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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Stück weitergeführt, es sind meine Resultate durch eine neue durchaus selb¬
ständige Arbeit neu erhärtet und befestigt worden.

MaxLehmann in seinem viel besprochenenen und gerechtes Aufsehen
erregenden Buche (Knesebeck und Schön. Beiträge zur Geschichte der Frei¬
heitskriege. Leipzig, S Hirzel 1875) hat sich veranlaßt gesehen, die Glaub>
Würdigkeit der Schön'schen Erzählungen aus's neue zu untersuchen. Mit
großer Kenntniß der gleichzeitigen und historischen Literatur ausgerüstet, mit
scharfsinniger und unerbittlicher Methode der Forschung bewaffnet, hat er für
eine Reihe von Fragen die kritische Untersuchung zum Abschluß gebracht.
Auch wo er im wesentlichen dieselben Argumente, die ich verwerthet hatte,
noch einmal ins Feld führt, zeugt die Art und Weise des Vortrages, die
vielfach erweiterte Fülle von Details für die Selbständigkeit und Eigenartig¬
keit der Untersuchung. Gegen die vorliegenden Ausführungen über den Ur¬
sprung des Oktoberediktes von 1807, über das politische Testament Stein's,
über die ganze Tendenz Schön's, das Verdienst der preußischen Reformge-
setze Stein abzusprechen und sich selbst beizulegen, -- gegen alle diese Punkte
wird sich schwerlich eine haltbare Einrede vorbringen lassen. Aus den gleich"
zeitigen Zeugnissen im 2. Bande des Schön'schen Nachlasses ergeben sich neue
Momente, die hergebrachte Auffassung zu stützen. Das ältere, erste Quellen¬
material steht im Widerspruch zu der späteren Erzählung, die Schön zu ver¬
breiten und in Geltung zu erheben sich so außerordentlich bemüht hat. Seit
wann Schön diese Tradition in Umlauf zu setzen begonnen -- das ist aller¬
dings auch jetzt noch eine offene Frage. Als feststehend können wir nur be¬
zeichnen, daß er 1838 dieselbe in der Selbstbiographie vorgetragen und nieder¬
gezeichnet hat. Daß 1838 als die Abfassungszeit der im 1. Band gedruckten
Memoiren anzunehmen, beweist Lehmann mit denselben Gründen, die ich
dafür geltend gemacht. *) Daß aber Schön schon vorher auf einzelne Historiker
Einfluß ausgeübt, ist wenigstens für Voigt (1832) und fürFriccius (1838)
sicher (vgl. Lehmann, S. 126, 127 und meine Bemerkungen Grenzboten S. 166
und 167). Noch weiter zurück lassen sich die Wurzeln der ostpreußischen
Lokaltradition über den Schöpfer der Landwehr verfolgen (Lehmann 125); noch
unaufklärt dagegen ist es, wann Schön mit seiner polemischen Behandlung der
Verdienste Stein's den Anfang gemacht**); hoffen wir, daß Schön's Nachlaß
darüber uns Belehrung schafft.




I

^ S. 82 war es ihm möglich eine mir gemachte Angabe aus den Ranglisten zu berich¬
tigen. Für die Frage der Abfassungszeit selbst ist dies Datum irrelevant: in den entschei¬
denden Angaben stimmt L. mir vollständig zu.
"") Beyme hatte schon 1827 den Schön'schen Melodien präludirt (vgl. s. Brief vom
18. Januar 1827 bei Dorow Denkschriften IV, 28). An Neidern und Verkleinerern hat es
Stein niemals gefehlt.

Stück weitergeführt, es sind meine Resultate durch eine neue durchaus selb¬
ständige Arbeit neu erhärtet und befestigt worden.

MaxLehmann in seinem viel besprochenenen und gerechtes Aufsehen
erregenden Buche (Knesebeck und Schön. Beiträge zur Geschichte der Frei¬
heitskriege. Leipzig, S Hirzel 1875) hat sich veranlaßt gesehen, die Glaub>
Würdigkeit der Schön'schen Erzählungen aus's neue zu untersuchen. Mit
großer Kenntniß der gleichzeitigen und historischen Literatur ausgerüstet, mit
scharfsinniger und unerbittlicher Methode der Forschung bewaffnet, hat er für
eine Reihe von Fragen die kritische Untersuchung zum Abschluß gebracht.
Auch wo er im wesentlichen dieselben Argumente, die ich verwerthet hatte,
noch einmal ins Feld führt, zeugt die Art und Weise des Vortrages, die
vielfach erweiterte Fülle von Details für die Selbständigkeit und Eigenartig¬
keit der Untersuchung. Gegen die vorliegenden Ausführungen über den Ur¬
sprung des Oktoberediktes von 1807, über das politische Testament Stein's,
über die ganze Tendenz Schön's, das Verdienst der preußischen Reformge-
setze Stein abzusprechen und sich selbst beizulegen, — gegen alle diese Punkte
wird sich schwerlich eine haltbare Einrede vorbringen lassen. Aus den gleich«
zeitigen Zeugnissen im 2. Bande des Schön'schen Nachlasses ergeben sich neue
Momente, die hergebrachte Auffassung zu stützen. Das ältere, erste Quellen¬
material steht im Widerspruch zu der späteren Erzählung, die Schön zu ver¬
breiten und in Geltung zu erheben sich so außerordentlich bemüht hat. Seit
wann Schön diese Tradition in Umlauf zu setzen begonnen — das ist aller¬
dings auch jetzt noch eine offene Frage. Als feststehend können wir nur be¬
zeichnen, daß er 1838 dieselbe in der Selbstbiographie vorgetragen und nieder¬
gezeichnet hat. Daß 1838 als die Abfassungszeit der im 1. Band gedruckten
Memoiren anzunehmen, beweist Lehmann mit denselben Gründen, die ich
dafür geltend gemacht. *) Daß aber Schön schon vorher auf einzelne Historiker
Einfluß ausgeübt, ist wenigstens für Voigt (1832) und fürFriccius (1838)
sicher (vgl. Lehmann, S. 126, 127 und meine Bemerkungen Grenzboten S. 166
und 167). Noch weiter zurück lassen sich die Wurzeln der ostpreußischen
Lokaltradition über den Schöpfer der Landwehr verfolgen (Lehmann 125); noch
unaufklärt dagegen ist es, wann Schön mit seiner polemischen Behandlung der
Verdienste Stein's den Anfang gemacht**); hoffen wir, daß Schön's Nachlaß
darüber uns Belehrung schafft.




I

^ S. 82 war es ihm möglich eine mir gemachte Angabe aus den Ranglisten zu berich¬
tigen. Für die Frage der Abfassungszeit selbst ist dies Datum irrelevant: in den entschei¬
denden Angaben stimmt L. mir vollständig zu.
"") Beyme hatte schon 1827 den Schön'schen Melodien präludirt (vgl. s. Brief vom
18. Januar 1827 bei Dorow Denkschriften IV, 28). An Neidern und Verkleinerern hat es
Stein niemals gefehlt.
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[0248] Stück weitergeführt, es sind meine Resultate durch eine neue durchaus selb¬ ständige Arbeit neu erhärtet und befestigt worden. MaxLehmann in seinem viel besprochenenen und gerechtes Aufsehen erregenden Buche (Knesebeck und Schön. Beiträge zur Geschichte der Frei¬ heitskriege. Leipzig, S Hirzel 1875) hat sich veranlaßt gesehen, die Glaub> Würdigkeit der Schön'schen Erzählungen aus's neue zu untersuchen. Mit großer Kenntniß der gleichzeitigen und historischen Literatur ausgerüstet, mit scharfsinniger und unerbittlicher Methode der Forschung bewaffnet, hat er für eine Reihe von Fragen die kritische Untersuchung zum Abschluß gebracht. Auch wo er im wesentlichen dieselben Argumente, die ich verwerthet hatte, noch einmal ins Feld führt, zeugt die Art und Weise des Vortrages, die vielfach erweiterte Fülle von Details für die Selbständigkeit und Eigenartig¬ keit der Untersuchung. Gegen die vorliegenden Ausführungen über den Ur¬ sprung des Oktoberediktes von 1807, über das politische Testament Stein's, über die ganze Tendenz Schön's, das Verdienst der preußischen Reformge- setze Stein abzusprechen und sich selbst beizulegen, — gegen alle diese Punkte wird sich schwerlich eine haltbare Einrede vorbringen lassen. Aus den gleich« zeitigen Zeugnissen im 2. Bande des Schön'schen Nachlasses ergeben sich neue Momente, die hergebrachte Auffassung zu stützen. Das ältere, erste Quellen¬ material steht im Widerspruch zu der späteren Erzählung, die Schön zu ver¬ breiten und in Geltung zu erheben sich so außerordentlich bemüht hat. Seit wann Schön diese Tradition in Umlauf zu setzen begonnen — das ist aller¬ dings auch jetzt noch eine offene Frage. Als feststehend können wir nur be¬ zeichnen, daß er 1838 dieselbe in der Selbstbiographie vorgetragen und nieder¬ gezeichnet hat. Daß 1838 als die Abfassungszeit der im 1. Band gedruckten Memoiren anzunehmen, beweist Lehmann mit denselben Gründen, die ich dafür geltend gemacht. *) Daß aber Schön schon vorher auf einzelne Historiker Einfluß ausgeübt, ist wenigstens für Voigt (1832) und fürFriccius (1838) sicher (vgl. Lehmann, S. 126, 127 und meine Bemerkungen Grenzboten S. 166 und 167). Noch weiter zurück lassen sich die Wurzeln der ostpreußischen Lokaltradition über den Schöpfer der Landwehr verfolgen (Lehmann 125); noch unaufklärt dagegen ist es, wann Schön mit seiner polemischen Behandlung der Verdienste Stein's den Anfang gemacht**); hoffen wir, daß Schön's Nachlaß darüber uns Belehrung schafft. I ^ S. 82 war es ihm möglich eine mir gemachte Angabe aus den Ranglisten zu berich¬ tigen. Für die Frage der Abfassungszeit selbst ist dies Datum irrelevant: in den entschei¬ denden Angaben stimmt L. mir vollständig zu. "") Beyme hatte schon 1827 den Schön'schen Melodien präludirt (vgl. s. Brief vom 18. Januar 1827 bei Dorow Denkschriften IV, 28). An Neidern und Verkleinerern hat es Stein niemals gefehlt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/248>, abgerufen am 27.11.2024.