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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Ein Schlafäpfel ist ein durch den Stich der Rosengallwespe entstände,
ner, mit rothen und grünen Härchen wie mit Moos besetzter Auswuchs
am Hagebuttenstrauche. Den muß man sich -- so räth der Aberglaube in
der Wetterau sowie in Tirol, wo der Apfel Schlafputzen heißt -- des Nachts
unter das Kopfkissen liegen, dann schläft man fest und sanft. Dill schützt in
vielen Fällen vor Behexung, doch gewöhnlich in Verbindung mit Salz.
Andere Kräuter, die der Volksglaube in den meisten deutschen Gegenden für
gut gegen allen bösen Zauber hält, sind: Gundermann (gieekoms,), Meer¬
zwiebel, Butterblumenkraut, Hasenohr (duMurum), Kümmel, Eisenkraut,
Raute, Tausendgüldenkraut und Allermannsharnisch Minen viewritüis). In
Passeier heißt es, wer sich Eisenkraut in die Schuhe lege, werde nicht müde.
Die Raute "ist ein gar edles Kraut", namentlich gilt dieß von den Edel-
rauten, und unter diesen wieder gelten für die vornehmsten, welche "fünf
Zehen haben", d. h. deren Ovarium fünf Fächer zeigt. Sie thun Wunder
bei Verwünschung und anderem Zauber und dürfen bei der Kräuterweihe nicht
vergessen werden. Allermannsharnisch, auch Allermannsherrenkraut, thut
ähnliche Dienste, und seine Wurzel ist überdieß in Norddeutschland wie in
Tirol ein Mittel, mit dem man sich gegen Hieb. Stich und Schuß festmachen
kann, und welches jede Blutung stillt. Wenn man siebenundsiebzig Blättchen
von der Wunderrebe oder Gundelrebe auf eine Wunde legt, meint die Volks-
mediein des Innthales, so heilt sie. Die Heu- oder Wucherblume wird zu
Liebesorakeln gebraucht. Im Innthale sagt man, in dem man sie entblät¬
tert: "Er liebt mich, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht." Im Oetz-
thale bricht man von der Blume die Randblätter nach einander ab und sieht
zu, nach welcher Himmelsgegend das dritte Blatt fällt. Auf diese Weise er¬
fährt man, nach welcher Richtung hin man heirathen wird. Die Veitsblume
oder Brünette ist in Tirol ein Zaubertrank. Bei Ambras glaubt man, wenn
Zwei Leute einen Wegerich auseinanderziehen, so hat der mehr Sünden auf
dem Gewissen, an dessen Hälfte mehr Fäden herausstehen. Je länger die
Fäden, desto größer die Sünden.

Der Sevenbaum (Mviperus Sabina) soll gegen Zauber schützen. In
vielen Gärten des Innthales steht ein solcher Baum, und man läßt
Zweige davon am Palmsonntag weihen, da man glaubt, daß der "Palm"
ohne Seven nicht vollkommen sei. Wenn man am Palmsonntag in Nau-
ders und im Pitzthale drei geweihte Palmkätzchen verschluckt, so ist man
das folgende Jahr hindurch vor Halsweh gesichert, womit man den sächsi¬
schen Aberglauben vergleichen wolle, nach welchem man sich dadurch vor dem-
Fieber bewahrt, daß man von drei Kornähren die Blüthe abstreift und ver.
Sehrt. Die Palmkätzchen, die Blüthen von einigen Weidenarten, bewirken,
vor ein Fenster gesteckt, daß keine Hexe durch dasselbe in die Stube kann.'


Ein Schlafäpfel ist ein durch den Stich der Rosengallwespe entstände,
ner, mit rothen und grünen Härchen wie mit Moos besetzter Auswuchs
am Hagebuttenstrauche. Den muß man sich — so räth der Aberglaube in
der Wetterau sowie in Tirol, wo der Apfel Schlafputzen heißt — des Nachts
unter das Kopfkissen liegen, dann schläft man fest und sanft. Dill schützt in
vielen Fällen vor Behexung, doch gewöhnlich in Verbindung mit Salz.
Andere Kräuter, die der Volksglaube in den meisten deutschen Gegenden für
gut gegen allen bösen Zauber hält, sind: Gundermann (gieekoms,), Meer¬
zwiebel, Butterblumenkraut, Hasenohr (duMurum), Kümmel, Eisenkraut,
Raute, Tausendgüldenkraut und Allermannsharnisch Minen viewritüis). In
Passeier heißt es, wer sich Eisenkraut in die Schuhe lege, werde nicht müde.
Die Raute „ist ein gar edles Kraut", namentlich gilt dieß von den Edel-
rauten, und unter diesen wieder gelten für die vornehmsten, welche „fünf
Zehen haben", d. h. deren Ovarium fünf Fächer zeigt. Sie thun Wunder
bei Verwünschung und anderem Zauber und dürfen bei der Kräuterweihe nicht
vergessen werden. Allermannsharnisch, auch Allermannsherrenkraut, thut
ähnliche Dienste, und seine Wurzel ist überdieß in Norddeutschland wie in
Tirol ein Mittel, mit dem man sich gegen Hieb. Stich und Schuß festmachen
kann, und welches jede Blutung stillt. Wenn man siebenundsiebzig Blättchen
von der Wunderrebe oder Gundelrebe auf eine Wunde legt, meint die Volks-
mediein des Innthales, so heilt sie. Die Heu- oder Wucherblume wird zu
Liebesorakeln gebraucht. Im Innthale sagt man, in dem man sie entblät¬
tert: „Er liebt mich, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht." Im Oetz-
thale bricht man von der Blume die Randblätter nach einander ab und sieht
zu, nach welcher Himmelsgegend das dritte Blatt fällt. Auf diese Weise er¬
fährt man, nach welcher Richtung hin man heirathen wird. Die Veitsblume
oder Brünette ist in Tirol ein Zaubertrank. Bei Ambras glaubt man, wenn
Zwei Leute einen Wegerich auseinanderziehen, so hat der mehr Sünden auf
dem Gewissen, an dessen Hälfte mehr Fäden herausstehen. Je länger die
Fäden, desto größer die Sünden.

Der Sevenbaum (Mviperus Sabina) soll gegen Zauber schützen. In
vielen Gärten des Innthales steht ein solcher Baum, und man läßt
Zweige davon am Palmsonntag weihen, da man glaubt, daß der „Palm"
ohne Seven nicht vollkommen sei. Wenn man am Palmsonntag in Nau-
ders und im Pitzthale drei geweihte Palmkätzchen verschluckt, so ist man
das folgende Jahr hindurch vor Halsweh gesichert, womit man den sächsi¬
schen Aberglauben vergleichen wolle, nach welchem man sich dadurch vor dem-
Fieber bewahrt, daß man von drei Kornähren die Blüthe abstreift und ver.
Sehrt. Die Palmkätzchen, die Blüthen von einigen Weidenarten, bewirken,
vor ein Fenster gesteckt, daß keine Hexe durch dasselbe in die Stube kann.'


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[0489] Ein Schlafäpfel ist ein durch den Stich der Rosengallwespe entstände, ner, mit rothen und grünen Härchen wie mit Moos besetzter Auswuchs am Hagebuttenstrauche. Den muß man sich — so räth der Aberglaube in der Wetterau sowie in Tirol, wo der Apfel Schlafputzen heißt — des Nachts unter das Kopfkissen liegen, dann schläft man fest und sanft. Dill schützt in vielen Fällen vor Behexung, doch gewöhnlich in Verbindung mit Salz. Andere Kräuter, die der Volksglaube in den meisten deutschen Gegenden für gut gegen allen bösen Zauber hält, sind: Gundermann (gieekoms,), Meer¬ zwiebel, Butterblumenkraut, Hasenohr (duMurum), Kümmel, Eisenkraut, Raute, Tausendgüldenkraut und Allermannsharnisch Minen viewritüis). In Passeier heißt es, wer sich Eisenkraut in die Schuhe lege, werde nicht müde. Die Raute „ist ein gar edles Kraut", namentlich gilt dieß von den Edel- rauten, und unter diesen wieder gelten für die vornehmsten, welche „fünf Zehen haben", d. h. deren Ovarium fünf Fächer zeigt. Sie thun Wunder bei Verwünschung und anderem Zauber und dürfen bei der Kräuterweihe nicht vergessen werden. Allermannsharnisch, auch Allermannsherrenkraut, thut ähnliche Dienste, und seine Wurzel ist überdieß in Norddeutschland wie in Tirol ein Mittel, mit dem man sich gegen Hieb. Stich und Schuß festmachen kann, und welches jede Blutung stillt. Wenn man siebenundsiebzig Blättchen von der Wunderrebe oder Gundelrebe auf eine Wunde legt, meint die Volks- mediein des Innthales, so heilt sie. Die Heu- oder Wucherblume wird zu Liebesorakeln gebraucht. Im Innthale sagt man, in dem man sie entblät¬ tert: „Er liebt mich, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht." Im Oetz- thale bricht man von der Blume die Randblätter nach einander ab und sieht zu, nach welcher Himmelsgegend das dritte Blatt fällt. Auf diese Weise er¬ fährt man, nach welcher Richtung hin man heirathen wird. Die Veitsblume oder Brünette ist in Tirol ein Zaubertrank. Bei Ambras glaubt man, wenn Zwei Leute einen Wegerich auseinanderziehen, so hat der mehr Sünden auf dem Gewissen, an dessen Hälfte mehr Fäden herausstehen. Je länger die Fäden, desto größer die Sünden. Der Sevenbaum (Mviperus Sabina) soll gegen Zauber schützen. In vielen Gärten des Innthales steht ein solcher Baum, und man läßt Zweige davon am Palmsonntag weihen, da man glaubt, daß der „Palm" ohne Seven nicht vollkommen sei. Wenn man am Palmsonntag in Nau- ders und im Pitzthale drei geweihte Palmkätzchen verschluckt, so ist man das folgende Jahr hindurch vor Halsweh gesichert, womit man den sächsi¬ schen Aberglauben vergleichen wolle, nach welchem man sich dadurch vor dem- Fieber bewahrt, daß man von drei Kornähren die Blüthe abstreift und ver. Sehrt. Die Palmkätzchen, die Blüthen von einigen Weidenarten, bewirken, vor ein Fenster gesteckt, daß keine Hexe durch dasselbe in die Stube kann.'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/489>, abgerufen am 28.07.2024.