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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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mußten die Bürger die Minen graben, die ihre schützenden Wälle zersprengten.
Nur der große Quaderthurm von Hoh-Barr widerstand.

Das alles geschah im Jahre 1680. dreißig Jahre später erklärte der
Gerichtshof in Colmar, daß Zabern völlig der Botmäßigkeit des französischen
Königs anheimfalle, dessen Wappen alsbald an dem obersten Thore befestigt
ward. Den beiden Fürstenberg, die damals nacheinander die bischöfliche
Würde besaßen, folgten bald die Prinzen von Rohan, in deren Familie nun
lange Zeit das Btsthum Straßburg als Sinecure verblieb. Da Zabern
schon seit der Reformation die erklärte Residenz der Bischöfe war, so erfolgte
stets ein feierlicher Einzug jedes neuen Herrschers und in tiefster Ehrerbietung
reichte ihm der Magistrat die uralten Geschenke dar -- ein Faß Burgunder-
wein, ein Faß vom edelsten Rheinwein und zwölf Viertel Hafer. Auf dem
Boden des Fasses aber und auf den Säcken war das Wappen der Stadt und
des neugewählten Kirchenfürsten zu finden. Sonst freilich kam nur selten ein
nennenswerther Gast in die nun machtlosen Mauern. Maria Lesczinska aber,
die 1725 Königin von Frankreich geworden war und die nun von Stra߬
burg aus ihrer neuen Heimath entgegen zog, schenkte Zabern die Ehre eines
Besuches und nahm dort ihr Nachtquartier auf der hochzeitlichen Reise.

Der kurzen Ruhe folgte neuer Kampf, als der österreichische Erbfolgekrieg
entbrannte, und die Panduren, die der wilde Trent befehligte, zogen nun vor
Taverne. Sie machten sich auch hier des Fluches, der ihren Fersen folgte,
werth, denn nicht die Bürger allein, auch Hab und Gut war rettungslos
verloren vor dieser unersättlichen Zerstörungslust. Mit Kolben und Säbel-
hieben erbrachen sie die Thüren; das Rathhaus wurde erstürmt und geplün-
dert -- Schrecken und Haß war das Gefühl, das noch Jahrzehnte lang im
Herzen der Bewohner zurückblieb.

Und dieß Gefühl eben war es, an das die sturmvolle Zeit sich wandte,
die mit dem Beginne der französischen Revolution emporflammt. Dem Bischof
Ward bange in seinen Mauern, er forderte eine Wache vor sein Schloß, aber
die Bürger erwiderten: ihre Pflicht sei es nur, die Vaterstadt, nicht einen
Kardinal von Rohan zu bewachen. Die kleine Schaar von Invaliden, die
schließlich vor dem Palaste aufzog, wurde mit Hohn empfangen, so daß der
Herzog schließlich die Stadt verließ, und im Sturme zogen nun all die Neuer-
ungen ein, die auf dem glühenden Boden von Paris emporgereift. Alle Ge-
schütze erdröhnten, alle Bürger waren versammelt, als am 6. Juni 1792 der
erste Freiheitsbaum in Zabern gepflanzt ward; zur Erinnerung an den Bastille¬
sturm gab man ein großes Fest und nicht lange, so kam Eulogius Schneider,
der Ankläger des Criminalgerichts in eigener Person nach Taverne, um die
Verdächtigen aufzuspüren und zu verhaften. Auch an solchen war natürlich


Grenzboten II. 1876. 39

mußten die Bürger die Minen graben, die ihre schützenden Wälle zersprengten.
Nur der große Quaderthurm von Hoh-Barr widerstand.

Das alles geschah im Jahre 1680. dreißig Jahre später erklärte der
Gerichtshof in Colmar, daß Zabern völlig der Botmäßigkeit des französischen
Königs anheimfalle, dessen Wappen alsbald an dem obersten Thore befestigt
ward. Den beiden Fürstenberg, die damals nacheinander die bischöfliche
Würde besaßen, folgten bald die Prinzen von Rohan, in deren Familie nun
lange Zeit das Btsthum Straßburg als Sinecure verblieb. Da Zabern
schon seit der Reformation die erklärte Residenz der Bischöfe war, so erfolgte
stets ein feierlicher Einzug jedes neuen Herrschers und in tiefster Ehrerbietung
reichte ihm der Magistrat die uralten Geschenke dar — ein Faß Burgunder-
wein, ein Faß vom edelsten Rheinwein und zwölf Viertel Hafer. Auf dem
Boden des Fasses aber und auf den Säcken war das Wappen der Stadt und
des neugewählten Kirchenfürsten zu finden. Sonst freilich kam nur selten ein
nennenswerther Gast in die nun machtlosen Mauern. Maria Lesczinska aber,
die 1725 Königin von Frankreich geworden war und die nun von Stra߬
burg aus ihrer neuen Heimath entgegen zog, schenkte Zabern die Ehre eines
Besuches und nahm dort ihr Nachtquartier auf der hochzeitlichen Reise.

Der kurzen Ruhe folgte neuer Kampf, als der österreichische Erbfolgekrieg
entbrannte, und die Panduren, die der wilde Trent befehligte, zogen nun vor
Taverne. Sie machten sich auch hier des Fluches, der ihren Fersen folgte,
werth, denn nicht die Bürger allein, auch Hab und Gut war rettungslos
verloren vor dieser unersättlichen Zerstörungslust. Mit Kolben und Säbel-
hieben erbrachen sie die Thüren; das Rathhaus wurde erstürmt und geplün-
dert — Schrecken und Haß war das Gefühl, das noch Jahrzehnte lang im
Herzen der Bewohner zurückblieb.

Und dieß Gefühl eben war es, an das die sturmvolle Zeit sich wandte,
die mit dem Beginne der französischen Revolution emporflammt. Dem Bischof
Ward bange in seinen Mauern, er forderte eine Wache vor sein Schloß, aber
die Bürger erwiderten: ihre Pflicht sei es nur, die Vaterstadt, nicht einen
Kardinal von Rohan zu bewachen. Die kleine Schaar von Invaliden, die
schließlich vor dem Palaste aufzog, wurde mit Hohn empfangen, so daß der
Herzog schließlich die Stadt verließ, und im Sturme zogen nun all die Neuer-
ungen ein, die auf dem glühenden Boden von Paris emporgereift. Alle Ge-
schütze erdröhnten, alle Bürger waren versammelt, als am 6. Juni 1792 der
erste Freiheitsbaum in Zabern gepflanzt ward; zur Erinnerung an den Bastille¬
sturm gab man ein großes Fest und nicht lange, so kam Eulogius Schneider,
der Ankläger des Criminalgerichts in eigener Person nach Taverne, um die
Verdächtigen aufzuspüren und zu verhaften. Auch an solchen war natürlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/309>, abgerufen am 28.07.2024.