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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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wirkenden Gottes schon zur Voraussetzung, nimmt also von vornherein als
feststehend an, was zu beweisen ist. Somit aber ist es der Philosophie allein
vorbehalten, in wahrhaft wissenschaftlicher Weise zu entscheiden, ob wir die
Theologie oder den Mechanismus der Materialisten zum Prinzip unsrer Natur¬
betrachtung machen sollen. Ist diese Frage, soweit es der menschlichen Ver¬
nunft möglich, gelöst, so schauen wir herab auf die Erscheinungen und be-
richtigen die Induction durch die Deduetton.


David Friedrich Strauß und sein letztes Werk. Ein Vortrag von
Dr. Carl Schwarz. Gotha, Thiemann, 1876.

Eine nach Inhalt wie Form vorzügliche Charakteristik des berühmten
Theologen und seiner letzten unglücklichen Schrift "der alte und der neue
Glaube", die namentlich in ihrer zweiten Hälfte eine fast klägliche Leistung
war. Mit großer Schärfe und in glänzender Sprache widerlegt der Verfasser
die Behauptungen jenes Buches, so weit sie zu widerlegen sind, zeigt er die
vielfachen Widersprüche desselben auf und macht er auf die Selbstironie auf¬
merksam, die schon in dem Titel "der alte und der neue Glaube liegt.
"Man hätte erwarten sollen," sagt er treffend, "daß das neue Wissen dem
alten Glauben entgegengesetzt wäre. Nun aber ist es doch wieder ein neuer
Glaube -- ein Glaube nicht mehr an den lebendigen Gott, oder an Christus,
den Führer zu ihm, nein, ein Glaube an die neuesten naturwissenschaftlichen
Hypothesen. Es ist ein Glaube an den kosmischen Nebel von Laplace und
Kant, an die Auslesehypothese in dem Kampfe ums Dasein Darwin's, an
die Affengenealogien Häckel's. Hier ist ein Glaube nicht an Wahrheiten,
sondern an Vermuthungen, die, so scharfsinnig sie auch sein mögen, nichts
weniger als unbestritten sind und vielfacher erst noch aufzufindender Zwischen¬
glieder bedürfen, um sich zur festen Kette zusammenzuschließen. Und während
Strauß sich nicht scheut, das lästernde Wort auszusprechen, daß die Aufer¬
stehungsgeschichte ein weltgeschichtlicher Humbug sei, scheint er keine Ahnung
zu haben von all den abenteuerlichen und gewaltsamen Constructionen, von
all dem naturwissenschaftlichen Humbug, von all den schwindelhafter Phan¬
tasien seines Freundes Häckel, die er mit so großer Unfehlbarkeit und so
burschikoser Keckheit verkündigt."





In dem Artikel "Die Socialdemokratie und die deutsche Presse", II. 12, find
mehrere sinnstörende Druckfehler vorgekommen, u. A. Seite 95. Zeile 1l von unten soll es
heißen: "die numerische Stärke der Partei" (nicht die "unmoralische"); S. 98. Z. 15 von
unten soll es heißen: "der deutschen socialdemokratischen Agitation" (nicht "undeutschen");
Z. 3 v. unten: Original"rb eilen anstatt "Originalausgaben"; S. 99. Z. 15 von unten
"welcher vielleicht schon in dieser G enerati on alle anderen politischen Fragen in den Hinter¬
grund drängen könnte" anstatt "schon dieser Operation".




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. -- Druck von Hüthcl "- Herrmann in Leipzig.

wirkenden Gottes schon zur Voraussetzung, nimmt also von vornherein als
feststehend an, was zu beweisen ist. Somit aber ist es der Philosophie allein
vorbehalten, in wahrhaft wissenschaftlicher Weise zu entscheiden, ob wir die
Theologie oder den Mechanismus der Materialisten zum Prinzip unsrer Natur¬
betrachtung machen sollen. Ist diese Frage, soweit es der menschlichen Ver¬
nunft möglich, gelöst, so schauen wir herab auf die Erscheinungen und be-
richtigen die Induction durch die Deduetton.


David Friedrich Strauß und sein letztes Werk. Ein Vortrag von
Dr. Carl Schwarz. Gotha, Thiemann, 1876.

Eine nach Inhalt wie Form vorzügliche Charakteristik des berühmten
Theologen und seiner letzten unglücklichen Schrift „der alte und der neue
Glaube", die namentlich in ihrer zweiten Hälfte eine fast klägliche Leistung
war. Mit großer Schärfe und in glänzender Sprache widerlegt der Verfasser
die Behauptungen jenes Buches, so weit sie zu widerlegen sind, zeigt er die
vielfachen Widersprüche desselben auf und macht er auf die Selbstironie auf¬
merksam, die schon in dem Titel „der alte und der neue Glaube liegt.
„Man hätte erwarten sollen," sagt er treffend, „daß das neue Wissen dem
alten Glauben entgegengesetzt wäre. Nun aber ist es doch wieder ein neuer
Glaube — ein Glaube nicht mehr an den lebendigen Gott, oder an Christus,
den Führer zu ihm, nein, ein Glaube an die neuesten naturwissenschaftlichen
Hypothesen. Es ist ein Glaube an den kosmischen Nebel von Laplace und
Kant, an die Auslesehypothese in dem Kampfe ums Dasein Darwin's, an
die Affengenealogien Häckel's. Hier ist ein Glaube nicht an Wahrheiten,
sondern an Vermuthungen, die, so scharfsinnig sie auch sein mögen, nichts
weniger als unbestritten sind und vielfacher erst noch aufzufindender Zwischen¬
glieder bedürfen, um sich zur festen Kette zusammenzuschließen. Und während
Strauß sich nicht scheut, das lästernde Wort auszusprechen, daß die Aufer¬
stehungsgeschichte ein weltgeschichtlicher Humbug sei, scheint er keine Ahnung
zu haben von all den abenteuerlichen und gewaltsamen Constructionen, von
all dem naturwissenschaftlichen Humbug, von all den schwindelhafter Phan¬
tasien seines Freundes Häckel, die er mit so großer Unfehlbarkeit und so
burschikoser Keckheit verkündigt."





In dem Artikel „Die Socialdemokratie und die deutsche Presse", II. 12, find
mehrere sinnstörende Druckfehler vorgekommen, u. A. Seite 95. Zeile 1l von unten soll es
heißen: „die numerische Stärke der Partei" (nicht die „unmoralische"); S. 98. Z. 15 von
unten soll es heißen: „der deutschen socialdemokratischen Agitation" (nicht „undeutschen");
Z. 3 v. unten: Original«rb eilen anstatt „Originalausgaben"; S. 99. Z. 15 von unten
„welcher vielleicht schon in dieser G enerati on alle anderen politischen Fragen in den Hinter¬
grund drängen könnte" anstatt „schon dieser Operation".




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl «- Herrmann in Leipzig.
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[0164] wirkenden Gottes schon zur Voraussetzung, nimmt also von vornherein als feststehend an, was zu beweisen ist. Somit aber ist es der Philosophie allein vorbehalten, in wahrhaft wissenschaftlicher Weise zu entscheiden, ob wir die Theologie oder den Mechanismus der Materialisten zum Prinzip unsrer Natur¬ betrachtung machen sollen. Ist diese Frage, soweit es der menschlichen Ver¬ nunft möglich, gelöst, so schauen wir herab auf die Erscheinungen und be- richtigen die Induction durch die Deduetton. David Friedrich Strauß und sein letztes Werk. Ein Vortrag von Dr. Carl Schwarz. Gotha, Thiemann, 1876. Eine nach Inhalt wie Form vorzügliche Charakteristik des berühmten Theologen und seiner letzten unglücklichen Schrift „der alte und der neue Glaube", die namentlich in ihrer zweiten Hälfte eine fast klägliche Leistung war. Mit großer Schärfe und in glänzender Sprache widerlegt der Verfasser die Behauptungen jenes Buches, so weit sie zu widerlegen sind, zeigt er die vielfachen Widersprüche desselben auf und macht er auf die Selbstironie auf¬ merksam, die schon in dem Titel „der alte und der neue Glaube liegt. „Man hätte erwarten sollen," sagt er treffend, „daß das neue Wissen dem alten Glauben entgegengesetzt wäre. Nun aber ist es doch wieder ein neuer Glaube — ein Glaube nicht mehr an den lebendigen Gott, oder an Christus, den Führer zu ihm, nein, ein Glaube an die neuesten naturwissenschaftlichen Hypothesen. Es ist ein Glaube an den kosmischen Nebel von Laplace und Kant, an die Auslesehypothese in dem Kampfe ums Dasein Darwin's, an die Affengenealogien Häckel's. Hier ist ein Glaube nicht an Wahrheiten, sondern an Vermuthungen, die, so scharfsinnig sie auch sein mögen, nichts weniger als unbestritten sind und vielfacher erst noch aufzufindender Zwischen¬ glieder bedürfen, um sich zur festen Kette zusammenzuschließen. Und während Strauß sich nicht scheut, das lästernde Wort auszusprechen, daß die Aufer¬ stehungsgeschichte ein weltgeschichtlicher Humbug sei, scheint er keine Ahnung zu haben von all den abenteuerlichen und gewaltsamen Constructionen, von all dem naturwissenschaftlichen Humbug, von all den schwindelhafter Phan¬ tasien seines Freundes Häckel, die er mit so großer Unfehlbarkeit und so burschikoser Keckheit verkündigt." In dem Artikel „Die Socialdemokratie und die deutsche Presse", II. 12, find mehrere sinnstörende Druckfehler vorgekommen, u. A. Seite 95. Zeile 1l von unten soll es heißen: „die numerische Stärke der Partei" (nicht die „unmoralische"); S. 98. Z. 15 von unten soll es heißen: „der deutschen socialdemokratischen Agitation" (nicht „undeutschen"); Z. 3 v. unten: Original«rb eilen anstatt „Originalausgaben"; S. 99. Z. 15 von unten „welcher vielleicht schon in dieser G enerati on alle anderen politischen Fragen in den Hinter¬ grund drängen könnte" anstatt „schon dieser Operation". Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl «- Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/164>, abgerufen am 27.11.2024.