Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.Mittelalters heute bei den Karlchen Mießnick außer Mode gekommen ist, so Frankreich, das mit der Copie des englischen Parlamentarismus zweimal Grenzboten II. 1"7". 25
Mittelalters heute bei den Karlchen Mießnick außer Mode gekommen ist, so Frankreich, das mit der Copie des englischen Parlamentarismus zweimal Grenzboten II. 1«7«. 25
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Mittelalters heute bei den Karlchen Mießnick außer Mode gekommen ist, so
find alle ernsten Völker von der Nachahmung des englischen Parlamentaris¬
mus zurückgekommen. Man weiß, daß der englische Parlamentarismus eine
Erscheinung ist, die ihre großen Schattenseiten hat, deren gute Seiten aber
so völlig bedingt sind durch unübertragbare Ergebnisse einer singulären Ent¬
wicklung, daß man die romantische Copie dieser Institution nicht ohne die
Gefahren versuchen kann, denen einst der Ritter von La Manch» zu seinem
Schaden erlag. Man weiß, daß dieses Erliegen im Lichte unsterblichen Humors
ergötzlich sein kann, wenn es ein Individuum betrifft, aber nur allzu tragisch,
Wenn es ein ganzes Volk beträfe.
Frankreich, das mit der Copie des englischen Parlamentarismus zweimal
gescheitert, hat sich zur Republik gewendet, einer Staatsform, die den Vorzug
hat, keine erheuchelten Institutionen zu kennen, wie das parlamentarische
Königthum eine ist, deren persönliche Obrigkeiten vielmehr das Recht haben,
mit ihrer Persönlichkeit wahr und voll für ihre Aufgabe einzutreten. An
der Spitze dieser französischen Republik steht ein Soldat, zu dessen Nachfolger
bereits wieder ein Soldat erkoren ist; 45 Departements dieser Republik werden
oder wurden bis zu dieser Stunde mit dem Belagerungszustand regiert; weil
der Soldat an der Spitze der Republik erklärt, daß das Kriegsministerium
für den parlamentarischen Einfluß ein moti ins tanMrk sein müsse, so wird
der Träger dieses Postens nicht gewechselt im Augenblick einer neuen Ver-
fasfungsbildung und einer totalen Veränderung der regierenden Gewalt. Weil
der Soldat an der Spitze dieser Republik mit einem Ministerium der repu¬
blikanischen Linken nicht regieren zu können erklärt hat, so begnügt sich die
Majorität mit einem Ministerium der konservativen Republikaner, deren
Schattirung gleichwohl die Minderheit der Wahlkammer bildet. Blicken wir
weiter. Im Königreich Italien sehen wir seit dem Tode des großen Ministers,
der als der Schöpfer dieses Staates im Andenken der italienischen Nation
fortleben wird, eine ganze Reihe wechselnder Ministerien. Den Sturz der¬
selben bewirkte allerdings die Kammer, die Einsetzung aber bewirkte und zwar
im ganzen Ernste, nicht bloß im Sinne leerer Ceremonie, die Krone. Ganz
Italien weiß, daß kein Ministerium möglich ist, als ein solches, welches der
König annimmt, und das italienische Volk sucht darin die Bürgschaft, daß
sein Staatswagen in den Bahnen der Möglichkeit mit Besonnenheit und mit
Berücksichtigung der innern und äußern Gesammtverhältnisse gelenkt bleibt.
Das ist unengltsch, unparlamentarisch, aber es ist die Bedingung, unter
Welcher der junge Staat nicht sofort wieder in tausend Stücke geht, und darum
fügt die Nation sich dieser Bedingung, ja fordert dieselbe. Wir brauchen
nicht weiter umherzublicken. Es genügt zu fragen, wo der reine Parlamen¬
tarismus verwirklicht ist, außer in seinem Mutterland und in Belgien? Was
Grenzboten II. 1«7«. 25
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