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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Ich sagte, daß ich sie manchmal auf dem Museum sähe, verheimlichte
aber, daß ich auf Veranlassung des Herausgebers vor nicht langer Zeit auch
einen Beitrag dazu geliefert hatte.

"Sehen Sie diesen" (und er nannte den Namen eines der Kritiker dieses
Blattes), "mit welcher Geringschätzung er von Männern wie Chamifsoze, spricht."

Ich erwiderte, daß auch mir dieser Ton unserer jüngsten Dichtergeneration
sehr wenig gefalle.

"Es ist der Ton, den Heine zuerst angeschlagen, und der hier nachklingt,"
bemerkte Freiligrath. "Auch der geistvolle Paul Lindau vermeidet ihn nicht
immer ganz. Ich glaube, er hat sich schon manchen Gegner dadurch gemacht.
Freilich, wer einmal seiner scharfen Kritik zum Opfer gefallen, wird zu seinen
Gegnern zählen."

Das Gespräch wandte sich auf den damals geplanten Dichtertag in
Weimar.

Damit ist ja nichts geworden, bemerkte des Dichters Gattin.

Ich begreife gar nicht, sagte ich, was die Leute eigentlich damit wollen.
Eine Dichterzunft kann sich doch nicht organtstren, um nach gemeinsamen
Principien zu dichten und zu produziren.

Höchstens könnten die Verhältnisse der Autoren zu den Verlegern ver¬
handelt werden, sagte Frau Freiligrath.

"Nun," bemerkte er, "darin würden sie alle einig sein, daß da noch
manches zu wünschen übrig bleibt."

Ihre Resolutionen würden freilich wenig helfen, wandte ich ein, denn
jedes Autorenverhältniß trägt einen individuellen Charakter und kann nicht
nach allgemeinen Regeln normirt werden. Die rechtliche Seite des Verhält¬
nisses aber zu regeln wird schwerlich Aufgabe eines Dichtertages sein.

Eine kurze Pause des Gespräches benutzend, fragte ich Freiligrath: Ich
weiß nicht, ob Ihnen meine in der Hildburghäuser Bibliothek ausländischer
Classiker erschienene Uebersetzung von Robert Burns bekannt geworden ist:

"Gewiß," sagte er, und fügte nach einigen anerkennenden Worten Be¬
merkungen über die Burns-Uebersetzungen bei: "Kennen Sie die von Silber¬
gleit?"

Ich bejahte es, und er fragte: "Ist der Name des Uebersetzers nicht ein
pseudonymer?"

Nein, erwiderte ich, ich kenne ihn persönlich, er war noch mein Lehrer auf
dem Elisabethgymnasium in Breslau. Er hat auch von Böranger's Gedichten
eine Auswahl in recht gelungener Uebersetzung geliefert.

"Da ist doch wohl die beste immer die von Chamisso und Gaudy," be¬
merkte Freiligrath. "Eine Auswahl von Burns zu geben, halte ich für das


Ich sagte, daß ich sie manchmal auf dem Museum sähe, verheimlichte
aber, daß ich auf Veranlassung des Herausgebers vor nicht langer Zeit auch
einen Beitrag dazu geliefert hatte.

„Sehen Sie diesen" (und er nannte den Namen eines der Kritiker dieses
Blattes), „mit welcher Geringschätzung er von Männern wie Chamifsoze, spricht."

Ich erwiderte, daß auch mir dieser Ton unserer jüngsten Dichtergeneration
sehr wenig gefalle.

„Es ist der Ton, den Heine zuerst angeschlagen, und der hier nachklingt,"
bemerkte Freiligrath. „Auch der geistvolle Paul Lindau vermeidet ihn nicht
immer ganz. Ich glaube, er hat sich schon manchen Gegner dadurch gemacht.
Freilich, wer einmal seiner scharfen Kritik zum Opfer gefallen, wird zu seinen
Gegnern zählen."

Das Gespräch wandte sich auf den damals geplanten Dichtertag in
Weimar.

Damit ist ja nichts geworden, bemerkte des Dichters Gattin.

Ich begreife gar nicht, sagte ich, was die Leute eigentlich damit wollen.
Eine Dichterzunft kann sich doch nicht organtstren, um nach gemeinsamen
Principien zu dichten und zu produziren.

Höchstens könnten die Verhältnisse der Autoren zu den Verlegern ver¬
handelt werden, sagte Frau Freiligrath.

„Nun," bemerkte er, „darin würden sie alle einig sein, daß da noch
manches zu wünschen übrig bleibt."

Ihre Resolutionen würden freilich wenig helfen, wandte ich ein, denn
jedes Autorenverhältniß trägt einen individuellen Charakter und kann nicht
nach allgemeinen Regeln normirt werden. Die rechtliche Seite des Verhält¬
nisses aber zu regeln wird schwerlich Aufgabe eines Dichtertages sein.

Eine kurze Pause des Gespräches benutzend, fragte ich Freiligrath: Ich
weiß nicht, ob Ihnen meine in der Hildburghäuser Bibliothek ausländischer
Classiker erschienene Uebersetzung von Robert Burns bekannt geworden ist:

„Gewiß," sagte er, und fügte nach einigen anerkennenden Worten Be¬
merkungen über die Burns-Uebersetzungen bei: „Kennen Sie die von Silber¬
gleit?"

Ich bejahte es, und er fragte: „Ist der Name des Uebersetzers nicht ein
pseudonymer?"

Nein, erwiderte ich, ich kenne ihn persönlich, er war noch mein Lehrer auf
dem Elisabethgymnasium in Breslau. Er hat auch von Böranger's Gedichten
eine Auswahl in recht gelungener Uebersetzung geliefert.

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merkte Freiligrath. „Eine Auswahl von Burns zu geben, halte ich für das


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[0276] Ich sagte, daß ich sie manchmal auf dem Museum sähe, verheimlichte aber, daß ich auf Veranlassung des Herausgebers vor nicht langer Zeit auch einen Beitrag dazu geliefert hatte. „Sehen Sie diesen" (und er nannte den Namen eines der Kritiker dieses Blattes), „mit welcher Geringschätzung er von Männern wie Chamifsoze, spricht." Ich erwiderte, daß auch mir dieser Ton unserer jüngsten Dichtergeneration sehr wenig gefalle. „Es ist der Ton, den Heine zuerst angeschlagen, und der hier nachklingt," bemerkte Freiligrath. „Auch der geistvolle Paul Lindau vermeidet ihn nicht immer ganz. Ich glaube, er hat sich schon manchen Gegner dadurch gemacht. Freilich, wer einmal seiner scharfen Kritik zum Opfer gefallen, wird zu seinen Gegnern zählen." Das Gespräch wandte sich auf den damals geplanten Dichtertag in Weimar. Damit ist ja nichts geworden, bemerkte des Dichters Gattin. Ich begreife gar nicht, sagte ich, was die Leute eigentlich damit wollen. Eine Dichterzunft kann sich doch nicht organtstren, um nach gemeinsamen Principien zu dichten und zu produziren. Höchstens könnten die Verhältnisse der Autoren zu den Verlegern ver¬ handelt werden, sagte Frau Freiligrath. „Nun," bemerkte er, „darin würden sie alle einig sein, daß da noch manches zu wünschen übrig bleibt." Ihre Resolutionen würden freilich wenig helfen, wandte ich ein, denn jedes Autorenverhältniß trägt einen individuellen Charakter und kann nicht nach allgemeinen Regeln normirt werden. Die rechtliche Seite des Verhält¬ nisses aber zu regeln wird schwerlich Aufgabe eines Dichtertages sein. Eine kurze Pause des Gespräches benutzend, fragte ich Freiligrath: Ich weiß nicht, ob Ihnen meine in der Hildburghäuser Bibliothek ausländischer Classiker erschienene Uebersetzung von Robert Burns bekannt geworden ist: „Gewiß," sagte er, und fügte nach einigen anerkennenden Worten Be¬ merkungen über die Burns-Uebersetzungen bei: „Kennen Sie die von Silber¬ gleit?" Ich bejahte es, und er fragte: „Ist der Name des Uebersetzers nicht ein pseudonymer?" Nein, erwiderte ich, ich kenne ihn persönlich, er war noch mein Lehrer auf dem Elisabethgymnasium in Breslau. Er hat auch von Böranger's Gedichten eine Auswahl in recht gelungener Uebersetzung geliefert. „Da ist doch wohl die beste immer die von Chamisso und Gaudy," be¬ merkte Freiligrath. „Eine Auswahl von Burns zu geben, halte ich für das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/276>, abgerufen am 24.11.2024.