln, bald Bischofsstäben gleichen. Auch die knolligen
Auswüchse an Fichten und Lärchen rühren von Hexen her.

Die Haselstaude scheint in Beziehung zu Donar und Wuotan ge¬
standen zu haben. In sie kann der Blitz nicht fahren, deshalb bricht man
von ihnen in Tirol am Feste Mariä Heimsuchung Zweige und steckt sie als
Blitzableiter vor die Fenster. Ferner hält sich unter Haselstauden keine
Schlange auf, und die Ruthen von ihnen sind gut zum Würmerschlagen.
Giebt man einer Natter mit einer solchen nur einen leichten Streich, so ist


Verbrennt man drei oder vier derselben beim Heranziehen eines Gewitters,
so schlägt es einem nicht ins Haus. Geht man mit dem geweihten Palm¬
zweig am Palmsonntag dreimal um sein Gehöft, so raubt einem der Geier
keine Hennen.

Die Mistel gilt in den Meisten deutschen Gegenden als ein unheilvolles
zu schadenbringenden Zauber dienendes Gewächs und heißt in Tirol der
Trudenfuß. Dagegen ist der Wachholder ein Strauch, der allenthalben
einen guten Ruf hat. Wer einen Zweig von Kranewitt — so heißt der
Wachholder in Tirol und manchen anderen Landstrichen — auf dem Hute
hat, läuft sich bei Reisen keinen Wolf und wird nicht müde. Wer an Hühner¬
augen leidet, geht zu einem Kranewittstrauche und knickt so viele Zweige um,
als er Hühneraugen hat, doch müssen jene so gebrochen werden, daß sie hängen
bleiben. Sobald die Zweige dürr werden, verschwinden auch die Hühner¬
augen. Zum Buttern muß man sich eines Schlägels aus Wachholderholz
bedienen, dann können die Hexen nicht machen, daß die Milch nicht bricht.
Niemand soll man mit einer Weide schlagen, heißt es in Norddeutschland
wie in Baiern und Schwaben; Menschen bekommen davon die Auszehrung
oder wachsen nicht mehr; Vieh verdorrt davon.

Der Ebereschenbaum mit seinen rothen Früchten (Sorbus) war in
der Heidenzeit dem Gewittergotte Donar heilig. Ein Nachklang davon
hat sich noch in der westphälischen Sitte erhalten, in der Walpurgisnacht
Zweige dieses Baumes über die Haus- und Stallthüren zu stecken, um den
fliegenden Drachen abzuhalten, und die Kühe mit solchen Zweigen auf das
Kreuz zu schlagen, um sie milchreich zu machen. In Tirol soll man, wenn
Mariä Verkündigung mit dem Charfreitag zusammenfällt, Aeste von der-
Esche schneiden, und zwar auf der Seite, wo der Baum nicht von der Mor¬
gensonne beschienen wird. Das auf diese Weise gewonnene Holz ist unver¬
weslich, und wenn sich jemand mit einer Waffe verwundet hat, so braucht
er, um das Schlimmerwerden der Wunde zu verhüten, nur die Waffe in solches
Holz hineinzuschlagen. Die Hexen oder Trüben verursachen nicht blos den
Menschen Alpdrücken, sondern quälen auf ähnliche Weise auch die Eschen.
Daher kommt es, daß an diesen Bäumen so viele verkrüppelte Bildungen
vorkommen, die bald Sicheln, bald Bischofsstäben gleichen. Auch die knolligen
Auswüchse an Fichten und Lärchen rühren von Hexen her.

Die Haselstaude scheint in Beziehung zu Donar und Wuotan ge¬
standen zu haben. In sie kann der Blitz nicht fahren, deshalb bricht man
von ihnen in Tirol am Feste Mariä Heimsuchung Zweige und steckt sie als
Blitzableiter vor die Fenster. Ferner hält sich unter Haselstauden keine
Schlange auf, und die Ruthen von ihnen sind gut zum Würmerschlagen.
Giebt man einer Natter mit einer solchen nur einen leichten Streich, so ist


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[0490] Verbrennt man drei oder vier derselben beim Heranziehen eines Gewitters, so schlägt es einem nicht ins Haus. Geht man mit dem geweihten Palm¬ zweig am Palmsonntag dreimal um sein Gehöft, so raubt einem der Geier keine Hennen. Die Mistel gilt in den Meisten deutschen Gegenden als ein unheilvolles zu schadenbringenden Zauber dienendes Gewächs und heißt in Tirol der Trudenfuß. Dagegen ist der Wachholder ein Strauch, der allenthalben einen guten Ruf hat. Wer einen Zweig von Kranewitt — so heißt der Wachholder in Tirol und manchen anderen Landstrichen — auf dem Hute hat, läuft sich bei Reisen keinen Wolf und wird nicht müde. Wer an Hühner¬ augen leidet, geht zu einem Kranewittstrauche und knickt so viele Zweige um, als er Hühneraugen hat, doch müssen jene so gebrochen werden, daß sie hängen bleiben. Sobald die Zweige dürr werden, verschwinden auch die Hühner¬ augen. Zum Buttern muß man sich eines Schlägels aus Wachholderholz bedienen, dann können die Hexen nicht machen, daß die Milch nicht bricht. Niemand soll man mit einer Weide schlagen, heißt es in Norddeutschland wie in Baiern und Schwaben; Menschen bekommen davon die Auszehrung oder wachsen nicht mehr; Vieh verdorrt davon. Der Ebereschenbaum mit seinen rothen Früchten (Sorbus) war in der Heidenzeit dem Gewittergotte Donar heilig. Ein Nachklang davon hat sich noch in der westphälischen Sitte erhalten, in der Walpurgisnacht Zweige dieses Baumes über die Haus- und Stallthüren zu stecken, um den fliegenden Drachen abzuhalten, und die Kühe mit solchen Zweigen auf das Kreuz zu schlagen, um sie milchreich zu machen. In Tirol soll man, wenn Mariä Verkündigung mit dem Charfreitag zusammenfällt, Aeste von der- Esche schneiden, und zwar auf der Seite, wo der Baum nicht von der Mor¬ gensonne beschienen wird. Das auf diese Weise gewonnene Holz ist unver¬ weslich, und wenn sich jemand mit einer Waffe verwundet hat, so braucht er, um das Schlimmerwerden der Wunde zu verhüten, nur die Waffe in solches Holz hineinzuschlagen. Die Hexen oder Trüben verursachen nicht blos den Menschen Alpdrücken, sondern quälen auf ähnliche Weise auch die Eschen. Daher kommt es, daß an diesen Bäumen so viele verkrüppelte Bildungen vorkommen, die bald Sicheln, bald Bischofsstäben gleichen. Auch die knolligen Auswüchse an Fichten und Lärchen rühren von Hexen her. Die Haselstaude scheint in Beziehung zu Donar und Wuotan ge¬ standen zu haben. In sie kann der Blitz nicht fahren, deshalb bricht man von ihnen in Tirol am Feste Mariä Heimsuchung Zweige und steckt sie als Blitzableiter vor die Fenster. Ferner hält sich unter Haselstauden keine Schlange auf, und die Ruthen von ihnen sind gut zum Würmerschlagen. Giebt man einer Natter mit einer solchen nur einen leichten Streich, so ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/490>, abgerufen am 28.11.2024.