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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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des Scharfrichters abgethan glaubten. In einem Bundesstaat müssen die
Einzelstaaten nach Herrn Beseler bei Leibe jeder sein Eisenbahnsystem behalten.
Wenn nun aber dabei Verkehrs- und Vertheidigungsfähigkeit zum Kuckuck
gehen? "?si-6g,t rkSMdlies., nat äoetring,", sagt Herr Beseler. Der Reichs¬
kanzler verfehlte nicht, auch im Herrenhaus persönlich für die Vorlage einzu¬
treten und zu bezeugen, wie eng dieselbe mit den großen Zielen seiner Politik
zusammenhängt. Das Hauptinteresse seiner Rede lag diesmal in der Aus¬
führung der Gefahren, welche das Eisenbahnmonopol in der Hand egoistischer
Privatinteressen herbeiführen kann. "Die Eisenbahndirektionen", bemerkt er,
"sind bei dem jetzigen Zustand in einer Lage, die ihnen keine Gesetzgebung
der Welt ersetzen kann. Das sind organisch mächtige Gebilde, wie sie sich
allmälig herausgestellt haben mit einem Einkommen an Tantiemen und
sonstigen Emolumenten, wie sie zuweilen auch die Botschafter nicht erreichen.
Die Direktionen haben daneben eine große Clientel, eine erhebliche Macht¬
stellung im Staate und die ungeheueren Vortheile, die die Verbindung von
Eisenbahndirektionen mit den Direktionen anderer Unternehmungen, Banken.
Hütten und Bergwerke gewährt." Daß auf diese Weise die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen ist, durch eine Coalition von Privatinteressen den Staat gelähmt
zu sehen, zeigte der Kanzler an dem Beispiel Englands. Alsdann beschäftigte
er sich noch mit der Zurückweisung einer Reihe von Einwänden, die jedoch
von den Gegnern offenbar nur als Vorwände gebraucht werden, ihren auf
ganz anderen Beweggründen ruhenden Widerstand in seinem wahren Charakter
zu verdecken. Ein solcher Vorwand, den man wirklich nur mit großer An¬
strengung für einigermaßen aufrichtig halten könnte, ist derjenige, daß die
Staatseisenbahnverwaltung thatsächlich weniger verantwortlich sein werde.
Als ob nicht alle Krähen, die einander jetzt nicht die Augen aushacken, wohl
aber einander die Schuld der Mißstände zuschieben, die auf diese Weise un-
findbar wird wie der wandernde Thaler im Gesellschaftsspiel, als ob diese
Krähen sich nicht vereinigen würden, die Reichseisenbahnverwaltung, die ihrer
Kritik nicht entgehen kann, auf das Unnachsichtigste zu controliren!

Am 19. Mai beschäftigten sich die Herren mit technischen Gesetzen, am
20. Mai noch einmal mit der Uebertragung der Eisenbahnen auf das Reich.
Es fehlte wiederum nicht an einigen spaßhaften Jncidentpunkten. von denen
wir jedoch nur die Verwahrung eines Eisenbahndirektionsmitgliedes anführen
wollen, daß er und seine sämmtlichen College" keineswegs die Einnahmen der
Botschafter erreichten, vielmehr beziehe er als Mitglied einer Direktion nur
Reiseentschädigung und die vier salarirten Mitglieder der Direktion bezögen
nur ein ihrer Thätigkeit entsprechendes Gehalt. Als ob der Reichskanzler
v -- r. dies in Abrede gestellt hätte!




des Scharfrichters abgethan glaubten. In einem Bundesstaat müssen die
Einzelstaaten nach Herrn Beseler bei Leibe jeder sein Eisenbahnsystem behalten.
Wenn nun aber dabei Verkehrs- und Vertheidigungsfähigkeit zum Kuckuck
gehen? „?si-6g,t rkSMdlies., nat äoetring,", sagt Herr Beseler. Der Reichs¬
kanzler verfehlte nicht, auch im Herrenhaus persönlich für die Vorlage einzu¬
treten und zu bezeugen, wie eng dieselbe mit den großen Zielen seiner Politik
zusammenhängt. Das Hauptinteresse seiner Rede lag diesmal in der Aus¬
führung der Gefahren, welche das Eisenbahnmonopol in der Hand egoistischer
Privatinteressen herbeiführen kann. „Die Eisenbahndirektionen", bemerkt er,
„sind bei dem jetzigen Zustand in einer Lage, die ihnen keine Gesetzgebung
der Welt ersetzen kann. Das sind organisch mächtige Gebilde, wie sie sich
allmälig herausgestellt haben mit einem Einkommen an Tantiemen und
sonstigen Emolumenten, wie sie zuweilen auch die Botschafter nicht erreichen.
Die Direktionen haben daneben eine große Clientel, eine erhebliche Macht¬
stellung im Staate und die ungeheueren Vortheile, die die Verbindung von
Eisenbahndirektionen mit den Direktionen anderer Unternehmungen, Banken.
Hütten und Bergwerke gewährt." Daß auf diese Weise die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen ist, durch eine Coalition von Privatinteressen den Staat gelähmt
zu sehen, zeigte der Kanzler an dem Beispiel Englands. Alsdann beschäftigte
er sich noch mit der Zurückweisung einer Reihe von Einwänden, die jedoch
von den Gegnern offenbar nur als Vorwände gebraucht werden, ihren auf
ganz anderen Beweggründen ruhenden Widerstand in seinem wahren Charakter
zu verdecken. Ein solcher Vorwand, den man wirklich nur mit großer An¬
strengung für einigermaßen aufrichtig halten könnte, ist derjenige, daß die
Staatseisenbahnverwaltung thatsächlich weniger verantwortlich sein werde.
Als ob nicht alle Krähen, die einander jetzt nicht die Augen aushacken, wohl
aber einander die Schuld der Mißstände zuschieben, die auf diese Weise un-
findbar wird wie der wandernde Thaler im Gesellschaftsspiel, als ob diese
Krähen sich nicht vereinigen würden, die Reichseisenbahnverwaltung, die ihrer
Kritik nicht entgehen kann, auf das Unnachsichtigste zu controliren!

Am 19. Mai beschäftigten sich die Herren mit technischen Gesetzen, am
20. Mai noch einmal mit der Uebertragung der Eisenbahnen auf das Reich.
Es fehlte wiederum nicht an einigen spaßhaften Jncidentpunkten. von denen
wir jedoch nur die Verwahrung eines Eisenbahndirektionsmitgliedes anführen
wollen, daß er und seine sämmtlichen College» keineswegs die Einnahmen der
Botschafter erreichten, vielmehr beziehe er als Mitglied einer Direktion nur
Reiseentschädigung und die vier salarirten Mitglieder der Direktion bezögen
nur ein ihrer Thätigkeit entsprechendes Gehalt. Als ob der Reichskanzler
v — r. dies in Abrede gestellt hätte!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/361>, abgerufen am 27.11.2024.