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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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giebt, und würdig, geehrt und geliebt zu werden wie unser Herr Jesus und
Wie es für uns Pflicht und Schuldigkeit ist."

Der Marquis: "Danke, Cota, danke; aber laß uns hören, was Du
für ein Anliegen hast."

Cota: "Eine Handlung der Barmherzigkeit, Euer Excellenz, eine Hand¬
lung der Gnade. Ihre Herrlichkeit soll thun wie der Beichtvater dem büß.
fertigen Sünder thut, Ihre Hand erheben, absolviren und vergeben."

Marquis: "Aber wem habe ich denn etwas zu vergeben, Cota?"

Cota: "Jenem verächtlichen Lumpenkerl, jenem Schufte, der nicht
würdig ist, den Staub zu küssen, auf den der Fuß Euer Excellenz tritt*)
-- jenem schlecht erzognen, niederträchtigen Vtehe von einem Vincenzo, der
verdient hätte, an einen Pfeiler gebunden und ausgepeitscht zu werden. Aber
wahrlich, ich will's ihm schon eintränken! Allein Euer Excellenz müssen Rück¬
sicht nehmen auf seine arme Frau, auf sein armes Kind. Sie werden mitten
in der Straße Hungers sterben müssen. Haben Sie Mitleid, seien Sie barm¬
herzig gegen das arme Weib und ihr unschuldiges kleines Würmchen und
verzeihen Sie Vincenzo um ihretwillen, und nehmen Sie ihn wieder in Ihre
Dienste."

Marquis: "Aber bedenke doch einmal, Coka, daß der Kerl sehr frech
und respectlos gegen mich war, und daß ..."

Coka: "Der Wein. Herr Marquis, der Wein! dieser neumodische Wein,
dieses garstige Zeug (skiüu), das sie jetzt als Wein verkaufen. Er muß dem
armen Jungen zu Kopfe gestiegen sein. Aber ich will ihm den Kopf zurecht
setzen, ich will's ihm eintränken. Es wird nie wieder geschehen. Ihre Herr-
lichkeit jedoch werden dieses Werk der Barmherzigkeit verrichten -- ich be¬
schwöre Sie darum bei der Liebe, die Sie zu jenem heiligen Engel, der gnä¬
digen Frau Marchesa, und zu Ihren Kindern haben. Haben Sie Mitleid
mit seiner armen Familie. Thun Sie dieses Werk der Barmherzigkeit, thun
Sie es um meinetwillen, und ich verspreche Ihnen, daß ich darauf sehen werde,
daß er sich rechtschaffen aufführt, und wenn er sich jemals unterstehen sollte,
es an Erfüllung selner Pflicht gegen Ihre Herrlichkeit fehlen zu lassen, so soll
er es mit mir zu thun bekommen. Thun Sie es, Herr Marquis, und Sie
sollen von da an allezeit über mich gebieten können wie über Ihren Sklaven."

Marquis: "Schon gut, Coka, schon gut. Reden wir nicht mehr davon
Mag er denn zurückkommen aus die Bedingung hin, daß etwas Derartiges
nicht wieder geschieht."



*) Ein orientalischer Ausdruck, dem man häufig im Koran begegnet, und der in der
Sprache der niedern Klassen Siciliens ebenfalls sehr oft gebraucht wird. Er ist eine der vielen
Reliquien, die von der Zeit übrig geblieben sind, wo im achten Jahrhundert unsrer Rechnung
die Sarazenen auf der Insel herrschten.

giebt, und würdig, geehrt und geliebt zu werden wie unser Herr Jesus und
Wie es für uns Pflicht und Schuldigkeit ist."

Der Marquis: „Danke, Cota, danke; aber laß uns hören, was Du
für ein Anliegen hast."

Cota: „Eine Handlung der Barmherzigkeit, Euer Excellenz, eine Hand¬
lung der Gnade. Ihre Herrlichkeit soll thun wie der Beichtvater dem büß.
fertigen Sünder thut, Ihre Hand erheben, absolviren und vergeben."

Marquis: „Aber wem habe ich denn etwas zu vergeben, Cota?"

Cota: „Jenem verächtlichen Lumpenkerl, jenem Schufte, der nicht
würdig ist, den Staub zu küssen, auf den der Fuß Euer Excellenz tritt*)
— jenem schlecht erzognen, niederträchtigen Vtehe von einem Vincenzo, der
verdient hätte, an einen Pfeiler gebunden und ausgepeitscht zu werden. Aber
wahrlich, ich will's ihm schon eintränken! Allein Euer Excellenz müssen Rück¬
sicht nehmen auf seine arme Frau, auf sein armes Kind. Sie werden mitten
in der Straße Hungers sterben müssen. Haben Sie Mitleid, seien Sie barm¬
herzig gegen das arme Weib und ihr unschuldiges kleines Würmchen und
verzeihen Sie Vincenzo um ihretwillen, und nehmen Sie ihn wieder in Ihre
Dienste."

Marquis: „Aber bedenke doch einmal, Coka, daß der Kerl sehr frech
und respectlos gegen mich war, und daß ..."

Coka: „Der Wein. Herr Marquis, der Wein! dieser neumodische Wein,
dieses garstige Zeug (skiüu), das sie jetzt als Wein verkaufen. Er muß dem
armen Jungen zu Kopfe gestiegen sein. Aber ich will ihm den Kopf zurecht
setzen, ich will's ihm eintränken. Es wird nie wieder geschehen. Ihre Herr-
lichkeit jedoch werden dieses Werk der Barmherzigkeit verrichten — ich be¬
schwöre Sie darum bei der Liebe, die Sie zu jenem heiligen Engel, der gnä¬
digen Frau Marchesa, und zu Ihren Kindern haben. Haben Sie Mitleid
mit seiner armen Familie. Thun Sie dieses Werk der Barmherzigkeit, thun
Sie es um meinetwillen, und ich verspreche Ihnen, daß ich darauf sehen werde,
daß er sich rechtschaffen aufführt, und wenn er sich jemals unterstehen sollte,
es an Erfüllung selner Pflicht gegen Ihre Herrlichkeit fehlen zu lassen, so soll
er es mit mir zu thun bekommen. Thun Sie es, Herr Marquis, und Sie
sollen von da an allezeit über mich gebieten können wie über Ihren Sklaven."

Marquis: „Schon gut, Coka, schon gut. Reden wir nicht mehr davon
Mag er denn zurückkommen aus die Bedingung hin, daß etwas Derartiges
nicht wieder geschieht."



*) Ein orientalischer Ausdruck, dem man häufig im Koran begegnet, und der in der
Sprache der niedern Klassen Siciliens ebenfalls sehr oft gebraucht wird. Er ist eine der vielen
Reliquien, die von der Zeit übrig geblieben sind, wo im achten Jahrhundert unsrer Rechnung
die Sarazenen auf der Insel herrschten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/25>, abgerufen am 27.11.2024.