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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Weg in aller Welt gewann, klingt schon durch frühe Zeiten. Hier zog der
.große" König herab, als er Elsaß in seinen Besitz genommen, weithin schweifte
sein Blick von diesem Bergabhang über die blühenden Fluren und verwundert
hielt er stille : "Huck than Mr<Ziu!"

Auch auf Goethe, der an einem sonnigen Morgen Hieher kam, machte
dies Bild gewaltigen Eindruck, er schildert den Weg genau und nennt ihn
ein Werk von unüberdenklicher Arbeit. Die Damen aber trugen im acht¬
zehnten Jahrhundert eine voitlui-s a 1a, Saverus; denn auch bei ihnen war
die Straße populär; nur das XIX. Säculum, das sich durch die Felsen eines
Mont Cenis den Weg bahnt, bleibt stumm.

Auf der Höhe des Pfades, wo die Grenze von Elsaß und Lothringen
hinzieht, liegt der "Karlssprung". Sein Name führt auf die Sage zurück,
daß Herzog Karl von Lothringen dereinst in diesen Wäldern jagte und in
wildem Ritt bis an den Rand des Felsens gerathen sei. Er war nicht mehr
im Stande, den schäumenden Hengst zu halten und so mußte denn der
Sprung in die furchtbare Tiefe gewagt sein -- an der Felswand sah man
die Hufe des Pferdes -- aber unversehrt kamen Roß und Reiter im Ab¬
grunde an.

Von den Ruinen, die Saverne umgeben, ist Hoh-Barr die wichtigste
in malerischer wie in geschichtlicher Beziehung. Ein wunderbarer Weg, der
erst über Wiesen und dann am Waldsaum dahinführt, leitet uns mühelos
zur Höhe; wo eine Lichtung sich aufthut, blicken wir hinaus in tiefe Thäler,
zu unseren Häuptern rauscht es und über das Grün der Wipfel steigt ver¬
wittertes Gemäuer empor -- das ist die alte Beste. Rauschender Jubel klang
einst durch ihre Hallen, wenn die Zecher hier saßen und sangen und rauschen¬
der Trompetenschall klang weit hinaus, wenn die Feinde da drunten ihr
Lager aufgeschlagen -- jetzt aber ist es so stumm und stille, jetzt summen
nur die Bienen um das blühende Gestrüpp, in den Ritzen wuchern die
Veilchen, und mit dem Epheu -- wächst die Sage um dies schweigende
Gestein.

Hoh-Barr ward von den Bischöfen von Straßburg angelegt oder doch
zu dem bedeutenden Umfang gebracht, den es später gewann; ihre Mannen
hielten das Schloß besetzt und oft genug weilten sie selber hier, zur Stauffen-
!eit und in den Tagen Ludwig des Baiern, und freuten sich der weiten Welt,
auf die sie hinuntersahen. Die Bedeutung, welche die riesige Burg schon da¬
mals für ihre Herrschaft hatte, stieg natürlich noch mehr, als sie sich völlig
nach Zabern zurückgezogen, aber auch manche Stunde zügelloser Fröhlichkeit
ward damals hier verbracht. Ein Kreis von wilden Zechern, an dessen Spitze
der Bischof Johann von Manderscheid stand, hatte Hoh-Barr zu seinem Sitz
gewählt und von ihrem Lärm hallten die Wände wieder, ein riesiges Ur-Horn


Weg in aller Welt gewann, klingt schon durch frühe Zeiten. Hier zog der
.große" König herab, als er Elsaß in seinen Besitz genommen, weithin schweifte
sein Blick von diesem Bergabhang über die blühenden Fluren und verwundert
hielt er stille : „Huck than Mr<Ziu!«

Auch auf Goethe, der an einem sonnigen Morgen Hieher kam, machte
dies Bild gewaltigen Eindruck, er schildert den Weg genau und nennt ihn
ein Werk von unüberdenklicher Arbeit. Die Damen aber trugen im acht¬
zehnten Jahrhundert eine voitlui-s a 1a, Saverus; denn auch bei ihnen war
die Straße populär; nur das XIX. Säculum, das sich durch die Felsen eines
Mont Cenis den Weg bahnt, bleibt stumm.

Auf der Höhe des Pfades, wo die Grenze von Elsaß und Lothringen
hinzieht, liegt der „Karlssprung". Sein Name führt auf die Sage zurück,
daß Herzog Karl von Lothringen dereinst in diesen Wäldern jagte und in
wildem Ritt bis an den Rand des Felsens gerathen sei. Er war nicht mehr
im Stande, den schäumenden Hengst zu halten und so mußte denn der
Sprung in die furchtbare Tiefe gewagt sein — an der Felswand sah man
die Hufe des Pferdes — aber unversehrt kamen Roß und Reiter im Ab¬
grunde an.

Von den Ruinen, die Saverne umgeben, ist Hoh-Barr die wichtigste
in malerischer wie in geschichtlicher Beziehung. Ein wunderbarer Weg, der
erst über Wiesen und dann am Waldsaum dahinführt, leitet uns mühelos
zur Höhe; wo eine Lichtung sich aufthut, blicken wir hinaus in tiefe Thäler,
zu unseren Häuptern rauscht es und über das Grün der Wipfel steigt ver¬
wittertes Gemäuer empor — das ist die alte Beste. Rauschender Jubel klang
einst durch ihre Hallen, wenn die Zecher hier saßen und sangen und rauschen¬
der Trompetenschall klang weit hinaus, wenn die Feinde da drunten ihr
Lager aufgeschlagen — jetzt aber ist es so stumm und stille, jetzt summen
nur die Bienen um das blühende Gestrüpp, in den Ritzen wuchern die
Veilchen, und mit dem Epheu — wächst die Sage um dies schweigende
Gestein.

Hoh-Barr ward von den Bischöfen von Straßburg angelegt oder doch
zu dem bedeutenden Umfang gebracht, den es später gewann; ihre Mannen
hielten das Schloß besetzt und oft genug weilten sie selber hier, zur Stauffen-
!eit und in den Tagen Ludwig des Baiern, und freuten sich der weiten Welt,
auf die sie hinuntersahen. Die Bedeutung, welche die riesige Burg schon da¬
mals für ihre Herrschaft hatte, stieg natürlich noch mehr, als sie sich völlig
nach Zabern zurückgezogen, aber auch manche Stunde zügelloser Fröhlichkeit
ward damals hier verbracht. Ein Kreis von wilden Zechern, an dessen Spitze
der Bischof Johann von Manderscheid stand, hatte Hoh-Barr zu seinem Sitz
gewählt und von ihrem Lärm hallten die Wände wieder, ein riesiges Ur-Horn


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[0347] Weg in aller Welt gewann, klingt schon durch frühe Zeiten. Hier zog der .große" König herab, als er Elsaß in seinen Besitz genommen, weithin schweifte sein Blick von diesem Bergabhang über die blühenden Fluren und verwundert hielt er stille : „Huck than Mr<Ziu!« Auch auf Goethe, der an einem sonnigen Morgen Hieher kam, machte dies Bild gewaltigen Eindruck, er schildert den Weg genau und nennt ihn ein Werk von unüberdenklicher Arbeit. Die Damen aber trugen im acht¬ zehnten Jahrhundert eine voitlui-s a 1a, Saverus; denn auch bei ihnen war die Straße populär; nur das XIX. Säculum, das sich durch die Felsen eines Mont Cenis den Weg bahnt, bleibt stumm. Auf der Höhe des Pfades, wo die Grenze von Elsaß und Lothringen hinzieht, liegt der „Karlssprung". Sein Name führt auf die Sage zurück, daß Herzog Karl von Lothringen dereinst in diesen Wäldern jagte und in wildem Ritt bis an den Rand des Felsens gerathen sei. Er war nicht mehr im Stande, den schäumenden Hengst zu halten und so mußte denn der Sprung in die furchtbare Tiefe gewagt sein — an der Felswand sah man die Hufe des Pferdes — aber unversehrt kamen Roß und Reiter im Ab¬ grunde an. Von den Ruinen, die Saverne umgeben, ist Hoh-Barr die wichtigste in malerischer wie in geschichtlicher Beziehung. Ein wunderbarer Weg, der erst über Wiesen und dann am Waldsaum dahinführt, leitet uns mühelos zur Höhe; wo eine Lichtung sich aufthut, blicken wir hinaus in tiefe Thäler, zu unseren Häuptern rauscht es und über das Grün der Wipfel steigt ver¬ wittertes Gemäuer empor — das ist die alte Beste. Rauschender Jubel klang einst durch ihre Hallen, wenn die Zecher hier saßen und sangen und rauschen¬ der Trompetenschall klang weit hinaus, wenn die Feinde da drunten ihr Lager aufgeschlagen — jetzt aber ist es so stumm und stille, jetzt summen nur die Bienen um das blühende Gestrüpp, in den Ritzen wuchern die Veilchen, und mit dem Epheu — wächst die Sage um dies schweigende Gestein. Hoh-Barr ward von den Bischöfen von Straßburg angelegt oder doch zu dem bedeutenden Umfang gebracht, den es später gewann; ihre Mannen hielten das Schloß besetzt und oft genug weilten sie selber hier, zur Stauffen- !eit und in den Tagen Ludwig des Baiern, und freuten sich der weiten Welt, auf die sie hinuntersahen. Die Bedeutung, welche die riesige Burg schon da¬ mals für ihre Herrschaft hatte, stieg natürlich noch mehr, als sie sich völlig nach Zabern zurückgezogen, aber auch manche Stunde zügelloser Fröhlichkeit ward damals hier verbracht. Ein Kreis von wilden Zechern, an dessen Spitze der Bischof Johann von Manderscheid stand, hatte Hoh-Barr zu seinem Sitz gewählt und von ihrem Lärm hallten die Wände wieder, ein riesiges Ur-Horn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/347>, abgerufen am 27.11.2024.