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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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schmückte ihren Tisch und wer dem Kreise zugehören wollte, der mußte dies
Horn mit einem Zuge leeren. Das war der Brauch der Brüderschaft und
manchesmal wird uns in alten Reiseberichten davon erzählt, wie es da droben
auf der Burg ergangen, ja ein Herzog von Basfompierre berichtet sogar, es
sei ihm dies Zechen so übel bekommen, daß er fünf Tage lang krank in
Zabern lag. Zwei Jahre lang war ihm selbst der Geruch des Weines ver¬
haßt, doch später genas er wieder und als er zum zweitenmal nach Höh Barr
kam, war er dem stärksten seiner Genossen gewachsen.

So ungestüm, wie dazumal geht es jetzt freilich nimmer zu in der kleinen
Schenke, die da droben errichtet ist zur Labung der Fremden. Da sitzen
friedliche Genossen beisammen und plaudern von dem, was daheim geschehen,
was Gevatter und Muhme zur Heirath des Bäsleins sagen, die wohl Nie¬
mand erwartet hatte. Und da schmeckt der saure Wein so gut, indeß die
Abendsonne sinkt und frohe Vöglein ihre Weisen dritten.

Dann wird es geheimnißvoll stille um uns -- und fürwahr, auch manch
geheimnißvolle Sage deckt dieser Fels: Schätze von unermeßlichen Werth
sollen in seinen Tiefen begraben sein, und manche lüsterne Hand hat um
Mitternacht schon versucht, sie zu heben. Ein Christusbild von gediegenem
Golde und die zwölf Apostel von gediegenem Silber, wie sie einst im alten
Schloß der Bischöfe gestanden, wurden Hieher geflüchtet und in die stumme
Erde versenkt -- so meldet der Volksmund, doch noch keiner hat sie gefunden.

Viel schöner, als in solch düsterem Zauberschein, ist Hohbarr am Tage,
in jenem Abendsonnenlicht, das uns noch immer umfließt. Da schimmert der
uralte Thurm, den weder die Pulverminen von 1630, noch der Zorn der
Panduren brach, in rosenfarbenen Lichte und um die alte halbzerfallene Kapelle,
(im romanischen Styl) zieht ein verklärter Schein. Wir aber steigen aus
schmaler Leiter empor zum Gipfel der Felsen und blicken hinaus auf das
weite Land, das uns seine Wälder und Burgen zeigt. Es ist eine herrschende
Beste, im vollen Sinne des Wortes; dies alte Höh Barr auf der einen Seite
hinunterblickend ins schmale Thal der Zorn und auf der andern ins weite
blühende Rheinthal; es ist das Auge von Elsaß, wie es ein Redner auf dem
Concil zu Constanz mit Recht genannt hat.

Nicht weit davon lagen zwei andere Burgen, die einst zum Schutze der
nahen Abtei Maursmünster errichtet wurden und die ihren Namen nach denen
von Geroldseck empfangen. Als das alte Geschlecht erloschen war, wurden
die Bischöfe von Straßburg und Metz ihre Herren, und noch später, nach
dem dreißigjährigen Kriege, erscheinen die Grafen von Fürstenberg.

Auch hier, um die granitenen Felsen, aus denen jene Schlösser empor¬
gestiegen, rankt manche Sage und jener wundersame träumerische Odem, der
durch die Wälder des alten Wasgau weht, umfängt den Fremdling, der hier


schmückte ihren Tisch und wer dem Kreise zugehören wollte, der mußte dies
Horn mit einem Zuge leeren. Das war der Brauch der Brüderschaft und
manchesmal wird uns in alten Reiseberichten davon erzählt, wie es da droben
auf der Burg ergangen, ja ein Herzog von Basfompierre berichtet sogar, es
sei ihm dies Zechen so übel bekommen, daß er fünf Tage lang krank in
Zabern lag. Zwei Jahre lang war ihm selbst der Geruch des Weines ver¬
haßt, doch später genas er wieder und als er zum zweitenmal nach Höh Barr
kam, war er dem stärksten seiner Genossen gewachsen.

So ungestüm, wie dazumal geht es jetzt freilich nimmer zu in der kleinen
Schenke, die da droben errichtet ist zur Labung der Fremden. Da sitzen
friedliche Genossen beisammen und plaudern von dem, was daheim geschehen,
was Gevatter und Muhme zur Heirath des Bäsleins sagen, die wohl Nie¬
mand erwartet hatte. Und da schmeckt der saure Wein so gut, indeß die
Abendsonne sinkt und frohe Vöglein ihre Weisen dritten.

Dann wird es geheimnißvoll stille um uns — und fürwahr, auch manch
geheimnißvolle Sage deckt dieser Fels: Schätze von unermeßlichen Werth
sollen in seinen Tiefen begraben sein, und manche lüsterne Hand hat um
Mitternacht schon versucht, sie zu heben. Ein Christusbild von gediegenem
Golde und die zwölf Apostel von gediegenem Silber, wie sie einst im alten
Schloß der Bischöfe gestanden, wurden Hieher geflüchtet und in die stumme
Erde versenkt — so meldet der Volksmund, doch noch keiner hat sie gefunden.

Viel schöner, als in solch düsterem Zauberschein, ist Hohbarr am Tage,
in jenem Abendsonnenlicht, das uns noch immer umfließt. Da schimmert der
uralte Thurm, den weder die Pulverminen von 1630, noch der Zorn der
Panduren brach, in rosenfarbenen Lichte und um die alte halbzerfallene Kapelle,
(im romanischen Styl) zieht ein verklärter Schein. Wir aber steigen aus
schmaler Leiter empor zum Gipfel der Felsen und blicken hinaus auf das
weite Land, das uns seine Wälder und Burgen zeigt. Es ist eine herrschende
Beste, im vollen Sinne des Wortes; dies alte Höh Barr auf der einen Seite
hinunterblickend ins schmale Thal der Zorn und auf der andern ins weite
blühende Rheinthal; es ist das Auge von Elsaß, wie es ein Redner auf dem
Concil zu Constanz mit Recht genannt hat.

Nicht weit davon lagen zwei andere Burgen, die einst zum Schutze der
nahen Abtei Maursmünster errichtet wurden und die ihren Namen nach denen
von Geroldseck empfangen. Als das alte Geschlecht erloschen war, wurden
die Bischöfe von Straßburg und Metz ihre Herren, und noch später, nach
dem dreißigjährigen Kriege, erscheinen die Grafen von Fürstenberg.

Auch hier, um die granitenen Felsen, aus denen jene Schlösser empor¬
gestiegen, rankt manche Sage und jener wundersame träumerische Odem, der
durch die Wälder des alten Wasgau weht, umfängt den Fremdling, der hier


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[0348] schmückte ihren Tisch und wer dem Kreise zugehören wollte, der mußte dies Horn mit einem Zuge leeren. Das war der Brauch der Brüderschaft und manchesmal wird uns in alten Reiseberichten davon erzählt, wie es da droben auf der Burg ergangen, ja ein Herzog von Basfompierre berichtet sogar, es sei ihm dies Zechen so übel bekommen, daß er fünf Tage lang krank in Zabern lag. Zwei Jahre lang war ihm selbst der Geruch des Weines ver¬ haßt, doch später genas er wieder und als er zum zweitenmal nach Höh Barr kam, war er dem stärksten seiner Genossen gewachsen. So ungestüm, wie dazumal geht es jetzt freilich nimmer zu in der kleinen Schenke, die da droben errichtet ist zur Labung der Fremden. Da sitzen friedliche Genossen beisammen und plaudern von dem, was daheim geschehen, was Gevatter und Muhme zur Heirath des Bäsleins sagen, die wohl Nie¬ mand erwartet hatte. Und da schmeckt der saure Wein so gut, indeß die Abendsonne sinkt und frohe Vöglein ihre Weisen dritten. Dann wird es geheimnißvoll stille um uns — und fürwahr, auch manch geheimnißvolle Sage deckt dieser Fels: Schätze von unermeßlichen Werth sollen in seinen Tiefen begraben sein, und manche lüsterne Hand hat um Mitternacht schon versucht, sie zu heben. Ein Christusbild von gediegenem Golde und die zwölf Apostel von gediegenem Silber, wie sie einst im alten Schloß der Bischöfe gestanden, wurden Hieher geflüchtet und in die stumme Erde versenkt — so meldet der Volksmund, doch noch keiner hat sie gefunden. Viel schöner, als in solch düsterem Zauberschein, ist Hohbarr am Tage, in jenem Abendsonnenlicht, das uns noch immer umfließt. Da schimmert der uralte Thurm, den weder die Pulverminen von 1630, noch der Zorn der Panduren brach, in rosenfarbenen Lichte und um die alte halbzerfallene Kapelle, (im romanischen Styl) zieht ein verklärter Schein. Wir aber steigen aus schmaler Leiter empor zum Gipfel der Felsen und blicken hinaus auf das weite Land, das uns seine Wälder und Burgen zeigt. Es ist eine herrschende Beste, im vollen Sinne des Wortes; dies alte Höh Barr auf der einen Seite hinunterblickend ins schmale Thal der Zorn und auf der andern ins weite blühende Rheinthal; es ist das Auge von Elsaß, wie es ein Redner auf dem Concil zu Constanz mit Recht genannt hat. Nicht weit davon lagen zwei andere Burgen, die einst zum Schutze der nahen Abtei Maursmünster errichtet wurden und die ihren Namen nach denen von Geroldseck empfangen. Als das alte Geschlecht erloschen war, wurden die Bischöfe von Straßburg und Metz ihre Herren, und noch später, nach dem dreißigjährigen Kriege, erscheinen die Grafen von Fürstenberg. Auch hier, um die granitenen Felsen, aus denen jene Schlösser empor¬ gestiegen, rankt manche Sage und jener wundersame träumerische Odem, der durch die Wälder des alten Wasgau weht, umfängt den Fremdling, der hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/348>, abgerufen am 27.11.2024.