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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Hemsterhuis und die Fürstin Galitzin Gelegenheit, einen Theil dieser Steine
näher zu untersuchen, und bei ihm kann man nachlesen, wie er einen Kopf
des Herkules, einen gegen eine Bachantin etwas zudringlichen Faun, eine
Maske mit langem Bart und zierlich aufgebundenen Haaren, eine auf dem
Löwen reitende Cybele, den einen Greifen aus seiner Felsenhöhle hervorziehenden
Giganten u. a. in. als vorzüglich bezeichnet. Dieselbe Bibliothek, welche die
oben genannte Sammlung herbergt, bewahrt außer vielen sonstigen literarischen
Schätzen besonders interessante Gebetbücher, so die der Maria von Medineh,
der Katharina von Aragonien, vor allem aber das Philipp's des Guten von
Burgund, dessen Grau in Grau gemalte Miniaturen, theilweise wenigstens,
von Hemling sind und darum verdienen, von jedem Kunstfreunde genau be¬
trachtet zu werden.

Eine Residenzstadt ohne Denkmäler wäre ein abnormes Ding. So hat
auch der Haag seine Monumente, und zwar eins auf dem Plein, das "das
dankbare Volk" "dem Vater des Vaterlands", Wilhelm von Oranien errichtet hat.
Es ist von Roy'er entworfen, aber weniger gut ausgeführt: die Haltung des
Fürsten, dessen leise gehobener Finger den "Schweigsamen" deuten soll, ist
tendenziös und schielend. Glücklicher stellt sich das andere Denkmal dar, ein
Reiterbild, welches König Wilhelm II. ebenfalls dem Oranier, seinem großen
Ahnen, -- "Kubernatori Rox" lautet die Inschrift -- auf dem Nordrande
setzen ließ. Letzteres wird von den Palästen zweier Könige eingeschlossen, von
dem des regierenden, ihm gegenüber, und dem des verstorbenen, ihm im
Rücken. Durch ein Gartenthor sieht man zu diesem hinein, das sich in ge¬
lungenen gothischen Style erhebt. Lieber weilt auf ihm das Auge, als aus
seinem Gegenüber und Gegenstück, denn die Residenz des Königs der Nieder¬
lande kann nicht gerade zu den Prachtexemplaren von Königsschlössern ge¬
rechnet werden.

Zwischen beiden Schlössern führt die Straße nach Scheveningen. Noch
erfüllt von dem wirklich Schönen, das man im Haag gesehen, tritt man hinaus
-- und da ist man in dem kleinen Fischerdorfe, und auf einmal ist die Herr¬
lichkeit der Residenz vor ihm erblichen, denn was dort flutet und wallt --
ist das ewige Meer.

Es ist noch sehr früh am Tage. Allein in den ersten Morgenstunden
muß man da hinaus, wenn der Thau aus dem Rasen der Gärten blitzt,
welche zu Anfang die Straße besäumen, wenn die goldnen Sonnenlichter noch
nicht so glühend durch das Ltndendach brechen, das sich in der prachtvollen
dreifachen Allee, welche Karl von Hire angelegt, uns zu Häupten wölbt, und
schon von fern her ein Hauch frischer Seeluft weht. Da geht es sich so
angenehm auf dem glatten Klinkerwege, und ehe man es vermuthet, sieht
man weiße Häuser freundlich durch das Grün schimmern und steht vor dem


Hemsterhuis und die Fürstin Galitzin Gelegenheit, einen Theil dieser Steine
näher zu untersuchen, und bei ihm kann man nachlesen, wie er einen Kopf
des Herkules, einen gegen eine Bachantin etwas zudringlichen Faun, eine
Maske mit langem Bart und zierlich aufgebundenen Haaren, eine auf dem
Löwen reitende Cybele, den einen Greifen aus seiner Felsenhöhle hervorziehenden
Giganten u. a. in. als vorzüglich bezeichnet. Dieselbe Bibliothek, welche die
oben genannte Sammlung herbergt, bewahrt außer vielen sonstigen literarischen
Schätzen besonders interessante Gebetbücher, so die der Maria von Medineh,
der Katharina von Aragonien, vor allem aber das Philipp's des Guten von
Burgund, dessen Grau in Grau gemalte Miniaturen, theilweise wenigstens,
von Hemling sind und darum verdienen, von jedem Kunstfreunde genau be¬
trachtet zu werden.

Eine Residenzstadt ohne Denkmäler wäre ein abnormes Ding. So hat
auch der Haag seine Monumente, und zwar eins auf dem Plein, das „das
dankbare Volk" „dem Vater des Vaterlands", Wilhelm von Oranien errichtet hat.
Es ist von Roy'er entworfen, aber weniger gut ausgeführt: die Haltung des
Fürsten, dessen leise gehobener Finger den „Schweigsamen" deuten soll, ist
tendenziös und schielend. Glücklicher stellt sich das andere Denkmal dar, ein
Reiterbild, welches König Wilhelm II. ebenfalls dem Oranier, seinem großen
Ahnen, — „Kubernatori Rox" lautet die Inschrift — auf dem Nordrande
setzen ließ. Letzteres wird von den Palästen zweier Könige eingeschlossen, von
dem des regierenden, ihm gegenüber, und dem des verstorbenen, ihm im
Rücken. Durch ein Gartenthor sieht man zu diesem hinein, das sich in ge¬
lungenen gothischen Style erhebt. Lieber weilt auf ihm das Auge, als aus
seinem Gegenüber und Gegenstück, denn die Residenz des Königs der Nieder¬
lande kann nicht gerade zu den Prachtexemplaren von Königsschlössern ge¬
rechnet werden.

Zwischen beiden Schlössern führt die Straße nach Scheveningen. Noch
erfüllt von dem wirklich Schönen, das man im Haag gesehen, tritt man hinaus
— und da ist man in dem kleinen Fischerdorfe, und auf einmal ist die Herr¬
lichkeit der Residenz vor ihm erblichen, denn was dort flutet und wallt —
ist das ewige Meer.

Es ist noch sehr früh am Tage. Allein in den ersten Morgenstunden
muß man da hinaus, wenn der Thau aus dem Rasen der Gärten blitzt,
welche zu Anfang die Straße besäumen, wenn die goldnen Sonnenlichter noch
nicht so glühend durch das Ltndendach brechen, das sich in der prachtvollen
dreifachen Allee, welche Karl von Hire angelegt, uns zu Häupten wölbt, und
schon von fern her ein Hauch frischer Seeluft weht. Da geht es sich so
angenehm auf dem glatten Klinkerwege, und ehe man es vermuthet, sieht
man weiße Häuser freundlich durch das Grün schimmern und steht vor dem


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[0232] Hemsterhuis und die Fürstin Galitzin Gelegenheit, einen Theil dieser Steine näher zu untersuchen, und bei ihm kann man nachlesen, wie er einen Kopf des Herkules, einen gegen eine Bachantin etwas zudringlichen Faun, eine Maske mit langem Bart und zierlich aufgebundenen Haaren, eine auf dem Löwen reitende Cybele, den einen Greifen aus seiner Felsenhöhle hervorziehenden Giganten u. a. in. als vorzüglich bezeichnet. Dieselbe Bibliothek, welche die oben genannte Sammlung herbergt, bewahrt außer vielen sonstigen literarischen Schätzen besonders interessante Gebetbücher, so die der Maria von Medineh, der Katharina von Aragonien, vor allem aber das Philipp's des Guten von Burgund, dessen Grau in Grau gemalte Miniaturen, theilweise wenigstens, von Hemling sind und darum verdienen, von jedem Kunstfreunde genau be¬ trachtet zu werden. Eine Residenzstadt ohne Denkmäler wäre ein abnormes Ding. So hat auch der Haag seine Monumente, und zwar eins auf dem Plein, das „das dankbare Volk" „dem Vater des Vaterlands", Wilhelm von Oranien errichtet hat. Es ist von Roy'er entworfen, aber weniger gut ausgeführt: die Haltung des Fürsten, dessen leise gehobener Finger den „Schweigsamen" deuten soll, ist tendenziös und schielend. Glücklicher stellt sich das andere Denkmal dar, ein Reiterbild, welches König Wilhelm II. ebenfalls dem Oranier, seinem großen Ahnen, — „Kubernatori Rox" lautet die Inschrift — auf dem Nordrande setzen ließ. Letzteres wird von den Palästen zweier Könige eingeschlossen, von dem des regierenden, ihm gegenüber, und dem des verstorbenen, ihm im Rücken. Durch ein Gartenthor sieht man zu diesem hinein, das sich in ge¬ lungenen gothischen Style erhebt. Lieber weilt auf ihm das Auge, als aus seinem Gegenüber und Gegenstück, denn die Residenz des Königs der Nieder¬ lande kann nicht gerade zu den Prachtexemplaren von Königsschlössern ge¬ rechnet werden. Zwischen beiden Schlössern führt die Straße nach Scheveningen. Noch erfüllt von dem wirklich Schönen, das man im Haag gesehen, tritt man hinaus — und da ist man in dem kleinen Fischerdorfe, und auf einmal ist die Herr¬ lichkeit der Residenz vor ihm erblichen, denn was dort flutet und wallt — ist das ewige Meer. Es ist noch sehr früh am Tage. Allein in den ersten Morgenstunden muß man da hinaus, wenn der Thau aus dem Rasen der Gärten blitzt, welche zu Anfang die Straße besäumen, wenn die goldnen Sonnenlichter noch nicht so glühend durch das Ltndendach brechen, das sich in der prachtvollen dreifachen Allee, welche Karl von Hire angelegt, uns zu Häupten wölbt, und schon von fern her ein Hauch frischer Seeluft weht. Da geht es sich so angenehm auf dem glatten Klinkerwege, und ehe man es vermuthet, sieht man weiße Häuser freundlich durch das Grün schimmern und steht vor dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/232>, abgerufen am 27.11.2024.