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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Man hat wohl auch die Meinung aufgestellt, ein elsässischer Hammerschmied,
welcher durch Jena kam, habe Schillern die Sage erzählt, allein aus seinen
eigenen Andeutungen geht keineswegs eine so conkrete Vermittlung hervor
und der Zufall, der ihm das artige Thema geboten, steckt wohl viel eher in
dem Novellenbuch R,sLtit?s, as 1a. Lrktvnnk, als in der Gestalt des fremden
Schmiedes.

Der Zauber, den die Dichtung als solche auf uns übt, die Hoheit, welche
die edle Gräfin von Savern umkleidet, wird ja dadurch nicht geschmälert,
daß es niemals Grasen von Savern gegeben und daß der Grundgedanke
des Märchens weit über die lokale Bedeutung hinausreicht. Es handelt sich
hier vielmehr um eine jener allgemeinen Sagen, deren erste uralte Ent¬
stehung dem Forscherauge nicht mehr erreichbar ist und die dann sich "wie
Flugsame über die Länder der Erde verbreitet" haben, bis man sie endlich
in jedem einzelnen Lande an eine bestimmte historische Persönlichkeit und an
bestimmte Oertlichkeiten knüpfte.

In der ganzen Gegend die wir durchwandern und die unser Blick von
den Schlössern um Zabern beherrscht, bleiben wir fortwährend auf der Grenze,
die ohne inneren Grund hier Elsaß und Lothringen scheidet. Und wie unser
Blick, wie der schallende Gruß hinüberdringt, so mag es auch unserer Er-
zählung gestattet sein, bisweilen hinüberzugreifen über diese Grenzen und
Verwandtes dem Verwandten zu gesellen. Wir streifen hier wieder (von der
Elsässer Seite) das Dagsvurger Land, dessen wir früher gedachten, und kommen
abermals in den Bereich jener geheimnißvollen heidnischen Welt, die hier ihre
Opferstätten hatte.

Bei dem einsamen Pfarrdorf Haselburg, das hoch an den Bergen liegt,
stand noch bis in die dreißiger Jahre ein wohlerhaltener Dolman, dessen
Umkreis etwa vier Meter maß und dessen Platte von drei Felsblöcken getragen
ward. Nicht weit vom Schäferhof finden wir auch ein "Heidenschloß" , zwei
Felsen, die durch eine doppelte Mauer verbunden sind und in deren Grunde
ungeheure Schätze verborgen liegen. In schweren Zeiten aber, wenn großes
Unglück dem Lande bevorsteht, erscheinen bei Haselburg Jungfrauen in weißen
Gewändern, die hört man singen und klagen, bis sie sich endlich in die nahen
Wälder verlieren. Wenn schon der Name "Hei den schloß" uns auf den
Cultus der Druiden führt, der einst hier gepflogen ward, so thut dies noch weit
mehr jene Feensage, die überall aber auch nur an jenen Orten hervortritt,
wo die Kelten ihre Opferstätten hatten und wo ihre Priesterinnen einst im
weißen Gewand nächtliche Feste feierten. Der Feenglaube ist ganz aus¬
schließlich (und das kann nicht deutlich genug betont werden) keltischer Ab¬
kunft und seine Grenze im Elsaß läuft scharf bestimmbar an den Vogesen hin,


Man hat wohl auch die Meinung aufgestellt, ein elsässischer Hammerschmied,
welcher durch Jena kam, habe Schillern die Sage erzählt, allein aus seinen
eigenen Andeutungen geht keineswegs eine so conkrete Vermittlung hervor
und der Zufall, der ihm das artige Thema geboten, steckt wohl viel eher in
dem Novellenbuch R,sLtit?s, as 1a. Lrktvnnk, als in der Gestalt des fremden
Schmiedes.

Der Zauber, den die Dichtung als solche auf uns übt, die Hoheit, welche
die edle Gräfin von Savern umkleidet, wird ja dadurch nicht geschmälert,
daß es niemals Grasen von Savern gegeben und daß der Grundgedanke
des Märchens weit über die lokale Bedeutung hinausreicht. Es handelt sich
hier vielmehr um eine jener allgemeinen Sagen, deren erste uralte Ent¬
stehung dem Forscherauge nicht mehr erreichbar ist und die dann sich „wie
Flugsame über die Länder der Erde verbreitet" haben, bis man sie endlich
in jedem einzelnen Lande an eine bestimmte historische Persönlichkeit und an
bestimmte Oertlichkeiten knüpfte.

In der ganzen Gegend die wir durchwandern und die unser Blick von
den Schlössern um Zabern beherrscht, bleiben wir fortwährend auf der Grenze,
die ohne inneren Grund hier Elsaß und Lothringen scheidet. Und wie unser
Blick, wie der schallende Gruß hinüberdringt, so mag es auch unserer Er-
zählung gestattet sein, bisweilen hinüberzugreifen über diese Grenzen und
Verwandtes dem Verwandten zu gesellen. Wir streifen hier wieder (von der
Elsässer Seite) das Dagsvurger Land, dessen wir früher gedachten, und kommen
abermals in den Bereich jener geheimnißvollen heidnischen Welt, die hier ihre
Opferstätten hatte.

Bei dem einsamen Pfarrdorf Haselburg, das hoch an den Bergen liegt,
stand noch bis in die dreißiger Jahre ein wohlerhaltener Dolman, dessen
Umkreis etwa vier Meter maß und dessen Platte von drei Felsblöcken getragen
ward. Nicht weit vom Schäferhof finden wir auch ein „Heidenschloß" , zwei
Felsen, die durch eine doppelte Mauer verbunden sind und in deren Grunde
ungeheure Schätze verborgen liegen. In schweren Zeiten aber, wenn großes
Unglück dem Lande bevorsteht, erscheinen bei Haselburg Jungfrauen in weißen
Gewändern, die hört man singen und klagen, bis sie sich endlich in die nahen
Wälder verlieren. Wenn schon der Name „Hei den schloß" uns auf den
Cultus der Druiden führt, der einst hier gepflogen ward, so thut dies noch weit
mehr jene Feensage, die überall aber auch nur an jenen Orten hervortritt,
wo die Kelten ihre Opferstätten hatten und wo ihre Priesterinnen einst im
weißen Gewand nächtliche Feste feierten. Der Feenglaube ist ganz aus¬
schließlich (und das kann nicht deutlich genug betont werden) keltischer Ab¬
kunft und seine Grenze im Elsaß läuft scharf bestimmbar an den Vogesen hin,


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[0356] Man hat wohl auch die Meinung aufgestellt, ein elsässischer Hammerschmied, welcher durch Jena kam, habe Schillern die Sage erzählt, allein aus seinen eigenen Andeutungen geht keineswegs eine so conkrete Vermittlung hervor und der Zufall, der ihm das artige Thema geboten, steckt wohl viel eher in dem Novellenbuch R,sLtit?s, as 1a. Lrktvnnk, als in der Gestalt des fremden Schmiedes. Der Zauber, den die Dichtung als solche auf uns übt, die Hoheit, welche die edle Gräfin von Savern umkleidet, wird ja dadurch nicht geschmälert, daß es niemals Grasen von Savern gegeben und daß der Grundgedanke des Märchens weit über die lokale Bedeutung hinausreicht. Es handelt sich hier vielmehr um eine jener allgemeinen Sagen, deren erste uralte Ent¬ stehung dem Forscherauge nicht mehr erreichbar ist und die dann sich „wie Flugsame über die Länder der Erde verbreitet" haben, bis man sie endlich in jedem einzelnen Lande an eine bestimmte historische Persönlichkeit und an bestimmte Oertlichkeiten knüpfte. In der ganzen Gegend die wir durchwandern und die unser Blick von den Schlössern um Zabern beherrscht, bleiben wir fortwährend auf der Grenze, die ohne inneren Grund hier Elsaß und Lothringen scheidet. Und wie unser Blick, wie der schallende Gruß hinüberdringt, so mag es auch unserer Er- zählung gestattet sein, bisweilen hinüberzugreifen über diese Grenzen und Verwandtes dem Verwandten zu gesellen. Wir streifen hier wieder (von der Elsässer Seite) das Dagsvurger Land, dessen wir früher gedachten, und kommen abermals in den Bereich jener geheimnißvollen heidnischen Welt, die hier ihre Opferstätten hatte. Bei dem einsamen Pfarrdorf Haselburg, das hoch an den Bergen liegt, stand noch bis in die dreißiger Jahre ein wohlerhaltener Dolman, dessen Umkreis etwa vier Meter maß und dessen Platte von drei Felsblöcken getragen ward. Nicht weit vom Schäferhof finden wir auch ein „Heidenschloß" , zwei Felsen, die durch eine doppelte Mauer verbunden sind und in deren Grunde ungeheure Schätze verborgen liegen. In schweren Zeiten aber, wenn großes Unglück dem Lande bevorsteht, erscheinen bei Haselburg Jungfrauen in weißen Gewändern, die hört man singen und klagen, bis sie sich endlich in die nahen Wälder verlieren. Wenn schon der Name „Hei den schloß" uns auf den Cultus der Druiden führt, der einst hier gepflogen ward, so thut dies noch weit mehr jene Feensage, die überall aber auch nur an jenen Orten hervortritt, wo die Kelten ihre Opferstätten hatten und wo ihre Priesterinnen einst im weißen Gewand nächtliche Feste feierten. Der Feenglaube ist ganz aus¬ schließlich (und das kann nicht deutlich genug betont werden) keltischer Ab¬ kunft und seine Grenze im Elsaß läuft scharf bestimmbar an den Vogesen hin,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/356>, abgerufen am 27.11.2024.