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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sehe, gethan und erfolglos geblieben. Vor Kurzem (1873) ist es L. von
Ranke möglich gemacht worden, "aus dem Briefwechsel Friedrich
Wilhelm's IV. mit Bunsen" die allerwichtigsten Beiträge zu einer Ge¬
schichte des Königs zu veröffentlichen, die wir überhaupt bisher besitzen. Nach
diesem Vorgange würde es wohl keinen Anstand finden, auch seine Briefe an
Schön zu publiciren.

Auf Schön's Glückwunsch zu seiner Thronbesteigung (S. 158) antwortete
der König in sehr bezeichnender Weise. Dies Antwortschreiben liegt mir
seinem vollen Wortlaut nach vor. Da der Herausgeber nur einige Sätze
gegeben, wobei es ihm geglückt ist, diese Blume ihres eigentlichen Duftes zu
berauben, theile ich den Brief vollständig mit.


Mein theurer lieber Schön

Wäre eine gültige Entschuldigung so spät auf einen damanten Brief wie der
Ihre ist, zu antworten, so würde ich anführen, daß drei sehr verschiedene Herzöge
meines absoluten Zeitmangels halber auch noch ohne Antwort sind und zwar die von
Anhalt-Kälber, von Nemours und von Lucca. Aber ich selbst lasse es nicht gelten
und hätte (ich bekenne es wohl) ^ Stündchen Schlafes mehr mir entzogen haben
sollen um Ihnen zu antworten.

Ihre edeln Zeilen mit römischer Kürze, antikem Gedankenschwung was das beste
ist mit deutschem Herzen, mit Ihrem Herzen geschrieben, haben einen tiefen unaus¬
löschlichen Eindruck auf mich gemacht. Und wie sollte der Sohn nicht ergriffen sein
wenn der treue vielgeprüfte durch gewaltiges belebendes Wirken bewährteste Diener des
Vaters ihm solche Worte schreibt und ihm (der so oft wie ein Schüler vor ihm
stand) huldigt! ! !

Ich umarme Sie in Gedanken und bald (so hoffe ich zu Gott) mit meinen
Armen. Dann wird mein Händedruck Ihnen besser als alles Schwarz auf allem
Friedrich Wilhelm. Weiß sagen, daß ich Ihr treuer Freund bin und bleibe

Das Schreiben des Königs vom 26. Dezember 1840 ist von der aller¬
größten Bedeutung. Auf S. 154 wird uns eine Stelle gewährt, und dann
bemerkt: "den weiteren Inhalt ergiebt Schön's Antwort vom 3. Januar 1841
S. 246." Als ob irgend Jemand aus der Antwort den Wortlaut des
Briefes erkennen könnte! Und bei Friedrich Wilhelm IV. ist Wortlaut und
Inhalt absolut untrennbar: wer auch nur weniges aus seiner Feder gelesen,
weiß, daß man seine Auslassungen nicht exeerpiren, sondern nur copiren kann,
und sicherlich niemals aus der Erwiederung eines Anderen abnehmen oder
errathen kann, was jener zu Papier gebracht hatte. Das Versteckspielen und
Räthselstellen des Herausgebers ist hier sehr schlecht am Platze. Möchte er
seiner Zeit nicht, -- ich wiederhole die neulich gemachte Mahnung -- den



*) "Gcdankenspnmg" druckt unser Herausgeber! !

sehe, gethan und erfolglos geblieben. Vor Kurzem (1873) ist es L. von
Ranke möglich gemacht worden, „aus dem Briefwechsel Friedrich
Wilhelm's IV. mit Bunsen" die allerwichtigsten Beiträge zu einer Ge¬
schichte des Königs zu veröffentlichen, die wir überhaupt bisher besitzen. Nach
diesem Vorgange würde es wohl keinen Anstand finden, auch seine Briefe an
Schön zu publiciren.

Auf Schön's Glückwunsch zu seiner Thronbesteigung (S. 158) antwortete
der König in sehr bezeichnender Weise. Dies Antwortschreiben liegt mir
seinem vollen Wortlaut nach vor. Da der Herausgeber nur einige Sätze
gegeben, wobei es ihm geglückt ist, diese Blume ihres eigentlichen Duftes zu
berauben, theile ich den Brief vollständig mit.


Mein theurer lieber Schön

Wäre eine gültige Entschuldigung so spät auf einen damanten Brief wie der
Ihre ist, zu antworten, so würde ich anführen, daß drei sehr verschiedene Herzöge
meines absoluten Zeitmangels halber auch noch ohne Antwort sind und zwar die von
Anhalt-Kälber, von Nemours und von Lucca. Aber ich selbst lasse es nicht gelten
und hätte (ich bekenne es wohl) ^ Stündchen Schlafes mehr mir entzogen haben
sollen um Ihnen zu antworten.

Ihre edeln Zeilen mit römischer Kürze, antikem Gedankenschwung was das beste
ist mit deutschem Herzen, mit Ihrem Herzen geschrieben, haben einen tiefen unaus¬
löschlichen Eindruck auf mich gemacht. Und wie sollte der Sohn nicht ergriffen sein
wenn der treue vielgeprüfte durch gewaltiges belebendes Wirken bewährteste Diener des
Vaters ihm solche Worte schreibt und ihm (der so oft wie ein Schüler vor ihm
stand) huldigt! ! !

Ich umarme Sie in Gedanken und bald (so hoffe ich zu Gott) mit meinen
Armen. Dann wird mein Händedruck Ihnen besser als alles Schwarz auf allem
Friedrich Wilhelm. Weiß sagen, daß ich Ihr treuer Freund bin und bleibe

Das Schreiben des Königs vom 26. Dezember 1840 ist von der aller¬
größten Bedeutung. Auf S. 154 wird uns eine Stelle gewährt, und dann
bemerkt: „den weiteren Inhalt ergiebt Schön's Antwort vom 3. Januar 1841
S. 246." Als ob irgend Jemand aus der Antwort den Wortlaut des
Briefes erkennen könnte! Und bei Friedrich Wilhelm IV. ist Wortlaut und
Inhalt absolut untrennbar: wer auch nur weniges aus seiner Feder gelesen,
weiß, daß man seine Auslassungen nicht exeerpiren, sondern nur copiren kann,
und sicherlich niemals aus der Erwiederung eines Anderen abnehmen oder
errathen kann, was jener zu Papier gebracht hatte. Das Versteckspielen und
Räthselstellen des Herausgebers ist hier sehr schlecht am Platze. Möchte er
seiner Zeit nicht, — ich wiederhole die neulich gemachte Mahnung — den



*) „Gcdankenspnmg" druckt unser Herausgeber! !
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/379>, abgerufen am 27.11.2024.