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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sank auf ein paar Geiger herab, so ritten sie in des Abtes Hof, wo ein
Tanz die Feier beschloß.

Große und festliche Gelage gab es. wenn der Bischof von Metz bisweilen
zum Besuche kam, ja es war sogar unter des Abtes Pflichten, ihn wenig¬
stens einmal im Jahr mit einem Gefolge von sechzehn Retßigen zu bewirthen;
in der Fastenzeit sollte ihm der Abt zwei Salmen, Oel und Korn zum Ge¬
schenke machen.

Nicht weit von Maursmünster (auf einem Plateau der Vogesen) ist
Reinhartsmünster gelegen. Noch immer bleiben wir im Bereiche prächtiger
Wälder; die zerfallenen Ruinen waren einst das Schloß der Herren von
Ochsenstein, die zu dem ältesten und mächtigsten Adel zählten. Auf jedem
Turnier sah man ihre Farben prangen, in allen Kämpfen standen sie in
erster Reihe und auf den großen verstaubten Pergamenten mit ihrem schweren
Siegel, wo es heißt "des sind Gezeugen die edlen und vesten Herren" --
da stehen noch heute ihre Namen. Allein ihr Stamm erlosch schon im Jahre
1483 und das bedeutendste ihrer drei Schlösser, das noch im XVI. Jahrhundert
erneuert ward, legten die Flammen in Trümmer.

In malerischer Einsamkeit, an steiler Bergeshöh liegen die wenigen
Häuser von Haberacker -- "une jolis torus", wie die Franzosen sie nannten,
(das grüne Bärenbachthal, durch das die kleine Mossel strömt, thut sich
lachend auf) das aber was uns Deutsche wohl am meisten lockt, ist jene un¬
scheinbare Schmiede, die zwischen der Kirche von Neudorf und der "Cham¬
pagnermühle" liegt.


"Der ist besorgt und aufgehoben
Der Herr wird seine Diener loben."

Hier in der Schmiede bei Reinhardsmünster soll der Schauplatz jener
Ballade sein, die jetzt in aller Munde lebt und von welcher Schiller (am
22. September 1797) an Goethe schreibt, daß ihm der Zufall ein recht artiges
Thema in den Weg geführt. "Sie besteht aus 24 achtteiligen Strophen und
ist überschrieben: Der Gang nach dem Eisenhammer"), woraus Sie sehen, daß
ich auch das Feuerelement mir vindicirt habe, nachdem ich Wasser und Luft
bereist habe."

Obwohl man nun aber dies Hammerwerk mit aller Zuversicht zum
Schauplatz jener Sage macht, so ist es doch der kritischen Forschung unmög¬
lich, auch nur die Spur einer Fridolinssage in Elsaß zu entdecken, ja man
kann getrost versichern, Schiller hat seinen Stoff nicht von dort genommen,
sondern ihn vielmehr erst dorthin getragen, alle Märchen, die sich jetzt an
den Hammer von Reinhardsmünster knüpfen, sind jünger, als sein Gedicht.



") Vgl. die vortreffliche Zusammenstellung ganz ähnlicher Mythen bei Hertz, "Deutsche
Sage im Elsaß/' S. 27!" ff.

sank auf ein paar Geiger herab, so ritten sie in des Abtes Hof, wo ein
Tanz die Feier beschloß.

Große und festliche Gelage gab es. wenn der Bischof von Metz bisweilen
zum Besuche kam, ja es war sogar unter des Abtes Pflichten, ihn wenig¬
stens einmal im Jahr mit einem Gefolge von sechzehn Retßigen zu bewirthen;
in der Fastenzeit sollte ihm der Abt zwei Salmen, Oel und Korn zum Ge¬
schenke machen.

Nicht weit von Maursmünster (auf einem Plateau der Vogesen) ist
Reinhartsmünster gelegen. Noch immer bleiben wir im Bereiche prächtiger
Wälder; die zerfallenen Ruinen waren einst das Schloß der Herren von
Ochsenstein, die zu dem ältesten und mächtigsten Adel zählten. Auf jedem
Turnier sah man ihre Farben prangen, in allen Kämpfen standen sie in
erster Reihe und auf den großen verstaubten Pergamenten mit ihrem schweren
Siegel, wo es heißt „des sind Gezeugen die edlen und vesten Herren" —
da stehen noch heute ihre Namen. Allein ihr Stamm erlosch schon im Jahre
1483 und das bedeutendste ihrer drei Schlösser, das noch im XVI. Jahrhundert
erneuert ward, legten die Flammen in Trümmer.

In malerischer Einsamkeit, an steiler Bergeshöh liegen die wenigen
Häuser von Haberacker — „une jolis torus", wie die Franzosen sie nannten,
(das grüne Bärenbachthal, durch das die kleine Mossel strömt, thut sich
lachend auf) das aber was uns Deutsche wohl am meisten lockt, ist jene un¬
scheinbare Schmiede, die zwischen der Kirche von Neudorf und der „Cham¬
pagnermühle" liegt.


„Der ist besorgt und aufgehoben
Der Herr wird seine Diener loben."

Hier in der Schmiede bei Reinhardsmünster soll der Schauplatz jener
Ballade sein, die jetzt in aller Munde lebt und von welcher Schiller (am
22. September 1797) an Goethe schreibt, daß ihm der Zufall ein recht artiges
Thema in den Weg geführt. „Sie besteht aus 24 achtteiligen Strophen und
ist überschrieben: Der Gang nach dem Eisenhammer"), woraus Sie sehen, daß
ich auch das Feuerelement mir vindicirt habe, nachdem ich Wasser und Luft
bereist habe."

Obwohl man nun aber dies Hammerwerk mit aller Zuversicht zum
Schauplatz jener Sage macht, so ist es doch der kritischen Forschung unmög¬
lich, auch nur die Spur einer Fridolinssage in Elsaß zu entdecken, ja man
kann getrost versichern, Schiller hat seinen Stoff nicht von dort genommen,
sondern ihn vielmehr erst dorthin getragen, alle Märchen, die sich jetzt an
den Hammer von Reinhardsmünster knüpfen, sind jünger, als sein Gedicht.



") Vgl. die vortreffliche Zusammenstellung ganz ähnlicher Mythen bei Hertz, „Deutsche
Sage im Elsaß/' S. 27!» ff.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/355>, abgerufen am 27.11.2024.