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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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die Canäle, die auch hier nicht fehlen, erinnern an sie. Aber sie sind breiter
und die zusammengeschobenen Straßen mit den hochgiebligen, schmalen Häusern
haben sich in weniger originelle, aber ansehnliche, mit allem Luxus und Ge¬
schmack moderner Architektur aufgeführte Palastreihen verwandelt. Dazwischen
sind große freie Plätze und verhelfen der Stadt zu einer überraschenden
Ausdehnung. Der holländische Baumschmuck taucht auch hier, jedoch weniger
in zusammenhängenden Alleen, als mehr in vereinzelten, aber reizend geordneten
Gruppen auf.

So gewinnt das Ganze und Einzelne einen unleugbaren großartigen
Anstrich. In einzelnen der breiten schönen Straßen, wie z. B. in der langen
Pooken-, der Spny- und der Vlamingstraat, entwickelt sich ein lebhafter Han¬
delsverkehr, andere wieder haben ein reservirteres, aristokratisches Ansehen. Dies
könnten wir den Kneiterdyk (Häuslingsdamm), dem langen und breiten Voor-
hout (Vorholz), den Noordeinde und den Prinzengruekt vindiziren, aber alle
Schönheit und Eleganz der Residenz eoneentrtrt sich am Vyverberg, der Um¬
gebung des Vyver, eines, wie schon der Name sagt, großen, klaren Teiches,
der so ziemlich in der Mitte der Stadt sich befindet. Eine kleine, mit zier¬
lichen Anlagen geschmückte Insel hebt sich aus ihm empor, Schwäne beleben
da" Wasser, alte, schattige Lindenalleen umsäumen die User und zwischen den
grünen Bäumen schimmern die Faxaden glänzender Paläste vor. Es ist in der
That ein wunderschöner Platz, wie ihn in dieser Zusammenstellung wenig
Städte aufzuweisen haben. Am'meisten erinnert er an den Schloßteich von
Königsberg, aber die Vyver hat auch ein wenig von den Schönheitsfolien
anderer Hauptstädte, ein wenig Alsterbasstn, ein wenig Linden und auch ein
Stückchen von den Boulevards.

Auf drei Seiten des Vyvers hat sich in den Schlössern der Prinzen, den
Palästen der Minister, Gesandten u. s. w. die Gegenwart niedergelassen, da
macht es einen eigenthümlichen Eindruck, die vierte, die Südseite, von einem
unversehrten Stück Mittelalter begrenzt zu sehen. Dort erhebt sich nämlich
eine unregelmässige Masse hochgemauerter, zinnengekrönter Gebäude, ein großes
Viereck umschließend, festungsartig, von tiefen Gräben umzogen, über welche
Zugbrücken führen -- auf den ersten Blick einer andern Zeit, einer anderen Ge¬
schichte angehörig erscheinend --einer trotzigeren Zeit und einer größeren Geschichte.

Holland hat eine Geschichte gelebt, wie sie der Herr der Geschichte weni¬
gen Staaten vergönnt hat. Aber es hat sie gelebt; die großen Zeiten Hol-
lands gehören der Vergangenheit an. An die Aktionen der Gegenwart hat
es wenig oder gar kein Recht mehr. Das äußere Landesgepräge ist noch
dasselbe wie zuvor. Die großen Straßen in Amsterdam dehnen sich mit ihren
Canälen, Häuser- und Baumreihen noch in derselben Stattlichkeit hin, wie in
jenen Tagen, da de Ruyter's siegreiche Flotte unmittelbar von der Themse in


die Canäle, die auch hier nicht fehlen, erinnern an sie. Aber sie sind breiter
und die zusammengeschobenen Straßen mit den hochgiebligen, schmalen Häusern
haben sich in weniger originelle, aber ansehnliche, mit allem Luxus und Ge¬
schmack moderner Architektur aufgeführte Palastreihen verwandelt. Dazwischen
sind große freie Plätze und verhelfen der Stadt zu einer überraschenden
Ausdehnung. Der holländische Baumschmuck taucht auch hier, jedoch weniger
in zusammenhängenden Alleen, als mehr in vereinzelten, aber reizend geordneten
Gruppen auf.

So gewinnt das Ganze und Einzelne einen unleugbaren großartigen
Anstrich. In einzelnen der breiten schönen Straßen, wie z. B. in der langen
Pooken-, der Spny- und der Vlamingstraat, entwickelt sich ein lebhafter Han¬
delsverkehr, andere wieder haben ein reservirteres, aristokratisches Ansehen. Dies
könnten wir den Kneiterdyk (Häuslingsdamm), dem langen und breiten Voor-
hout (Vorholz), den Noordeinde und den Prinzengruekt vindiziren, aber alle
Schönheit und Eleganz der Residenz eoneentrtrt sich am Vyverberg, der Um¬
gebung des Vyver, eines, wie schon der Name sagt, großen, klaren Teiches,
der so ziemlich in der Mitte der Stadt sich befindet. Eine kleine, mit zier¬
lichen Anlagen geschmückte Insel hebt sich aus ihm empor, Schwäne beleben
da« Wasser, alte, schattige Lindenalleen umsäumen die User und zwischen den
grünen Bäumen schimmern die Faxaden glänzender Paläste vor. Es ist in der
That ein wunderschöner Platz, wie ihn in dieser Zusammenstellung wenig
Städte aufzuweisen haben. Am'meisten erinnert er an den Schloßteich von
Königsberg, aber die Vyver hat auch ein wenig von den Schönheitsfolien
anderer Hauptstädte, ein wenig Alsterbasstn, ein wenig Linden und auch ein
Stückchen von den Boulevards.

Auf drei Seiten des Vyvers hat sich in den Schlössern der Prinzen, den
Palästen der Minister, Gesandten u. s. w. die Gegenwart niedergelassen, da
macht es einen eigenthümlichen Eindruck, die vierte, die Südseite, von einem
unversehrten Stück Mittelalter begrenzt zu sehen. Dort erhebt sich nämlich
eine unregelmässige Masse hochgemauerter, zinnengekrönter Gebäude, ein großes
Viereck umschließend, festungsartig, von tiefen Gräben umzogen, über welche
Zugbrücken führen — auf den ersten Blick einer andern Zeit, einer anderen Ge¬
schichte angehörig erscheinend —einer trotzigeren Zeit und einer größeren Geschichte.

Holland hat eine Geschichte gelebt, wie sie der Herr der Geschichte weni¬
gen Staaten vergönnt hat. Aber es hat sie gelebt; die großen Zeiten Hol-
lands gehören der Vergangenheit an. An die Aktionen der Gegenwart hat
es wenig oder gar kein Recht mehr. Das äußere Landesgepräge ist noch
dasselbe wie zuvor. Die großen Straßen in Amsterdam dehnen sich mit ihren
Canälen, Häuser- und Baumreihen noch in derselben Stattlichkeit hin, wie in
jenen Tagen, da de Ruyter's siegreiche Flotte unmittelbar von der Themse in


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[0193] die Canäle, die auch hier nicht fehlen, erinnern an sie. Aber sie sind breiter und die zusammengeschobenen Straßen mit den hochgiebligen, schmalen Häusern haben sich in weniger originelle, aber ansehnliche, mit allem Luxus und Ge¬ schmack moderner Architektur aufgeführte Palastreihen verwandelt. Dazwischen sind große freie Plätze und verhelfen der Stadt zu einer überraschenden Ausdehnung. Der holländische Baumschmuck taucht auch hier, jedoch weniger in zusammenhängenden Alleen, als mehr in vereinzelten, aber reizend geordneten Gruppen auf. So gewinnt das Ganze und Einzelne einen unleugbaren großartigen Anstrich. In einzelnen der breiten schönen Straßen, wie z. B. in der langen Pooken-, der Spny- und der Vlamingstraat, entwickelt sich ein lebhafter Han¬ delsverkehr, andere wieder haben ein reservirteres, aristokratisches Ansehen. Dies könnten wir den Kneiterdyk (Häuslingsdamm), dem langen und breiten Voor- hout (Vorholz), den Noordeinde und den Prinzengruekt vindiziren, aber alle Schönheit und Eleganz der Residenz eoneentrtrt sich am Vyverberg, der Um¬ gebung des Vyver, eines, wie schon der Name sagt, großen, klaren Teiches, der so ziemlich in der Mitte der Stadt sich befindet. Eine kleine, mit zier¬ lichen Anlagen geschmückte Insel hebt sich aus ihm empor, Schwäne beleben da« Wasser, alte, schattige Lindenalleen umsäumen die User und zwischen den grünen Bäumen schimmern die Faxaden glänzender Paläste vor. Es ist in der That ein wunderschöner Platz, wie ihn in dieser Zusammenstellung wenig Städte aufzuweisen haben. Am'meisten erinnert er an den Schloßteich von Königsberg, aber die Vyver hat auch ein wenig von den Schönheitsfolien anderer Hauptstädte, ein wenig Alsterbasstn, ein wenig Linden und auch ein Stückchen von den Boulevards. Auf drei Seiten des Vyvers hat sich in den Schlössern der Prinzen, den Palästen der Minister, Gesandten u. s. w. die Gegenwart niedergelassen, da macht es einen eigenthümlichen Eindruck, die vierte, die Südseite, von einem unversehrten Stück Mittelalter begrenzt zu sehen. Dort erhebt sich nämlich eine unregelmässige Masse hochgemauerter, zinnengekrönter Gebäude, ein großes Viereck umschließend, festungsartig, von tiefen Gräben umzogen, über welche Zugbrücken führen — auf den ersten Blick einer andern Zeit, einer anderen Ge¬ schichte angehörig erscheinend —einer trotzigeren Zeit und einer größeren Geschichte. Holland hat eine Geschichte gelebt, wie sie der Herr der Geschichte weni¬ gen Staaten vergönnt hat. Aber es hat sie gelebt; die großen Zeiten Hol- lands gehören der Vergangenheit an. An die Aktionen der Gegenwart hat es wenig oder gar kein Recht mehr. Das äußere Landesgepräge ist noch dasselbe wie zuvor. Die großen Straßen in Amsterdam dehnen sich mit ihren Canälen, Häuser- und Baumreihen noch in derselben Stattlichkeit hin, wie in jenen Tagen, da de Ruyter's siegreiche Flotte unmittelbar von der Themse in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/193>, abgerufen am 27.11.2024.