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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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vervollständigt." -- Aehnliche Giftausspritzungen find in Menge bekannt
geworden; doch genügen diese beiden Anführungen.

Was haben die Deutschen diesem tödtlichen Hasse gegenüber zu thun?
Ihn durch Opfer versöhnen? Es ist hier nicht der Ort, den Beweis zu führen,
daß das eine Unmöglichkeit ist. Wollten und könnten sie die Großmuth bis
zum Wahnsinn treiben und das Jagellonenreich ganz wiederherstellen -- die
Polen würden damit noch nicht zufrieden sein, sondern mindestens noch
Ostpreußen und halb Schlesien dazu fordern, und selbst dann würden wir
mit unseren Gliedern unseren Todfeind nur groß gemästet haben. Es bleibt
uns kein Mittel übrig, wollen wir keinen Selbstmord begehen und Herren
im eignen Hause bleiben, als in unseren polnisch-katholischen Provinzen dem
Geist des Hasses und der Widerspenstigkeit seine Quellen zu verstopfen. Die
wichtigsten derselben sind der Ultramontanismus und die polnische Sprache.

Mit Befriedigung sieht der Deutsche Patriot im Osten, daß die preußi¬
sche Staatsregierung entschlossen diese Bahn eingeschlagen und ohne Wanken
verfolgt, daß sie den Weg der halben Maßregeln ganz verlassen und auf
ihre Fahne das Deutschthum ganz und voll geschrieben hat. Sehen wir von
dem Kampfe gegen den Ultramontanismus, dessen Energie nichts zu wünschen
übrig läßt, ab, so sind besonders zwei Maßregeln des Staates darauf abge¬
sehen, dem Deutschthum dem Polenthum gegenüber Vorschub zu leisten: Die
Verordnung des Kultusministers vom 28. August 1872, durch welche in
allen Elementarschulen Preußens die deutsche als alleinige Unterrichtssprache
mindestens von der vorletzten Unterrichtsstufe an vorgeschrieben wird, und
das Amtssprachengesetz, welches soeben dem Landtage vorliegt*).

Nicht so wichtig, aber doch nicht zu unterschätzen ist die Verdeutschung
der Ortsnamen. Ich verstehe darunter verschiedenes in mehreren Stufen:
1. mindestens das Schreiben der polnischen Ortsnamen nach deutscher Recht¬
schreibung, wobei die unaussprechlichen polnischen Buchstaben und Selbst¬
lauterhäufungen der deutschen Zunge angepaßt werden; 2. eine stärkere
Aenderung der Laute, so daß das Ganze einen deutschen Klang
erhält, besonders nach dem Muster der Ortsnamen in alt- und urdeutschen
Gegenden; 3. Uebersetzung des Namens in das Deutsche oder Einführung
von deutschen Namen ohne Rücksicht auf die bisherigen polnischen.

Alle diese Stufen haben in den letzten Jahren in Westpreußen und
Posen zahlreiche Anwendung gefunden, dort mehr durch inmitten der deutschen
Bevölkerung rege gewordenen allgemeinen Zug. hier mehr durch den Ein¬
fluß und Willen der Regierung. In beiden Provinzen, am meisten in
Westpreußen, hat besonders der deutsche Gutsbesitzerstand seine deutsche Ge-
sinnung durch diese Germanisirung bewiesen. In der Provinz Posen hat



") U D. Red. nd in erster Lesung eben berathen ist.

vervollständigt." — Aehnliche Giftausspritzungen find in Menge bekannt
geworden; doch genügen diese beiden Anführungen.

Was haben die Deutschen diesem tödtlichen Hasse gegenüber zu thun?
Ihn durch Opfer versöhnen? Es ist hier nicht der Ort, den Beweis zu führen,
daß das eine Unmöglichkeit ist. Wollten und könnten sie die Großmuth bis
zum Wahnsinn treiben und das Jagellonenreich ganz wiederherstellen — die
Polen würden damit noch nicht zufrieden sein, sondern mindestens noch
Ostpreußen und halb Schlesien dazu fordern, und selbst dann würden wir
mit unseren Gliedern unseren Todfeind nur groß gemästet haben. Es bleibt
uns kein Mittel übrig, wollen wir keinen Selbstmord begehen und Herren
im eignen Hause bleiben, als in unseren polnisch-katholischen Provinzen dem
Geist des Hasses und der Widerspenstigkeit seine Quellen zu verstopfen. Die
wichtigsten derselben sind der Ultramontanismus und die polnische Sprache.

Mit Befriedigung sieht der Deutsche Patriot im Osten, daß die preußi¬
sche Staatsregierung entschlossen diese Bahn eingeschlagen und ohne Wanken
verfolgt, daß sie den Weg der halben Maßregeln ganz verlassen und auf
ihre Fahne das Deutschthum ganz und voll geschrieben hat. Sehen wir von
dem Kampfe gegen den Ultramontanismus, dessen Energie nichts zu wünschen
übrig läßt, ab, so sind besonders zwei Maßregeln des Staates darauf abge¬
sehen, dem Deutschthum dem Polenthum gegenüber Vorschub zu leisten: Die
Verordnung des Kultusministers vom 28. August 1872, durch welche in
allen Elementarschulen Preußens die deutsche als alleinige Unterrichtssprache
mindestens von der vorletzten Unterrichtsstufe an vorgeschrieben wird, und
das Amtssprachengesetz, welches soeben dem Landtage vorliegt*).

Nicht so wichtig, aber doch nicht zu unterschätzen ist die Verdeutschung
der Ortsnamen. Ich verstehe darunter verschiedenes in mehreren Stufen:
1. mindestens das Schreiben der polnischen Ortsnamen nach deutscher Recht¬
schreibung, wobei die unaussprechlichen polnischen Buchstaben und Selbst¬
lauterhäufungen der deutschen Zunge angepaßt werden; 2. eine stärkere
Aenderung der Laute, so daß das Ganze einen deutschen Klang
erhält, besonders nach dem Muster der Ortsnamen in alt- und urdeutschen
Gegenden; 3. Uebersetzung des Namens in das Deutsche oder Einführung
von deutschen Namen ohne Rücksicht auf die bisherigen polnischen.

Alle diese Stufen haben in den letzten Jahren in Westpreußen und
Posen zahlreiche Anwendung gefunden, dort mehr durch inmitten der deutschen
Bevölkerung rege gewordenen allgemeinen Zug. hier mehr durch den Ein¬
fluß und Willen der Regierung. In beiden Provinzen, am meisten in
Westpreußen, hat besonders der deutsche Gutsbesitzerstand seine deutsche Ge-
sinnung durch diese Germanisirung bewiesen. In der Provinz Posen hat



") U D. Red. nd in erster Lesung eben berathen ist.
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[0297] vervollständigt." — Aehnliche Giftausspritzungen find in Menge bekannt geworden; doch genügen diese beiden Anführungen. Was haben die Deutschen diesem tödtlichen Hasse gegenüber zu thun? Ihn durch Opfer versöhnen? Es ist hier nicht der Ort, den Beweis zu führen, daß das eine Unmöglichkeit ist. Wollten und könnten sie die Großmuth bis zum Wahnsinn treiben und das Jagellonenreich ganz wiederherstellen — die Polen würden damit noch nicht zufrieden sein, sondern mindestens noch Ostpreußen und halb Schlesien dazu fordern, und selbst dann würden wir mit unseren Gliedern unseren Todfeind nur groß gemästet haben. Es bleibt uns kein Mittel übrig, wollen wir keinen Selbstmord begehen und Herren im eignen Hause bleiben, als in unseren polnisch-katholischen Provinzen dem Geist des Hasses und der Widerspenstigkeit seine Quellen zu verstopfen. Die wichtigsten derselben sind der Ultramontanismus und die polnische Sprache. Mit Befriedigung sieht der Deutsche Patriot im Osten, daß die preußi¬ sche Staatsregierung entschlossen diese Bahn eingeschlagen und ohne Wanken verfolgt, daß sie den Weg der halben Maßregeln ganz verlassen und auf ihre Fahne das Deutschthum ganz und voll geschrieben hat. Sehen wir von dem Kampfe gegen den Ultramontanismus, dessen Energie nichts zu wünschen übrig läßt, ab, so sind besonders zwei Maßregeln des Staates darauf abge¬ sehen, dem Deutschthum dem Polenthum gegenüber Vorschub zu leisten: Die Verordnung des Kultusministers vom 28. August 1872, durch welche in allen Elementarschulen Preußens die deutsche als alleinige Unterrichtssprache mindestens von der vorletzten Unterrichtsstufe an vorgeschrieben wird, und das Amtssprachengesetz, welches soeben dem Landtage vorliegt*). Nicht so wichtig, aber doch nicht zu unterschätzen ist die Verdeutschung der Ortsnamen. Ich verstehe darunter verschiedenes in mehreren Stufen: 1. mindestens das Schreiben der polnischen Ortsnamen nach deutscher Recht¬ schreibung, wobei die unaussprechlichen polnischen Buchstaben und Selbst¬ lauterhäufungen der deutschen Zunge angepaßt werden; 2. eine stärkere Aenderung der Laute, so daß das Ganze einen deutschen Klang erhält, besonders nach dem Muster der Ortsnamen in alt- und urdeutschen Gegenden; 3. Uebersetzung des Namens in das Deutsche oder Einführung von deutschen Namen ohne Rücksicht auf die bisherigen polnischen. Alle diese Stufen haben in den letzten Jahren in Westpreußen und Posen zahlreiche Anwendung gefunden, dort mehr durch inmitten der deutschen Bevölkerung rege gewordenen allgemeinen Zug. hier mehr durch den Ein¬ fluß und Willen der Regierung. In beiden Provinzen, am meisten in Westpreußen, hat besonders der deutsche Gutsbesitzerstand seine deutsche Ge- sinnung durch diese Germanisirung bewiesen. In der Provinz Posen hat ") U D. Red. nd in erster Lesung eben berathen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/297>, abgerufen am 27.11.2024.