Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Danach hatte Maursmünster schon im XII. Jahrhundert drei verschie¬
dene Classen von Unterthanen, die Adligen, die dem Lehnsherrn ihr Schwert
zur Verfügung stellten, die Colonen, die einen festen Zins für die Benützung
von Grund und Boden erlegten, und jene letzte halbverlorene Classe, die man
et'iäuani nannte, die drei Tage in der Woche Scharwerk und Frohndienst
für ihren Herren übten und nur die übrigen drei Tage der eigenen Arbeit
widmeten.

Wenn diese Verhältnisse damals in keiner Weise etwas irreguläres boten
so bleibt doch anderseits das hohe Verständniß bemerkenswerth, mit dem jene
frühe Zeit die Schäden dieses Systems begriff.

Wir, die wir im Lichte moderner Humanität herangewachsen, wissen
längst, daß nur die freie Arbeit adelt und daß jene Dienste, die der Bauer
auf fremdem Boden thut, ihm nicht den Segen der Arbeit bringen, sondern
ihn wirthschaftlich und moralisch corrumpiren. Die Freiheit von Grund und
Boden ist ein fundamentaler Zug unserer heutigen Civilisation.

Soweit freilich konnte man damals nicht gehen, man konnte den Grund¬
besitz nicht jeder Herrenrechte entkleiden, wohl aber ward die dreitägige Dienst¬
zeit in eine leichte Geldabgabe verwandelt und damit die Erniedrigung der
Persönlichkeit gemildert. Diese Thatsache, die gleichsam den Grundgedanken
unserer agrarischen Reformen streift, fällt in das Jahr 1117, in jene Zeit
als Abt Adelo Mauersmünster beherrschte. Sicherlich haben die praktischen
Erwägungen, die Stumpfheit und Werthlostgkeit jeder Helotenarbeit nicht
wenig zu jener Umwandlung beigetragen, aber selbst dann kann man das
ideale Moment derselben nicht hoch genug würdigen.

Außer diesen grundherrlichen Rechten aber besaß der Abt noch das
Münzrecht und die Gerichtsbarkeit; 24 "Barone" waren seine Vasallen, die
im Kriege unter seinem und des Bischofs Banner standen, und wenn der
König in fremde Lande zog, dann sandte auch die Abtei Saumthiere und
Wagen zu seinem Gefolge, deren Aufwand durch eine Abgabe der Unter¬
thanen gedeckt ward. Die Beisteuer die sie siedet erlegen mußten, betrug bei
jedem Römerzuge einen vollen Jahreszins; den halben dagegen, wenn es nach
Sachsen und Flandern ging.

Gleichwohl ward ihnen bei solcher Last das Leben nicht allzuschwer, denn
das lange Jahr brachte auch manches fröhliche Fest, manch bunten Ueber¬
muth, manch heitere Tage. Schon in den ältesten Zeiten kam die Jugend
von Ottenweiler alljährlich in des Abtes Gebiet, alle beritten, mit Trommel
und Pfeifer voran, da prunkten sie mit den schönen Pferden und große Wett¬
rennen fanden statt, bei denen der Sieger neben der Ehre auch einen statt¬
lichen Preis gewann. Später, als schon der dreißigjährige Krieg vorüber
war, wurden diese Vergnügungen eingeschränkt, der große Musikantenzug


Danach hatte Maursmünster schon im XII. Jahrhundert drei verschie¬
dene Classen von Unterthanen, die Adligen, die dem Lehnsherrn ihr Schwert
zur Verfügung stellten, die Colonen, die einen festen Zins für die Benützung
von Grund und Boden erlegten, und jene letzte halbverlorene Classe, die man
et'iäuani nannte, die drei Tage in der Woche Scharwerk und Frohndienst
für ihren Herren übten und nur die übrigen drei Tage der eigenen Arbeit
widmeten.

Wenn diese Verhältnisse damals in keiner Weise etwas irreguläres boten
so bleibt doch anderseits das hohe Verständniß bemerkenswerth, mit dem jene
frühe Zeit die Schäden dieses Systems begriff.

Wir, die wir im Lichte moderner Humanität herangewachsen, wissen
längst, daß nur die freie Arbeit adelt und daß jene Dienste, die der Bauer
auf fremdem Boden thut, ihm nicht den Segen der Arbeit bringen, sondern
ihn wirthschaftlich und moralisch corrumpiren. Die Freiheit von Grund und
Boden ist ein fundamentaler Zug unserer heutigen Civilisation.

Soweit freilich konnte man damals nicht gehen, man konnte den Grund¬
besitz nicht jeder Herrenrechte entkleiden, wohl aber ward die dreitägige Dienst¬
zeit in eine leichte Geldabgabe verwandelt und damit die Erniedrigung der
Persönlichkeit gemildert. Diese Thatsache, die gleichsam den Grundgedanken
unserer agrarischen Reformen streift, fällt in das Jahr 1117, in jene Zeit
als Abt Adelo Mauersmünster beherrschte. Sicherlich haben die praktischen
Erwägungen, die Stumpfheit und Werthlostgkeit jeder Helotenarbeit nicht
wenig zu jener Umwandlung beigetragen, aber selbst dann kann man das
ideale Moment derselben nicht hoch genug würdigen.

Außer diesen grundherrlichen Rechten aber besaß der Abt noch das
Münzrecht und die Gerichtsbarkeit; 24 „Barone" waren seine Vasallen, die
im Kriege unter seinem und des Bischofs Banner standen, und wenn der
König in fremde Lande zog, dann sandte auch die Abtei Saumthiere und
Wagen zu seinem Gefolge, deren Aufwand durch eine Abgabe der Unter¬
thanen gedeckt ward. Die Beisteuer die sie siedet erlegen mußten, betrug bei
jedem Römerzuge einen vollen Jahreszins; den halben dagegen, wenn es nach
Sachsen und Flandern ging.

Gleichwohl ward ihnen bei solcher Last das Leben nicht allzuschwer, denn
das lange Jahr brachte auch manches fröhliche Fest, manch bunten Ueber¬
muth, manch heitere Tage. Schon in den ältesten Zeiten kam die Jugend
von Ottenweiler alljährlich in des Abtes Gebiet, alle beritten, mit Trommel
und Pfeifer voran, da prunkten sie mit den schönen Pferden und große Wett¬
rennen fanden statt, bei denen der Sieger neben der Ehre auch einen statt¬
lichen Preis gewann. Später, als schon der dreißigjährige Krieg vorüber
war, wurden diese Vergnügungen eingeschränkt, der große Musikantenzug


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135935"/>
          <p xml:id="ID_1165"> Danach hatte Maursmünster schon im XII. Jahrhundert drei verschie¬<lb/>
dene Classen von Unterthanen, die Adligen, die dem Lehnsherrn ihr Schwert<lb/>
zur Verfügung stellten, die Colonen, die einen festen Zins für die Benützung<lb/>
von Grund und Boden erlegten, und jene letzte halbverlorene Classe, die man<lb/>
et'iäuani nannte, die drei Tage in der Woche Scharwerk und Frohndienst<lb/>
für ihren Herren übten und nur die übrigen drei Tage der eigenen Arbeit<lb/>
widmeten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1166"> Wenn diese Verhältnisse damals in keiner Weise etwas irreguläres boten<lb/>
so bleibt doch anderseits das hohe Verständniß bemerkenswerth, mit dem jene<lb/>
frühe Zeit die Schäden dieses Systems begriff.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1167"> Wir, die wir im Lichte moderner Humanität herangewachsen, wissen<lb/>
längst, daß nur die freie Arbeit adelt und daß jene Dienste, die der Bauer<lb/>
auf fremdem Boden thut, ihm nicht den Segen der Arbeit bringen, sondern<lb/>
ihn wirthschaftlich und moralisch corrumpiren. Die Freiheit von Grund und<lb/>
Boden ist ein fundamentaler Zug unserer heutigen Civilisation.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1168"> Soweit freilich konnte man damals nicht gehen, man konnte den Grund¬<lb/>
besitz nicht jeder Herrenrechte entkleiden, wohl aber ward die dreitägige Dienst¬<lb/>
zeit in eine leichte Geldabgabe verwandelt und damit die Erniedrigung der<lb/>
Persönlichkeit gemildert. Diese Thatsache, die gleichsam den Grundgedanken<lb/>
unserer agrarischen Reformen streift, fällt in das Jahr 1117, in jene Zeit<lb/>
als Abt Adelo Mauersmünster beherrschte. Sicherlich haben die praktischen<lb/>
Erwägungen, die Stumpfheit und Werthlostgkeit jeder Helotenarbeit nicht<lb/>
wenig zu jener Umwandlung beigetragen, aber selbst dann kann man das<lb/>
ideale Moment derselben nicht hoch genug würdigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1169"> Außer diesen grundherrlichen Rechten aber besaß der Abt noch das<lb/>
Münzrecht und die Gerichtsbarkeit; 24 &#x201E;Barone" waren seine Vasallen, die<lb/>
im Kriege unter seinem und des Bischofs Banner standen, und wenn der<lb/>
König in fremde Lande zog, dann sandte auch die Abtei Saumthiere und<lb/>
Wagen zu seinem Gefolge, deren Aufwand durch eine Abgabe der Unter¬<lb/>
thanen gedeckt ward. Die Beisteuer die sie siedet erlegen mußten, betrug bei<lb/>
jedem Römerzuge einen vollen Jahreszins; den halben dagegen, wenn es nach<lb/>
Sachsen und Flandern ging.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1170" next="#ID_1171"> Gleichwohl ward ihnen bei solcher Last das Leben nicht allzuschwer, denn<lb/>
das lange Jahr brachte auch manches fröhliche Fest, manch bunten Ueber¬<lb/>
muth, manch heitere Tage. Schon in den ältesten Zeiten kam die Jugend<lb/>
von Ottenweiler alljährlich in des Abtes Gebiet, alle beritten, mit Trommel<lb/>
und Pfeifer voran, da prunkten sie mit den schönen Pferden und große Wett¬<lb/>
rennen fanden statt, bei denen der Sieger neben der Ehre auch einen statt¬<lb/>
lichen Preis gewann. Später, als schon der dreißigjährige Krieg vorüber<lb/>
war, wurden diese Vergnügungen eingeschränkt, der große Musikantenzug</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] Danach hatte Maursmünster schon im XII. Jahrhundert drei verschie¬ dene Classen von Unterthanen, die Adligen, die dem Lehnsherrn ihr Schwert zur Verfügung stellten, die Colonen, die einen festen Zins für die Benützung von Grund und Boden erlegten, und jene letzte halbverlorene Classe, die man et'iäuani nannte, die drei Tage in der Woche Scharwerk und Frohndienst für ihren Herren übten und nur die übrigen drei Tage der eigenen Arbeit widmeten. Wenn diese Verhältnisse damals in keiner Weise etwas irreguläres boten so bleibt doch anderseits das hohe Verständniß bemerkenswerth, mit dem jene frühe Zeit die Schäden dieses Systems begriff. Wir, die wir im Lichte moderner Humanität herangewachsen, wissen längst, daß nur die freie Arbeit adelt und daß jene Dienste, die der Bauer auf fremdem Boden thut, ihm nicht den Segen der Arbeit bringen, sondern ihn wirthschaftlich und moralisch corrumpiren. Die Freiheit von Grund und Boden ist ein fundamentaler Zug unserer heutigen Civilisation. Soweit freilich konnte man damals nicht gehen, man konnte den Grund¬ besitz nicht jeder Herrenrechte entkleiden, wohl aber ward die dreitägige Dienst¬ zeit in eine leichte Geldabgabe verwandelt und damit die Erniedrigung der Persönlichkeit gemildert. Diese Thatsache, die gleichsam den Grundgedanken unserer agrarischen Reformen streift, fällt in das Jahr 1117, in jene Zeit als Abt Adelo Mauersmünster beherrschte. Sicherlich haben die praktischen Erwägungen, die Stumpfheit und Werthlostgkeit jeder Helotenarbeit nicht wenig zu jener Umwandlung beigetragen, aber selbst dann kann man das ideale Moment derselben nicht hoch genug würdigen. Außer diesen grundherrlichen Rechten aber besaß der Abt noch das Münzrecht und die Gerichtsbarkeit; 24 „Barone" waren seine Vasallen, die im Kriege unter seinem und des Bischofs Banner standen, und wenn der König in fremde Lande zog, dann sandte auch die Abtei Saumthiere und Wagen zu seinem Gefolge, deren Aufwand durch eine Abgabe der Unter¬ thanen gedeckt ward. Die Beisteuer die sie siedet erlegen mußten, betrug bei jedem Römerzuge einen vollen Jahreszins; den halben dagegen, wenn es nach Sachsen und Flandern ging. Gleichwohl ward ihnen bei solcher Last das Leben nicht allzuschwer, denn das lange Jahr brachte auch manches fröhliche Fest, manch bunten Ueber¬ muth, manch heitere Tage. Schon in den ältesten Zeiten kam die Jugend von Ottenweiler alljährlich in des Abtes Gebiet, alle beritten, mit Trommel und Pfeifer voran, da prunkten sie mit den schönen Pferden und große Wett¬ rennen fanden statt, bei denen der Sieger neben der Ehre auch einen statt¬ lichen Preis gewann. Später, als schon der dreißigjährige Krieg vorüber war, wurden diese Vergnügungen eingeschränkt, der große Musikantenzug

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/354>, abgerufen am 28.07.2024.