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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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er Alle um Verzeihung und noch in der gleichen Nacht fiel das Haupt des
sechzehnjähriger unter dem Richtschwert.

Erst die schwere Drangsal des Krieges, die mit einem anderen Schwert
ihre Menschenopfer heischte, brachte diesen religiösen Wahnsinn wieder zum
Schweigen. Der dreißigjährige Krieg, der ganz Elsaß so furchtbar verwüstete,
forderte auch von Saverne seinen Tribut, der grausame Mannsfeld zog vor
die Stadt und wiederholte mit blitzenden Karthaunen die Forderung, daß diese
sich ergebe und ihm 100,000 Reichsthaler zahle, außerdem mache er sie dem
Boden gleich. Aber die muthigen Bürger ließen ihm die Antwort künden,
sie hätten dies Geld schon ausgegeben für Pulver und Blei und wenn er
davon etwas kosten möge, so seien sie bereit. All seine Bemühungen waren
vergeblich und als er endlich nach Westen abzog, fielen die Bürger aus und
schädigten noch seine Truppen durch schwere Verfolgung.

Allein es war nicht die letzte Prüfung und vom Frieden, den erst die
völlige Erschöpfung Europas diktirte, war man noch weit entfernt. Den
Lothringern, die sich vertragsweise in Zabern festgesetzt, folgte eine französische
Besatzung; den Bürgern wurden die Waffen abgenommen und trotz ihrer
flehentlichen Bitten ließ sich der König nicht erweichen. Sie theilten nur das
Geschick aller übrigen Städte im Elsaß.

Eine Reihe berühmter Namen greift nun mehr oder minder in diese Ge¬
schicke ein: Axel Oxenstiern der große schwedische Kanzler, Gallas, der Feld¬
marschall, Herzog Bernhard von Weimar und Cardinal La Valette, der den
Oberbefehl über die französischen Truppen erhalten hatte. Zuletzt kam Tu-
renne, und bezog mit seinen Garden Quartier in der Stadt, bis ihn eine
Meuterei von dannen rief.

Der Friede, der bald daraus geschloffen ward, beließ Saverne dem Bischof
von Straßburg, die herrliche Beste aber, Hohbarr und die Bollwerke, welche
die Stadt umgaben, sollten niedergerissen werden und das traf freilich wie ein
Todesstoß ins Herz der Stadt! Weit und breit war ja der Ruhm ihrer Be¬
festigungen bekannt, ja das Sprüchwort sagt, Saverne sei nach dem Kalender
gebaut, denn es zählte 62 Thürme (soviel es Wochen giebt im Jahre) und
dazwischen je sieben Zinnen (die sieben Tage). Die Stadt selbst bestand aus
drei Theilen, die sich gegenseitig überragten und durch innere Thore in Ver¬
bindung blieben.

Und wie tief war nun dies Alles gesunken -- so schrecklich hatten die
dreißig Jahre des Krieges gewüthet, daß in den unteren Straßen das Dornen¬
gestrüpp vor den Häusern wuchs, die Bevölkerung war auf ein Häuflein zu¬
sammengeschmolzen und fast völlig verarmt. Zu dem Entfestigungswerke,
das bald darauf begann, wurde sie srohnweise herangezogen, mit eigener Hand


er Alle um Verzeihung und noch in der gleichen Nacht fiel das Haupt des
sechzehnjähriger unter dem Richtschwert.

Erst die schwere Drangsal des Krieges, die mit einem anderen Schwert
ihre Menschenopfer heischte, brachte diesen religiösen Wahnsinn wieder zum
Schweigen. Der dreißigjährige Krieg, der ganz Elsaß so furchtbar verwüstete,
forderte auch von Saverne seinen Tribut, der grausame Mannsfeld zog vor
die Stadt und wiederholte mit blitzenden Karthaunen die Forderung, daß diese
sich ergebe und ihm 100,000 Reichsthaler zahle, außerdem mache er sie dem
Boden gleich. Aber die muthigen Bürger ließen ihm die Antwort künden,
sie hätten dies Geld schon ausgegeben für Pulver und Blei und wenn er
davon etwas kosten möge, so seien sie bereit. All seine Bemühungen waren
vergeblich und als er endlich nach Westen abzog, fielen die Bürger aus und
schädigten noch seine Truppen durch schwere Verfolgung.

Allein es war nicht die letzte Prüfung und vom Frieden, den erst die
völlige Erschöpfung Europas diktirte, war man noch weit entfernt. Den
Lothringern, die sich vertragsweise in Zabern festgesetzt, folgte eine französische
Besatzung; den Bürgern wurden die Waffen abgenommen und trotz ihrer
flehentlichen Bitten ließ sich der König nicht erweichen. Sie theilten nur das
Geschick aller übrigen Städte im Elsaß.

Eine Reihe berühmter Namen greift nun mehr oder minder in diese Ge¬
schicke ein: Axel Oxenstiern der große schwedische Kanzler, Gallas, der Feld¬
marschall, Herzog Bernhard von Weimar und Cardinal La Valette, der den
Oberbefehl über die französischen Truppen erhalten hatte. Zuletzt kam Tu-
renne, und bezog mit seinen Garden Quartier in der Stadt, bis ihn eine
Meuterei von dannen rief.

Der Friede, der bald daraus geschloffen ward, beließ Saverne dem Bischof
von Straßburg, die herrliche Beste aber, Hohbarr und die Bollwerke, welche
die Stadt umgaben, sollten niedergerissen werden und das traf freilich wie ein
Todesstoß ins Herz der Stadt! Weit und breit war ja der Ruhm ihrer Be¬
festigungen bekannt, ja das Sprüchwort sagt, Saverne sei nach dem Kalender
gebaut, denn es zählte 62 Thürme (soviel es Wochen giebt im Jahre) und
dazwischen je sieben Zinnen (die sieben Tage). Die Stadt selbst bestand aus
drei Theilen, die sich gegenseitig überragten und durch innere Thore in Ver¬
bindung blieben.

Und wie tief war nun dies Alles gesunken — so schrecklich hatten die
dreißig Jahre des Krieges gewüthet, daß in den unteren Straßen das Dornen¬
gestrüpp vor den Häusern wuchs, die Bevölkerung war auf ein Häuflein zu¬
sammengeschmolzen und fast völlig verarmt. Zu dem Entfestigungswerke,
das bald darauf begann, wurde sie srohnweise herangezogen, mit eigener Hand


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[0308] er Alle um Verzeihung und noch in der gleichen Nacht fiel das Haupt des sechzehnjähriger unter dem Richtschwert. Erst die schwere Drangsal des Krieges, die mit einem anderen Schwert ihre Menschenopfer heischte, brachte diesen religiösen Wahnsinn wieder zum Schweigen. Der dreißigjährige Krieg, der ganz Elsaß so furchtbar verwüstete, forderte auch von Saverne seinen Tribut, der grausame Mannsfeld zog vor die Stadt und wiederholte mit blitzenden Karthaunen die Forderung, daß diese sich ergebe und ihm 100,000 Reichsthaler zahle, außerdem mache er sie dem Boden gleich. Aber die muthigen Bürger ließen ihm die Antwort künden, sie hätten dies Geld schon ausgegeben für Pulver und Blei und wenn er davon etwas kosten möge, so seien sie bereit. All seine Bemühungen waren vergeblich und als er endlich nach Westen abzog, fielen die Bürger aus und schädigten noch seine Truppen durch schwere Verfolgung. Allein es war nicht die letzte Prüfung und vom Frieden, den erst die völlige Erschöpfung Europas diktirte, war man noch weit entfernt. Den Lothringern, die sich vertragsweise in Zabern festgesetzt, folgte eine französische Besatzung; den Bürgern wurden die Waffen abgenommen und trotz ihrer flehentlichen Bitten ließ sich der König nicht erweichen. Sie theilten nur das Geschick aller übrigen Städte im Elsaß. Eine Reihe berühmter Namen greift nun mehr oder minder in diese Ge¬ schicke ein: Axel Oxenstiern der große schwedische Kanzler, Gallas, der Feld¬ marschall, Herzog Bernhard von Weimar und Cardinal La Valette, der den Oberbefehl über die französischen Truppen erhalten hatte. Zuletzt kam Tu- renne, und bezog mit seinen Garden Quartier in der Stadt, bis ihn eine Meuterei von dannen rief. Der Friede, der bald daraus geschloffen ward, beließ Saverne dem Bischof von Straßburg, die herrliche Beste aber, Hohbarr und die Bollwerke, welche die Stadt umgaben, sollten niedergerissen werden und das traf freilich wie ein Todesstoß ins Herz der Stadt! Weit und breit war ja der Ruhm ihrer Be¬ festigungen bekannt, ja das Sprüchwort sagt, Saverne sei nach dem Kalender gebaut, denn es zählte 62 Thürme (soviel es Wochen giebt im Jahre) und dazwischen je sieben Zinnen (die sieben Tage). Die Stadt selbst bestand aus drei Theilen, die sich gegenseitig überragten und durch innere Thore in Ver¬ bindung blieben. Und wie tief war nun dies Alles gesunken — so schrecklich hatten die dreißig Jahre des Krieges gewüthet, daß in den unteren Straßen das Dornen¬ gestrüpp vor den Häusern wuchs, die Bevölkerung war auf ein Häuflein zu¬ sammengeschmolzen und fast völlig verarmt. Zu dem Entfestigungswerke, das bald darauf begann, wurde sie srohnweise herangezogen, mit eigener Hand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/308>, abgerufen am 27.11.2024.