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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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richt in den Wissenschaften und der Literatur," welche leider i. I. 1871 ein¬
gegangen ist. Der Verwirklichung harrt noch ein Project zu einer "höhern
Handelsschule," ein würdiges Ziel für die jetzige Generation. Aus alledem
geht wohl die Richtigkeit des zu Anfang dieser summarischen Skizze der Be¬
strebungen und Einrichtungen der "Industrie-Gesellschaft" aufgestellten Satzes
/K. zur Genüge hervor.




Unsre Klassiker und die HrammatiK.

Man braucht durchaus kein Verächter unsrer Dichterheroen zu sein, um be¬
haupten zu können, daß ihre Verse nach Maß und Reim oft zu wünschen übrig
lassen, und daß unsre Zeit, wie wenig ihre Productionen auf diesem Gebiet in¬
haltlich werth sein mögen, in der Form über sie, die Classiker, hinausgelangt ist.
Wenn sie uns also hierin nicht unbedingt und uneingeschränkt Muster sein
können, so ist auch ihre Sprache, oder, verständlicher zu reden, ihr Deutsch
nicht in allen Stücken nachahmenswerth. Natürlich geben wir hiermit nicht
den stilistischen Eiertänzen, den gekünstelter Alterthümeleien ohne Seele, der
hohlen Biedermeierei der Salontiroler und andern Modemanieren der Gegen¬
wart den Vorzug vor Lessing'sehen, Goethe'sehen und Scheller'sehen Stile.
Nur Einer unter uns ließ sich dem an die Seite stellen -- David Strauß.
Was wir meinen, ist das Verhältniß unsrer Classiker zur Grammatik,
und in dieser Beziehung behaupten wir, daß deren Ausdrucksweise nicht nur
in manchen Stücken veraltet, sondern in einigen geradezu sprachwidrig ist.
Wer sich davon überzeugen will, der nehme die soeben erschienene kleine Schrift:
"Streiflichter auf die Wandlungen und Schwankungen im
neuhochdeutschen Sprachgebrauch" von A. W. Grube (Leipzig,
Fr. Brandstetter) zur Hand. Aus der Fülle von Beispielen für unsre Be¬
hauptung, von denen wir im Folgenden eine Auswahl mittheilen, wird man
^sehen, daß auch von den Titanen unsrer Literatur oft und arg gegen den
Geist der deutschen Sprache verstoßen worden ist, nicht blos von ihren pyg-
wäenhaften Epigonen, die, wenn wir von dem traurigen Gelichter absehen.
Welches den meisten unserer Zeitungen die Mehrzahl ^ihrer Correspondenzen
und Feuilletons liefert, im Allgemeinen sogar ein richtigeres Deutsch als jene
schreiben.

Ueber das, was an der Redeweise der deutschen Classiker veraltet ist,
wöge man sich bei Grube unterrichten, dem wir mit Ausnahme einiger Be¬
hauptungen, z. B. der über die attributive Verwendung des Particips "gefolgt"


richt in den Wissenschaften und der Literatur," welche leider i. I. 1871 ein¬
gegangen ist. Der Verwirklichung harrt noch ein Project zu einer „höhern
Handelsschule," ein würdiges Ziel für die jetzige Generation. Aus alledem
geht wohl die Richtigkeit des zu Anfang dieser summarischen Skizze der Be¬
strebungen und Einrichtungen der „Industrie-Gesellschaft" aufgestellten Satzes
/K. zur Genüge hervor.




Unsre Klassiker und die HrammatiK.

Man braucht durchaus kein Verächter unsrer Dichterheroen zu sein, um be¬
haupten zu können, daß ihre Verse nach Maß und Reim oft zu wünschen übrig
lassen, und daß unsre Zeit, wie wenig ihre Productionen auf diesem Gebiet in¬
haltlich werth sein mögen, in der Form über sie, die Classiker, hinausgelangt ist.
Wenn sie uns also hierin nicht unbedingt und uneingeschränkt Muster sein
können, so ist auch ihre Sprache, oder, verständlicher zu reden, ihr Deutsch
nicht in allen Stücken nachahmenswerth. Natürlich geben wir hiermit nicht
den stilistischen Eiertänzen, den gekünstelter Alterthümeleien ohne Seele, der
hohlen Biedermeierei der Salontiroler und andern Modemanieren der Gegen¬
wart den Vorzug vor Lessing'sehen, Goethe'sehen und Scheller'sehen Stile.
Nur Einer unter uns ließ sich dem an die Seite stellen — David Strauß.
Was wir meinen, ist das Verhältniß unsrer Classiker zur Grammatik,
und in dieser Beziehung behaupten wir, daß deren Ausdrucksweise nicht nur
in manchen Stücken veraltet, sondern in einigen geradezu sprachwidrig ist.
Wer sich davon überzeugen will, der nehme die soeben erschienene kleine Schrift:
»Streiflichter auf die Wandlungen und Schwankungen im
neuhochdeutschen Sprachgebrauch" von A. W. Grube (Leipzig,
Fr. Brandstetter) zur Hand. Aus der Fülle von Beispielen für unsre Be¬
hauptung, von denen wir im Folgenden eine Auswahl mittheilen, wird man
^sehen, daß auch von den Titanen unsrer Literatur oft und arg gegen den
Geist der deutschen Sprache verstoßen worden ist, nicht blos von ihren pyg-
wäenhaften Epigonen, die, wenn wir von dem traurigen Gelichter absehen.
Welches den meisten unserer Zeitungen die Mehrzahl ^ihrer Correspondenzen
und Feuilletons liefert, im Allgemeinen sogar ein richtigeres Deutsch als jene
schreiben.

Ueber das, was an der Redeweise der deutschen Classiker veraltet ist,
wöge man sich bei Grube unterrichten, dem wir mit Ausnahme einiger Be¬
hauptungen, z. B. der über die attributive Verwendung des Particips „gefolgt"


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[0319] richt in den Wissenschaften und der Literatur," welche leider i. I. 1871 ein¬ gegangen ist. Der Verwirklichung harrt noch ein Project zu einer „höhern Handelsschule," ein würdiges Ziel für die jetzige Generation. Aus alledem geht wohl die Richtigkeit des zu Anfang dieser summarischen Skizze der Be¬ strebungen und Einrichtungen der „Industrie-Gesellschaft" aufgestellten Satzes /K. zur Genüge hervor. Unsre Klassiker und die HrammatiK. Man braucht durchaus kein Verächter unsrer Dichterheroen zu sein, um be¬ haupten zu können, daß ihre Verse nach Maß und Reim oft zu wünschen übrig lassen, und daß unsre Zeit, wie wenig ihre Productionen auf diesem Gebiet in¬ haltlich werth sein mögen, in der Form über sie, die Classiker, hinausgelangt ist. Wenn sie uns also hierin nicht unbedingt und uneingeschränkt Muster sein können, so ist auch ihre Sprache, oder, verständlicher zu reden, ihr Deutsch nicht in allen Stücken nachahmenswerth. Natürlich geben wir hiermit nicht den stilistischen Eiertänzen, den gekünstelter Alterthümeleien ohne Seele, der hohlen Biedermeierei der Salontiroler und andern Modemanieren der Gegen¬ wart den Vorzug vor Lessing'sehen, Goethe'sehen und Scheller'sehen Stile. Nur Einer unter uns ließ sich dem an die Seite stellen — David Strauß. Was wir meinen, ist das Verhältniß unsrer Classiker zur Grammatik, und in dieser Beziehung behaupten wir, daß deren Ausdrucksweise nicht nur in manchen Stücken veraltet, sondern in einigen geradezu sprachwidrig ist. Wer sich davon überzeugen will, der nehme die soeben erschienene kleine Schrift: »Streiflichter auf die Wandlungen und Schwankungen im neuhochdeutschen Sprachgebrauch" von A. W. Grube (Leipzig, Fr. Brandstetter) zur Hand. Aus der Fülle von Beispielen für unsre Be¬ hauptung, von denen wir im Folgenden eine Auswahl mittheilen, wird man ^sehen, daß auch von den Titanen unsrer Literatur oft und arg gegen den Geist der deutschen Sprache verstoßen worden ist, nicht blos von ihren pyg- wäenhaften Epigonen, die, wenn wir von dem traurigen Gelichter absehen. Welches den meisten unserer Zeitungen die Mehrzahl ^ihrer Correspondenzen und Feuilletons liefert, im Allgemeinen sogar ein richtigeres Deutsch als jene schreiben. Ueber das, was an der Redeweise der deutschen Classiker veraltet ist, wöge man sich bei Grube unterrichten, dem wir mit Ausnahme einiger Be¬ hauptungen, z. B. der über die attributive Verwendung des Particips „gefolgt"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/319>, abgerufen am 27.11.2024.