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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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suchung daher nicht eher ab, als bis wir dies Tagebuch selbst -- im IV. Bande
-- heranziehen können.

Die Betrachtungen Schön's über seine Verwaltungsthätigkeit in der
Provinz Preußen (S. 33--164) erregen unsere Aufmerksamkeit und unser
Interesse in dem höchsten Grade. Die Geschichte der preußischen Verwaltung
gehört ja zu den so gut wie gar nicht bekannten Gebieten unserer vaterländi¬
schen Vergangenheit. Und doch liegt aus diesem Felde ein gutes Stück unserer
staatlichen Kraft und unserer ruhmeswerthesten Leistungen. Mit dank¬
barer Aufmerksamkeit und lebendiger Spannung lesen wir was hier einer der
höchsten Beamten uns von diesen ihm bekannten, dem Publikum aber ver¬
borgenen Dingen berichtet. Auf eine Fülle geistreicher und bedeutender
Worte stoßen wir in dieser Erzählung, welche thatsächlichen Bericht mit
Politischen Urtheilen vermischt vorträgt. Oft, nur zu oft erwacht in uns das
Verlangen, noch mehr Details, noch bestimmtere Daten und noch eingehendere
Notizen zu erhalten. Für den nächsten Band wird uns Allerlei in Aussicht
gestellt, u. A. wichtige Denkschriften aus dem Jahre 1817, auf die wir sehr
gespannt sind. Es scheint, daß der Nachlaß reich ist an derartigem Material;
und recht dringend möchten wir zu recht reichlichen Spenden grade aus dieser
Kategorie auffordern. Ja, falls der Verwalter des Nachlasses in seinem
Materials hier und da Lücken bemerken lsollte, hieße es zu viel von ihm
verlangt, daß er an amtlicher Stelle nachzufragen und Ergänzungen aus
amtlichen Quellen -- die sicher heute ihm nicht verschlossen sein dürften --
herbeizuschaffen sich entschließen sollte? Daß der Herausgeber zur Erläuterung
des Textes durch Anmerkungen wenig beigetragen hat, wird manchem Leser
unbequem sein; ein Historiker hätte sich der Aufgabe nicht entziehen dürfen)
bei der gegenwärtigen Sachlage wollen wir lieber hierüber nicht klagen.

Schön's historische Bedeutung beruht auf seinen Leistungen als Ober-
Präsident von Preußen; er erfreute sich großer Unabhängigkett und Selbst-
ständtgkeit in dieser Stellung; die ganze Eigenart seines Charakters trat hier
zu Tage. Und eine seinem Andenken gewidmete Publikation hat in der Auf¬
hellung dieses Abschnittes ihren Schwerpunkt zu suchen. Je deutlicher und
vollständiger unsere Kenntniß hiervon wird, -- ich wage das Wort -- desto
Heller und glänzender wird Schön's Andenken in der Geschichte werden. In
den Jahren 1807--1813 war Schön ein Gehülfe der Reformer in Preußen
gewesen, der mit großer Tüchtigkeit der Aufgabe der Neuaufrichtung und
Befreiung des Vaterlandes gedient, -- als thatkräftiger Gehülfe. Wenn
er selbst nachher sich den Ruhm der leitenden Rolle für jene Zeit hat bel¬
egen und aneignen wollen, so war das eine Verirrung des alt gewordenen
'n seinem Selbstgefühl gesteigerten und vielfach verbitterten Mannes, die wir
- vielleicht -- erklären, vielleicht bis zu einem gewissen Punkte entschuldigen


suchung daher nicht eher ab, als bis wir dies Tagebuch selbst — im IV. Bande
— heranziehen können.

Die Betrachtungen Schön's über seine Verwaltungsthätigkeit in der
Provinz Preußen (S. 33—164) erregen unsere Aufmerksamkeit und unser
Interesse in dem höchsten Grade. Die Geschichte der preußischen Verwaltung
gehört ja zu den so gut wie gar nicht bekannten Gebieten unserer vaterländi¬
schen Vergangenheit. Und doch liegt aus diesem Felde ein gutes Stück unserer
staatlichen Kraft und unserer ruhmeswerthesten Leistungen. Mit dank¬
barer Aufmerksamkeit und lebendiger Spannung lesen wir was hier einer der
höchsten Beamten uns von diesen ihm bekannten, dem Publikum aber ver¬
borgenen Dingen berichtet. Auf eine Fülle geistreicher und bedeutender
Worte stoßen wir in dieser Erzählung, welche thatsächlichen Bericht mit
Politischen Urtheilen vermischt vorträgt. Oft, nur zu oft erwacht in uns das
Verlangen, noch mehr Details, noch bestimmtere Daten und noch eingehendere
Notizen zu erhalten. Für den nächsten Band wird uns Allerlei in Aussicht
gestellt, u. A. wichtige Denkschriften aus dem Jahre 1817, auf die wir sehr
gespannt sind. Es scheint, daß der Nachlaß reich ist an derartigem Material;
und recht dringend möchten wir zu recht reichlichen Spenden grade aus dieser
Kategorie auffordern. Ja, falls der Verwalter des Nachlasses in seinem
Materials hier und da Lücken bemerken lsollte, hieße es zu viel von ihm
verlangt, daß er an amtlicher Stelle nachzufragen und Ergänzungen aus
amtlichen Quellen — die sicher heute ihm nicht verschlossen sein dürften —
herbeizuschaffen sich entschließen sollte? Daß der Herausgeber zur Erläuterung
des Textes durch Anmerkungen wenig beigetragen hat, wird manchem Leser
unbequem sein; ein Historiker hätte sich der Aufgabe nicht entziehen dürfen)
bei der gegenwärtigen Sachlage wollen wir lieber hierüber nicht klagen.

Schön's historische Bedeutung beruht auf seinen Leistungen als Ober-
Präsident von Preußen; er erfreute sich großer Unabhängigkett und Selbst-
ständtgkeit in dieser Stellung; die ganze Eigenart seines Charakters trat hier
zu Tage. Und eine seinem Andenken gewidmete Publikation hat in der Auf¬
hellung dieses Abschnittes ihren Schwerpunkt zu suchen. Je deutlicher und
vollständiger unsere Kenntniß hiervon wird, — ich wage das Wort — desto
Heller und glänzender wird Schön's Andenken in der Geschichte werden. In
den Jahren 1807—1813 war Schön ein Gehülfe der Reformer in Preußen
gewesen, der mit großer Tüchtigkeit der Aufgabe der Neuaufrichtung und
Befreiung des Vaterlandes gedient, — als thatkräftiger Gehülfe. Wenn
er selbst nachher sich den Ruhm der leitenden Rolle für jene Zeit hat bel¬
egen und aneignen wollen, so war das eine Verirrung des alt gewordenen
'n seinem Selbstgefühl gesteigerten und vielfach verbitterten Mannes, die wir
- vielleicht — erklären, vielleicht bis zu einem gewissen Punkte entschuldigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/375>, abgerufen am 28.07.2024.