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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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waldigen Anblick wohl sein eignes Buch gewähren würde, wenn das Aeußere
desselben dem Inhalt entsprechend decorirt wäre. Aus den von ihm ange¬
führten Büchertiteln, die sämmtlich in Deutschland gewiß ebenso unbekannt
sind, wie die bisherigen schriftstellerischen Leistungen des Herrn Tissot, wollen
wir nur einen anführen: Die Probenacht, oder der Mann von sieben Frauen
von Ferd. Cupido, der, wenn er es nicht ist, es wenigstens verdiente, der über¬
mäßig erregten Phantasie des Herrn Tissot seinen Ursprung zu verdanken.
Derartige Schriften, versichert er sodann, würden in Frankreich nicht 24
Stunden in der entlegensten Butike ausliegen können, ohne von der Polizei
confiscire zu werden, aber freilich in Deutschland kann man, falls man nur
Bismarck und den Kaiser ungeschoren läßt, ungestraft proklamiren, daß die
Tugend Laster sei, daß das Paradies ein himmlisches Bagno wäre, und erhält
noch obendrein den lauten Beifall der Mamelucken der offiziösen Presse.
Aber wer kann sich noch über so etwas wundern, wenn, wie uns der Ver¬
fasser an einer andern Stelle mittheilt, die christliche Religion aus der Schule
verbannt ist, und dafür die Religion Krupp gelehrt wird. Wo aber werden
alle diese unzüchtigen Schriften gedruckt; denn auch dahinter ist der scharf¬
sinnige Verfasser gekommen und verheimlicht seine Entdeckung keineswegs.
"Welches ist die Stadt, ruft er pathetisch aus, die sich unter den Pseudonymen
London, Haag, Amsterdam u. s. w. verbirgt? Es ist Cöln. Ach! ja, Cöln,
die heilige -- heute voloZne ig, ^russieime." Das erklärt alles. Preußen
ist nämlich für ihn der Inbegriff aller Schlechtigkeit. Seine Vorliebe für
diesen Staat geht soweit, daß das Hamburger Affenhaus auf ihn einen
besseren Eindruck macht als das Berliner Abgeordnetenhaus (nun, über Ge¬
schmack soll man nicht streiten) und daß der Hamburger Gorilla (der übrigens
erst eingefangen werden soll) sofort das Bild der Berliner Stutzer in ihm
wachruft.

Auf die deutschen Frauen ist der gefühlvolle Herr Verfasser, wie es
scheint, besser zu sprechen; er bringt ihnen wenigstens ein gewisses Mitleid
entgegen wegen der untergeordneten Stellung, die sie bislang noch einnehmen.
An einer Stelle, wo er von den Frankfurterinnen redet, verräth sogar sein
Stil eine Art wahnsinnigen Entzückens.

Der Germane hat noch nicht begriffen, so behauptet wenigstens Mr. Tis¬
sot, daß eine Frau eine Genossin und Freundin und nicht eine Dienerin
und Sklavin ist. Für sie die schweren Arbeiten. Sie steht zuerst aus und
legt sich zuletzt nieder. Es ist das alte Lastthier, die Wahns- und Näh¬
maschine und die Maschine die Rasse fortzupflanzen. Weiter nichts. Wir
betonen hier, daß wir uns einer möglichst wörtlichen Wiedergabe befleißigen.

An einer andern Stelle behauptet er, daß die Deutschen keinen Sinn
für das Familienleben haben wie die Franzosen. Im Norden wie im Süden


waldigen Anblick wohl sein eignes Buch gewähren würde, wenn das Aeußere
desselben dem Inhalt entsprechend decorirt wäre. Aus den von ihm ange¬
führten Büchertiteln, die sämmtlich in Deutschland gewiß ebenso unbekannt
sind, wie die bisherigen schriftstellerischen Leistungen des Herrn Tissot, wollen
wir nur einen anführen: Die Probenacht, oder der Mann von sieben Frauen
von Ferd. Cupido, der, wenn er es nicht ist, es wenigstens verdiente, der über¬
mäßig erregten Phantasie des Herrn Tissot seinen Ursprung zu verdanken.
Derartige Schriften, versichert er sodann, würden in Frankreich nicht 24
Stunden in der entlegensten Butike ausliegen können, ohne von der Polizei
confiscire zu werden, aber freilich in Deutschland kann man, falls man nur
Bismarck und den Kaiser ungeschoren läßt, ungestraft proklamiren, daß die
Tugend Laster sei, daß das Paradies ein himmlisches Bagno wäre, und erhält
noch obendrein den lauten Beifall der Mamelucken der offiziösen Presse.
Aber wer kann sich noch über so etwas wundern, wenn, wie uns der Ver¬
fasser an einer andern Stelle mittheilt, die christliche Religion aus der Schule
verbannt ist, und dafür die Religion Krupp gelehrt wird. Wo aber werden
alle diese unzüchtigen Schriften gedruckt; denn auch dahinter ist der scharf¬
sinnige Verfasser gekommen und verheimlicht seine Entdeckung keineswegs.
„Welches ist die Stadt, ruft er pathetisch aus, die sich unter den Pseudonymen
London, Haag, Amsterdam u. s. w. verbirgt? Es ist Cöln. Ach! ja, Cöln,
die heilige — heute voloZne ig, ^russieime." Das erklärt alles. Preußen
ist nämlich für ihn der Inbegriff aller Schlechtigkeit. Seine Vorliebe für
diesen Staat geht soweit, daß das Hamburger Affenhaus auf ihn einen
besseren Eindruck macht als das Berliner Abgeordnetenhaus (nun, über Ge¬
schmack soll man nicht streiten) und daß der Hamburger Gorilla (der übrigens
erst eingefangen werden soll) sofort das Bild der Berliner Stutzer in ihm
wachruft.

Auf die deutschen Frauen ist der gefühlvolle Herr Verfasser, wie es
scheint, besser zu sprechen; er bringt ihnen wenigstens ein gewisses Mitleid
entgegen wegen der untergeordneten Stellung, die sie bislang noch einnehmen.
An einer Stelle, wo er von den Frankfurterinnen redet, verräth sogar sein
Stil eine Art wahnsinnigen Entzückens.

Der Germane hat noch nicht begriffen, so behauptet wenigstens Mr. Tis¬
sot, daß eine Frau eine Genossin und Freundin und nicht eine Dienerin
und Sklavin ist. Für sie die schweren Arbeiten. Sie steht zuerst aus und
legt sich zuletzt nieder. Es ist das alte Lastthier, die Wahns- und Näh¬
maschine und die Maschine die Rasse fortzupflanzen. Weiter nichts. Wir
betonen hier, daß wir uns einer möglichst wörtlichen Wiedergabe befleißigen.

An einer andern Stelle behauptet er, daß die Deutschen keinen Sinn
für das Familienleben haben wie die Franzosen. Im Norden wie im Süden


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[0410] waldigen Anblick wohl sein eignes Buch gewähren würde, wenn das Aeußere desselben dem Inhalt entsprechend decorirt wäre. Aus den von ihm ange¬ führten Büchertiteln, die sämmtlich in Deutschland gewiß ebenso unbekannt sind, wie die bisherigen schriftstellerischen Leistungen des Herrn Tissot, wollen wir nur einen anführen: Die Probenacht, oder der Mann von sieben Frauen von Ferd. Cupido, der, wenn er es nicht ist, es wenigstens verdiente, der über¬ mäßig erregten Phantasie des Herrn Tissot seinen Ursprung zu verdanken. Derartige Schriften, versichert er sodann, würden in Frankreich nicht 24 Stunden in der entlegensten Butike ausliegen können, ohne von der Polizei confiscire zu werden, aber freilich in Deutschland kann man, falls man nur Bismarck und den Kaiser ungeschoren läßt, ungestraft proklamiren, daß die Tugend Laster sei, daß das Paradies ein himmlisches Bagno wäre, und erhält noch obendrein den lauten Beifall der Mamelucken der offiziösen Presse. Aber wer kann sich noch über so etwas wundern, wenn, wie uns der Ver¬ fasser an einer andern Stelle mittheilt, die christliche Religion aus der Schule verbannt ist, und dafür die Religion Krupp gelehrt wird. Wo aber werden alle diese unzüchtigen Schriften gedruckt; denn auch dahinter ist der scharf¬ sinnige Verfasser gekommen und verheimlicht seine Entdeckung keineswegs. „Welches ist die Stadt, ruft er pathetisch aus, die sich unter den Pseudonymen London, Haag, Amsterdam u. s. w. verbirgt? Es ist Cöln. Ach! ja, Cöln, die heilige — heute voloZne ig, ^russieime." Das erklärt alles. Preußen ist nämlich für ihn der Inbegriff aller Schlechtigkeit. Seine Vorliebe für diesen Staat geht soweit, daß das Hamburger Affenhaus auf ihn einen besseren Eindruck macht als das Berliner Abgeordnetenhaus (nun, über Ge¬ schmack soll man nicht streiten) und daß der Hamburger Gorilla (der übrigens erst eingefangen werden soll) sofort das Bild der Berliner Stutzer in ihm wachruft. Auf die deutschen Frauen ist der gefühlvolle Herr Verfasser, wie es scheint, besser zu sprechen; er bringt ihnen wenigstens ein gewisses Mitleid entgegen wegen der untergeordneten Stellung, die sie bislang noch einnehmen. An einer Stelle, wo er von den Frankfurterinnen redet, verräth sogar sein Stil eine Art wahnsinnigen Entzückens. Der Germane hat noch nicht begriffen, so behauptet wenigstens Mr. Tis¬ sot, daß eine Frau eine Genossin und Freundin und nicht eine Dienerin und Sklavin ist. Für sie die schweren Arbeiten. Sie steht zuerst aus und legt sich zuletzt nieder. Es ist das alte Lastthier, die Wahns- und Näh¬ maschine und die Maschine die Rasse fortzupflanzen. Weiter nichts. Wir betonen hier, daß wir uns einer möglichst wörtlichen Wiedergabe befleißigen. An einer andern Stelle behauptet er, daß die Deutschen keinen Sinn für das Familienleben haben wie die Franzosen. Im Norden wie im Süden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/410>, abgerufen am 28.07.2024.