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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Der Chef des Bureaus für die französische Presse, welches gemeinhin
einfach Preßbureau genant wird, ist allemal eine politische Persönlichkeit und
wechselt mit jedem politischen System. Demgemäß ist auch neuerdings der
nach dem 24. Mai ernannte Herr Leo durch den republikanischen Journalisten
Herrn Pessard ersetzt worden.

Dieses Bureau liefert täglich einen Uebersichtsbericht nach Auszügen aus
sämmtlichen Pariser- und Departementsblättern. Autographirte Exemplare
des Berichts werden jeden Mittag dem Präsidenten der Republik, den Ministern,
den Präsidenten der parlamentarischen Körper, dem Generalgouvemeur von
Paris :c. zugesandt. Außerdem empfängt der Bureauchef täglich die Reporter,
welche für Blätter jeder Farbe Nachrichten holen. Er correspondirt auch
mit den Präfecten wegen der Departementspresse. Dagegen werden die Chef¬
redacteure der regierungsfreundlichen Journale vom Minister selbst, oder
wenigstens von dessen Cabinetschef empfangen.

Hinsichtlich der "Unterstützungen und Beihülfen" hat der Chef des Pre߬
bureaus den Vorschlag, der Minister die Entscheidung. Daß Blätter jetzt
noch, wie zur Zeit des Kaiserreichs, direct unterstützt werden, ist nicht erwiesen
und wird auch in Abrede gestellt. Nur bezieht eine Anzahl der Regierung
ergebener Journalisten sogenannte x>6N8ion8 litt^rg-irss. Ferner wird mit den
Redacteuren der Präfectenblätter ein Gehaltzuschuß vereinbart, da jene Blätter
meist mittellos sind. Diese Beträge werden aus dem zur Verfügung des
Ministers des Inneren gestellten geheimen Fonds (2 Millionen Fras.) oder
aus dem "Fonds für persönliche Beihülfen aus verschiedenen Gründen"
(1,035,000 Fras.) entnommen.

Eine andere Seite der Thätigkeit des Preßbureaus ist die "gesetzliche
Ueberwachung" der Presse. Das Bureau theilt sich darin mit der Staats¬
anwaltschaft. Bevor ein Stoatsanwalt ein "Verbrechen" oder "Vergehen"
der Presse verfolgen kann, hat er an den Justizminister zu berichten, der seiner¬
seits mit dem Minister des Innern sich in Vernehmen setzt.

Das "Bureau für die fremde Presse" steht mehr im Hintergrunde und
hat weder mit der französischen Presse noch mit Behörden oder Publikum
directe Berührungen. In Folge dessen ist auch die Stellung des Bureauchefs
eine weniger vergängliche. Der gegenwärtige Chef ist noch aus der Kaiser-
Zeit übernommen. Unter ihm arbeiten zwei deutsche, zwei englische, ein italie¬
nischer und ein spanischer Uebersetzer, einer für schwedische und dänische und
einer für slavische Blätter, sowie ein Lector für die im Auslande erscheinenden
französischen Journale. Auch dieses Bureau liefert nach seinen Auszügen
täglich einen autographischen Uebersichtsbericht an die Minister, Kammer¬
präsidenten ;c.

Die Censur über eingehende fremde Blätter, welche früher eine Haupt¬
thätigkeit des Bureaus war, hat mit dem Kaiserreich aufgehört, und ist nur
nachträglich für die in französischer Sprache im Auslande erscheinenden Zet¬
tungen wieder eingeführt worden, macht sich aber auch da nur selten fühlbar.

Was die Departementspresse anlangt, so hat jedes Departement ein
offiziöses "Organ der Präfectur", dessen Chefredacteur meist durch das Preß-


Der Chef des Bureaus für die französische Presse, welches gemeinhin
einfach Preßbureau genant wird, ist allemal eine politische Persönlichkeit und
wechselt mit jedem politischen System. Demgemäß ist auch neuerdings der
nach dem 24. Mai ernannte Herr Leo durch den republikanischen Journalisten
Herrn Pessard ersetzt worden.

Dieses Bureau liefert täglich einen Uebersichtsbericht nach Auszügen aus
sämmtlichen Pariser- und Departementsblättern. Autographirte Exemplare
des Berichts werden jeden Mittag dem Präsidenten der Republik, den Ministern,
den Präsidenten der parlamentarischen Körper, dem Generalgouvemeur von
Paris :c. zugesandt. Außerdem empfängt der Bureauchef täglich die Reporter,
welche für Blätter jeder Farbe Nachrichten holen. Er correspondirt auch
mit den Präfecten wegen der Departementspresse. Dagegen werden die Chef¬
redacteure der regierungsfreundlichen Journale vom Minister selbst, oder
wenigstens von dessen Cabinetschef empfangen.

Hinsichtlich der „Unterstützungen und Beihülfen" hat der Chef des Pre߬
bureaus den Vorschlag, der Minister die Entscheidung. Daß Blätter jetzt
noch, wie zur Zeit des Kaiserreichs, direct unterstützt werden, ist nicht erwiesen
und wird auch in Abrede gestellt. Nur bezieht eine Anzahl der Regierung
ergebener Journalisten sogenannte x>6N8ion8 litt^rg-irss. Ferner wird mit den
Redacteuren der Präfectenblätter ein Gehaltzuschuß vereinbart, da jene Blätter
meist mittellos sind. Diese Beträge werden aus dem zur Verfügung des
Ministers des Inneren gestellten geheimen Fonds (2 Millionen Fras.) oder
aus dem „Fonds für persönliche Beihülfen aus verschiedenen Gründen"
(1,035,000 Fras.) entnommen.

Eine andere Seite der Thätigkeit des Preßbureaus ist die „gesetzliche
Ueberwachung" der Presse. Das Bureau theilt sich darin mit der Staats¬
anwaltschaft. Bevor ein Stoatsanwalt ein „Verbrechen" oder „Vergehen"
der Presse verfolgen kann, hat er an den Justizminister zu berichten, der seiner¬
seits mit dem Minister des Innern sich in Vernehmen setzt.

Das „Bureau für die fremde Presse" steht mehr im Hintergrunde und
hat weder mit der französischen Presse noch mit Behörden oder Publikum
directe Berührungen. In Folge dessen ist auch die Stellung des Bureauchefs
eine weniger vergängliche. Der gegenwärtige Chef ist noch aus der Kaiser-
Zeit übernommen. Unter ihm arbeiten zwei deutsche, zwei englische, ein italie¬
nischer und ein spanischer Uebersetzer, einer für schwedische und dänische und
einer für slavische Blätter, sowie ein Lector für die im Auslande erscheinenden
französischen Journale. Auch dieses Bureau liefert nach seinen Auszügen
täglich einen autographischen Uebersichtsbericht an die Minister, Kammer¬
präsidenten ;c.

Die Censur über eingehende fremde Blätter, welche früher eine Haupt¬
thätigkeit des Bureaus war, hat mit dem Kaiserreich aufgehört, und ist nur
nachträglich für die in französischer Sprache im Auslande erscheinenden Zet¬
tungen wieder eingeführt worden, macht sich aber auch da nur selten fühlbar.

Was die Departementspresse anlangt, so hat jedes Departement ein
offiziöses „Organ der Präfectur", dessen Chefredacteur meist durch das Preß-


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[0363] Der Chef des Bureaus für die französische Presse, welches gemeinhin einfach Preßbureau genant wird, ist allemal eine politische Persönlichkeit und wechselt mit jedem politischen System. Demgemäß ist auch neuerdings der nach dem 24. Mai ernannte Herr Leo durch den republikanischen Journalisten Herrn Pessard ersetzt worden. Dieses Bureau liefert täglich einen Uebersichtsbericht nach Auszügen aus sämmtlichen Pariser- und Departementsblättern. Autographirte Exemplare des Berichts werden jeden Mittag dem Präsidenten der Republik, den Ministern, den Präsidenten der parlamentarischen Körper, dem Generalgouvemeur von Paris :c. zugesandt. Außerdem empfängt der Bureauchef täglich die Reporter, welche für Blätter jeder Farbe Nachrichten holen. Er correspondirt auch mit den Präfecten wegen der Departementspresse. Dagegen werden die Chef¬ redacteure der regierungsfreundlichen Journale vom Minister selbst, oder wenigstens von dessen Cabinetschef empfangen. Hinsichtlich der „Unterstützungen und Beihülfen" hat der Chef des Pre߬ bureaus den Vorschlag, der Minister die Entscheidung. Daß Blätter jetzt noch, wie zur Zeit des Kaiserreichs, direct unterstützt werden, ist nicht erwiesen und wird auch in Abrede gestellt. Nur bezieht eine Anzahl der Regierung ergebener Journalisten sogenannte x>6N8ion8 litt^rg-irss. Ferner wird mit den Redacteuren der Präfectenblätter ein Gehaltzuschuß vereinbart, da jene Blätter meist mittellos sind. Diese Beträge werden aus dem zur Verfügung des Ministers des Inneren gestellten geheimen Fonds (2 Millionen Fras.) oder aus dem „Fonds für persönliche Beihülfen aus verschiedenen Gründen" (1,035,000 Fras.) entnommen. Eine andere Seite der Thätigkeit des Preßbureaus ist die „gesetzliche Ueberwachung" der Presse. Das Bureau theilt sich darin mit der Staats¬ anwaltschaft. Bevor ein Stoatsanwalt ein „Verbrechen" oder „Vergehen" der Presse verfolgen kann, hat er an den Justizminister zu berichten, der seiner¬ seits mit dem Minister des Innern sich in Vernehmen setzt. Das „Bureau für die fremde Presse" steht mehr im Hintergrunde und hat weder mit der französischen Presse noch mit Behörden oder Publikum directe Berührungen. In Folge dessen ist auch die Stellung des Bureauchefs eine weniger vergängliche. Der gegenwärtige Chef ist noch aus der Kaiser- Zeit übernommen. Unter ihm arbeiten zwei deutsche, zwei englische, ein italie¬ nischer und ein spanischer Uebersetzer, einer für schwedische und dänische und einer für slavische Blätter, sowie ein Lector für die im Auslande erscheinenden französischen Journale. Auch dieses Bureau liefert nach seinen Auszügen täglich einen autographischen Uebersichtsbericht an die Minister, Kammer¬ präsidenten ;c. Die Censur über eingehende fremde Blätter, welche früher eine Haupt¬ thätigkeit des Bureaus war, hat mit dem Kaiserreich aufgehört, und ist nur nachträglich für die in französischer Sprache im Auslande erscheinenden Zet¬ tungen wieder eingeführt worden, macht sich aber auch da nur selten fühlbar. Was die Departementspresse anlangt, so hat jedes Departement ein offiziöses „Organ der Präfectur", dessen Chefredacteur meist durch das Preß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/363>, abgerufen am 27.11.2024.