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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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keit täglich zugenommen, ist er doch immer ganz geduldig gewesen, bei guten
Verstand verblieben, wie wohl er zwei Tage blind gelegen. bis ihn endlich
der liebe Gott den Sonntag zwischen 9 und zehn Uhr früh, war der 17.
Aug., seine Angst und Schmerzen verkürzet und ihn durch ein sanftes Seufzer¬
lein aufgelöset und zu sich in sein ewiges Reich aufgenommen, dessen Körper¬
lein der liebe Gott eine sanfte Ruhe und am jüngsten Tag eine fröhliche
Auferstehung verleihen, seine Seele aber in seiner Hand ohne alle Qual bis
M jenen großen Tag erhalten und bewahren und mir auch ein seliges sanftes
Simeonsstündlein verleihen. Amen, Amen, Amen. -- Was ich nun ob diesen
Plötzlichen unverhofften Todesfall meines liebsten einigen Söhnleins wegen
deß ereignenden Gottesfurcht, Verstand und Freundlichkeit und geschöpften
guten Hoffnung vor Kümmerniß und Herzleid empfunden, kann der zum besten
ermessen, welcher dero gleichen Hauskreuz erfahren und ausgestanden. Und
indem ich bei dieser itzigen Unsicherheit und Kriegsgefahr kein Begräbniß an¬
stellen können, hab ich sein verblichen Körperlein den 18. nach Lübben
Zu Wasser bringen und mit Lauten, Singen und gehaltenen Lsrinon von
teutschen viaeono H. Oonraäo ILnisio in sein vor den Altar in der teut¬
schen Kirchen daselbst gemauretes Begräbniß beisetzen und einsenken lassen, da
dann bei ereignender weiniger Sicherheit ihm sein Ehrenbegängniß gehalten
werden soll. -- Dieses mein herzlichstes Söhnlein, welches meine einzige Freude
und Wonne nächst Gott gewesen, ist geboren zu Sora an Sonntag als den
20. x^br. 1639 zwischen 9 und 10 Uhr. den folgenden Sonntag den 27.
I'edr. getaufet. Und den Sonntag früh zwischen 9 und 10 Uhr als den
N. ^.ux. 1642 seliglich entschlafen. Und also alt worden 3 Jahr 25
Wochen 3 Tage. -- Kurz und eine halbe Stunde vor seinen Ende hat er
wie zuvor in dieser Krankheit unterschiedlich gethan, klärlich gesagt: "Nun
Werde ich sterben." Darauf die Fr. Mutter ihn angeredet: "Wild du dann
nicht mehr mein lieb Söhnlein sein?", er geantwortet: "Nein." Und als sie
ihn auf mein Angeben hinwieder gefraget: "Wild du dann des lieben Gottes
Söhnlein sein?", klar geantwortet: "Ja." Welches auch sein letztes Wort
gewesen, und er darauf bald seliglich und sanft durch ein Seufzerlein ver¬
schieden. Nun, Gott tröste mich und meine Liebste in diesen meinen schweren
Kreuz und Betrübniß, verleihe uns Geduld, errette uns aus itziger großer
Kriegesgefahr und bewahre uns vor mehr und größere Betrübniß und gebe
uns auch zu rechter Zeit eine selige Nachfahrt. Amen".

Abgesehen von den eben mitgetheilten biographischen Nachrichten über das
Geschlecht der Planck spiegeln sich in ihrem Tagebuche natürlich auch Sitten
und Bräuche der Zeit in mancherlei Notizen wieder. Freilich ist es ein be¬
schränkter Gesichtskreis, der durchgängig uns entgegentritt: selten nur geschieht
es, daß über die nächstliegenden Familienangelegenheiten hinaufgeblickt wird.


keit täglich zugenommen, ist er doch immer ganz geduldig gewesen, bei guten
Verstand verblieben, wie wohl er zwei Tage blind gelegen. bis ihn endlich
der liebe Gott den Sonntag zwischen 9 und zehn Uhr früh, war der 17.
Aug., seine Angst und Schmerzen verkürzet und ihn durch ein sanftes Seufzer¬
lein aufgelöset und zu sich in sein ewiges Reich aufgenommen, dessen Körper¬
lein der liebe Gott eine sanfte Ruhe und am jüngsten Tag eine fröhliche
Auferstehung verleihen, seine Seele aber in seiner Hand ohne alle Qual bis
M jenen großen Tag erhalten und bewahren und mir auch ein seliges sanftes
Simeonsstündlein verleihen. Amen, Amen, Amen. — Was ich nun ob diesen
Plötzlichen unverhofften Todesfall meines liebsten einigen Söhnleins wegen
deß ereignenden Gottesfurcht, Verstand und Freundlichkeit und geschöpften
guten Hoffnung vor Kümmerniß und Herzleid empfunden, kann der zum besten
ermessen, welcher dero gleichen Hauskreuz erfahren und ausgestanden. Und
indem ich bei dieser itzigen Unsicherheit und Kriegsgefahr kein Begräbniß an¬
stellen können, hab ich sein verblichen Körperlein den 18. nach Lübben
Zu Wasser bringen und mit Lauten, Singen und gehaltenen Lsrinon von
teutschen viaeono H. Oonraäo ILnisio in sein vor den Altar in der teut¬
schen Kirchen daselbst gemauretes Begräbniß beisetzen und einsenken lassen, da
dann bei ereignender weiniger Sicherheit ihm sein Ehrenbegängniß gehalten
werden soll. — Dieses mein herzlichstes Söhnlein, welches meine einzige Freude
und Wonne nächst Gott gewesen, ist geboren zu Sora an Sonntag als den
20. x^br. 1639 zwischen 9 und 10 Uhr. den folgenden Sonntag den 27.
I'edr. getaufet. Und den Sonntag früh zwischen 9 und 10 Uhr als den
N. ^.ux. 1642 seliglich entschlafen. Und also alt worden 3 Jahr 25
Wochen 3 Tage. — Kurz und eine halbe Stunde vor seinen Ende hat er
wie zuvor in dieser Krankheit unterschiedlich gethan, klärlich gesagt: „Nun
Werde ich sterben." Darauf die Fr. Mutter ihn angeredet: „Wild du dann
nicht mehr mein lieb Söhnlein sein?", er geantwortet: „Nein." Und als sie
ihn auf mein Angeben hinwieder gefraget: „Wild du dann des lieben Gottes
Söhnlein sein?", klar geantwortet: „Ja." Welches auch sein letztes Wort
gewesen, und er darauf bald seliglich und sanft durch ein Seufzerlein ver¬
schieden. Nun, Gott tröste mich und meine Liebste in diesen meinen schweren
Kreuz und Betrübniß, verleihe uns Geduld, errette uns aus itziger großer
Kriegesgefahr und bewahre uns vor mehr und größere Betrübniß und gebe
uns auch zu rechter Zeit eine selige Nachfahrt. Amen".

Abgesehen von den eben mitgetheilten biographischen Nachrichten über das
Geschlecht der Planck spiegeln sich in ihrem Tagebuche natürlich auch Sitten
und Bräuche der Zeit in mancherlei Notizen wieder. Freilich ist es ein be¬
schränkter Gesichtskreis, der durchgängig uns entgegentritt: selten nur geschieht
es, daß über die nächstliegenden Familienangelegenheiten hinaufgeblickt wird.


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[0223] keit täglich zugenommen, ist er doch immer ganz geduldig gewesen, bei guten Verstand verblieben, wie wohl er zwei Tage blind gelegen. bis ihn endlich der liebe Gott den Sonntag zwischen 9 und zehn Uhr früh, war der 17. Aug., seine Angst und Schmerzen verkürzet und ihn durch ein sanftes Seufzer¬ lein aufgelöset und zu sich in sein ewiges Reich aufgenommen, dessen Körper¬ lein der liebe Gott eine sanfte Ruhe und am jüngsten Tag eine fröhliche Auferstehung verleihen, seine Seele aber in seiner Hand ohne alle Qual bis M jenen großen Tag erhalten und bewahren und mir auch ein seliges sanftes Simeonsstündlein verleihen. Amen, Amen, Amen. — Was ich nun ob diesen Plötzlichen unverhofften Todesfall meines liebsten einigen Söhnleins wegen deß ereignenden Gottesfurcht, Verstand und Freundlichkeit und geschöpften guten Hoffnung vor Kümmerniß und Herzleid empfunden, kann der zum besten ermessen, welcher dero gleichen Hauskreuz erfahren und ausgestanden. Und indem ich bei dieser itzigen Unsicherheit und Kriegsgefahr kein Begräbniß an¬ stellen können, hab ich sein verblichen Körperlein den 18. nach Lübben Zu Wasser bringen und mit Lauten, Singen und gehaltenen Lsrinon von teutschen viaeono H. Oonraäo ILnisio in sein vor den Altar in der teut¬ schen Kirchen daselbst gemauretes Begräbniß beisetzen und einsenken lassen, da dann bei ereignender weiniger Sicherheit ihm sein Ehrenbegängniß gehalten werden soll. — Dieses mein herzlichstes Söhnlein, welches meine einzige Freude und Wonne nächst Gott gewesen, ist geboren zu Sora an Sonntag als den 20. x^br. 1639 zwischen 9 und 10 Uhr. den folgenden Sonntag den 27. I'edr. getaufet. Und den Sonntag früh zwischen 9 und 10 Uhr als den N. ^.ux. 1642 seliglich entschlafen. Und also alt worden 3 Jahr 25 Wochen 3 Tage. — Kurz und eine halbe Stunde vor seinen Ende hat er wie zuvor in dieser Krankheit unterschiedlich gethan, klärlich gesagt: „Nun Werde ich sterben." Darauf die Fr. Mutter ihn angeredet: „Wild du dann nicht mehr mein lieb Söhnlein sein?", er geantwortet: „Nein." Und als sie ihn auf mein Angeben hinwieder gefraget: „Wild du dann des lieben Gottes Söhnlein sein?", klar geantwortet: „Ja." Welches auch sein letztes Wort gewesen, und er darauf bald seliglich und sanft durch ein Seufzerlein ver¬ schieden. Nun, Gott tröste mich und meine Liebste in diesen meinen schweren Kreuz und Betrübniß, verleihe uns Geduld, errette uns aus itziger großer Kriegesgefahr und bewahre uns vor mehr und größere Betrübniß und gebe uns auch zu rechter Zeit eine selige Nachfahrt. Amen". Abgesehen von den eben mitgetheilten biographischen Nachrichten über das Geschlecht der Planck spiegeln sich in ihrem Tagebuche natürlich auch Sitten und Bräuche der Zeit in mancherlei Notizen wieder. Freilich ist es ein be¬ schränkter Gesichtskreis, der durchgängig uns entgegentritt: selten nur geschieht es, daß über die nächstliegenden Familienangelegenheiten hinaufgeblickt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/223>, abgerufen am 27.11.2024.