Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.Abend des ersten Tages der Schlacht bet Culm zwar nicht im engsten Sinne Bald nach zehn Uhr am 19. October erschien bei dem Monarchen am Abend des ersten Tages der Schlacht bet Culm zwar nicht im engsten Sinne Bald nach zehn Uhr am 19. October erschien bei dem Monarchen am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135862"/> <p xml:id="ID_914" prev="#ID_913"> Abend des ersten Tages der Schlacht bet Culm zwar nicht im engsten Sinne<lb/> des Wortes auf das Schlachtfeld, wohl aber in dessen Nähe, nämlich nach<lb/> Töplitz gekommen ist. Während man sodann bisher der Meinung war, im<lb/> Hauptquartier des Fürsten Schwarzenberg habe der spätere Feldmarschall<lb/> Radetzky den meisten Einfluß besessen, werden wir hier belehrt, daß es viel¬<lb/> mehr der (ehemals sächsische) General Langen«» war, der dort die Haupt¬<lb/> rolle spielte, und daß u. A. dieser und nicht Radetzky der Urheber der ersten<lb/> unglücklichen Disposition zur Schlacht bei Leipzig war. Von besonderem<lb/> Interesse ist endlich die Mittheilung über Natzmer's und Toll's gemeinschaft-<lb/> liche Sendung an den König von Sachsen gegen das Ende dieser Schlacht,<lb/> ein Bericht, den wir, da er Toll's Schilderung ergänzt, im Auszuge folgen<lb/> lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_915" next="#ID_916"> Bald nach zehn Uhr am 19. October erschien bei dem Monarchen am<lb/> Thonberge der Oberst Ryssel, um im Namen des Königs von Sachsen Unter¬<lb/> handlungen anzuknüpfen. Er sprach dabei die Bitte aus, daß die in der<lb/> Stadt befindlichen sächsischen Truppen auf dem Markte vereinigt, aber nicht<lb/> als Gefangene betrachtet werden möchten; sie sollten auch nicht mehr an dem<lb/> Gefechte theilnehmen. Daraus wurden Toll und Natzmer mit dem Auftrage<lb/> an den König abgefertigt, zu erklären: „Von Unterhandlungen mit dem<lb/> Könige von Sachsen könne nicht mehr die Rede sein, nachdem er alle früheren<lb/> Anträge der Verbündeten zurückgewiesen habe. Die Stadt Leipzig würde man<lb/> gern soviel als möglich schonen, wenn der Feind sie unverzüglich räume, auch<lb/> die sächsischen Truppen wolle man nicht feindlich behandeln, wenn der König<lb/> sie sofort aus dem Gefechte zurückziehe und man sie in einer rückwärtigen<lb/> Stellung mit in Pyramiden zusammengesetzten Gewehren finde." Als die<lb/> Gesandten sich in dem Hause meldeten, wo der König wohnte, und ihn zu<lb/> sehen verlangten, wurde unter der Umgebung einige Verwirrung bemerkbar.<lb/> ^ hieß, „Se. Majestät seien jetzt nicht zu sprechen — Se. Majestät seien<lb/> an Ihrem Schreibtisch beschäftigt." Die Wahrheit zu sagen, hatte der König<lb/> mit seiner Familie in den Kellern des Hauses Schutz gesucht. Die Gesandten<lb/> der Verbündeten äußerten, sie müßten ihn sogleich sehen, wenn weiteres Un¬<lb/> glück verhütet werden solle. Darauf wurden sie in ein Zimmer gewiesen,<lb/> und wenige Augenblicke später erschien Friedrich August — in Gala, in der<lb/> Meißen Uniform seines Heeres, mit Stern und Band seines Ordens, in Es-<lb/> carpins, seidenen Strümpfen und Schuhen. Natzmer glaubte, diese Borbe-<lb/> reitungen seien in Erwartung eines Zusammentreffens mit den verbündeten<lb/> Monarchen getroffen, es ergab sich jedoch, daß sie dem Kaiser Napoleon galten,<lb/> den Friedrich August kurz vorher empfangen hatte, und vor dem er nie anders<lb/> erschien. Auf die Unterhandlungen ging der König gar nicht ein. Was die<lb/> Schonung der Stadt und die deshalb zu treffenden Maßregeln anging, ver-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0281]
Abend des ersten Tages der Schlacht bet Culm zwar nicht im engsten Sinne
des Wortes auf das Schlachtfeld, wohl aber in dessen Nähe, nämlich nach
Töplitz gekommen ist. Während man sodann bisher der Meinung war, im
Hauptquartier des Fürsten Schwarzenberg habe der spätere Feldmarschall
Radetzky den meisten Einfluß besessen, werden wir hier belehrt, daß es viel¬
mehr der (ehemals sächsische) General Langen«» war, der dort die Haupt¬
rolle spielte, und daß u. A. dieser und nicht Radetzky der Urheber der ersten
unglücklichen Disposition zur Schlacht bei Leipzig war. Von besonderem
Interesse ist endlich die Mittheilung über Natzmer's und Toll's gemeinschaft-
liche Sendung an den König von Sachsen gegen das Ende dieser Schlacht,
ein Bericht, den wir, da er Toll's Schilderung ergänzt, im Auszuge folgen
lassen.
Bald nach zehn Uhr am 19. October erschien bei dem Monarchen am
Thonberge der Oberst Ryssel, um im Namen des Königs von Sachsen Unter¬
handlungen anzuknüpfen. Er sprach dabei die Bitte aus, daß die in der
Stadt befindlichen sächsischen Truppen auf dem Markte vereinigt, aber nicht
als Gefangene betrachtet werden möchten; sie sollten auch nicht mehr an dem
Gefechte theilnehmen. Daraus wurden Toll und Natzmer mit dem Auftrage
an den König abgefertigt, zu erklären: „Von Unterhandlungen mit dem
Könige von Sachsen könne nicht mehr die Rede sein, nachdem er alle früheren
Anträge der Verbündeten zurückgewiesen habe. Die Stadt Leipzig würde man
gern soviel als möglich schonen, wenn der Feind sie unverzüglich räume, auch
die sächsischen Truppen wolle man nicht feindlich behandeln, wenn der König
sie sofort aus dem Gefechte zurückziehe und man sie in einer rückwärtigen
Stellung mit in Pyramiden zusammengesetzten Gewehren finde." Als die
Gesandten sich in dem Hause meldeten, wo der König wohnte, und ihn zu
sehen verlangten, wurde unter der Umgebung einige Verwirrung bemerkbar.
^ hieß, „Se. Majestät seien jetzt nicht zu sprechen — Se. Majestät seien
an Ihrem Schreibtisch beschäftigt." Die Wahrheit zu sagen, hatte der König
mit seiner Familie in den Kellern des Hauses Schutz gesucht. Die Gesandten
der Verbündeten äußerten, sie müßten ihn sogleich sehen, wenn weiteres Un¬
glück verhütet werden solle. Darauf wurden sie in ein Zimmer gewiesen,
und wenige Augenblicke später erschien Friedrich August — in Gala, in der
Meißen Uniform seines Heeres, mit Stern und Band seines Ordens, in Es-
carpins, seidenen Strümpfen und Schuhen. Natzmer glaubte, diese Borbe-
reitungen seien in Erwartung eines Zusammentreffens mit den verbündeten
Monarchen getroffen, es ergab sich jedoch, daß sie dem Kaiser Napoleon galten,
den Friedrich August kurz vorher empfangen hatte, und vor dem er nie anders
erschien. Auf die Unterhandlungen ging der König gar nicht ein. Was die
Schonung der Stadt und die deshalb zu treffenden Maßregeln anging, ver-
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