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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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und zwar nicht nebenbei und für gewisse Kreise, sondern allgemein von Kin¬
desbeinen an. Die Mathematik giebt eine weit bessere formale Bildung als
die Sprachen, aber namentlich eine Selbständigkeit des Urtheils, welche durch
nichts zu ersetzen ist." Die Schrift versucht dann ausführlich zu zeigen, mit
welchen Mitteln die Schule diese Selbstständigkeit zu wecken und zu fördern
hat. indem sie sich, gestützt auf die Thatsachen der neueren Naturforschung und
auf die kritische Untersuchung unseres Geisteslebens nach naturwissenschaftli¬
cher Methode zunächst über Religion und Glauben. Unsterblichkeit. Willens¬
freiheit u. tgi., die christliche Ethik, die Zukunft der Kirche, die ästhetische Welt-
anstcht, die Bedeutung der Kunst verbreitet, dann zu gewissen Fragen der
Naturwissenschaft übergeht und schließlich sich mit den Hauptpunkten dessen
beschäftigt, was der Verfasser aus der Erziehung entfernt oder in dieselbe auf¬
genommen zu sehen wünscht. Vieles von den Resultaten, zu denen die Schrift
gelangt, ist recht ansprechend; in der Hauptsache aber wird Herr Hattler mit
seinen Ideen schwerlich durchdringen, und der Gedanke, die Religion in den
Schulen durch die Mathematik zu ersetzen, kommt uns geradezu grotesk vor.


Der Angriff eines Materialisten auf den Glauben an Gott, besprochen
von Dr. I. I. Doedes. Uebersetzt von Dr. W. Weißenbach. Jena, Verlag von
Hermann Dufft, 1875.

Der Materialist ist der bekannte Büchner, der Verfasser von "Kraft und
Stoff", und der Vertheidiger des Gottesglaubens Professor der Theologie in
Utrecht. Für philosophisch gebildete Leser ist das seichte Gerede des Herrn
Büchner nicht gefährlich, aber für den nicht streng Geschulten können seine
Deductionen verhängnißvoll werden, zumal er sie immer im Tone wissen¬
schaftlicher Unfehlbarkeit vorträgt und seine Aussprüche für Erfahrungsthat,
sachen ausgiebt, an die der Zweifel nicht heranreicht. Der holländische Theo-
^g geht bei seiner Abwehr des materialistischen Angriffs auf den Glauben
an Gott rein sachlich zu Werke, er operirt mit wirklichen Gründen und be¬
wahrt dem Schimpfen des Gegners gegenüber würdige Ruhe und maßvolle
Selbstbeherrschung, und diese vornehme Haltung macht an sich schon den Ein¬
druck, daß es keine schlechte Sache sein kann, die er vertheidigt. Indem wir
noch hinzufügen, daß die kleine Schrift bei aller wissenschaftlichen Strenge
auch den Vorzug einer übersichtlichen und allgemein verständlichen Darstellungs¬
weise besitzt, wollen wir dieselbe bestens empfohlen haben.


Teleologie und Naturalismus in der altchristlichen Zeit dargestellt
von Dr. A. Kind. Jena, Hermann Dufft. 1875.

Die Frage, ob Zweckmäßigkeit in der Natur existirt oder mit andern
Worten, ob die Mannichfaltigkeit der Welt von vornherein auf ein einheit-


und zwar nicht nebenbei und für gewisse Kreise, sondern allgemein von Kin¬
desbeinen an. Die Mathematik giebt eine weit bessere formale Bildung als
die Sprachen, aber namentlich eine Selbständigkeit des Urtheils, welche durch
nichts zu ersetzen ist." Die Schrift versucht dann ausführlich zu zeigen, mit
welchen Mitteln die Schule diese Selbstständigkeit zu wecken und zu fördern
hat. indem sie sich, gestützt auf die Thatsachen der neueren Naturforschung und
auf die kritische Untersuchung unseres Geisteslebens nach naturwissenschaftli¬
cher Methode zunächst über Religion und Glauben. Unsterblichkeit. Willens¬
freiheit u. tgi., die christliche Ethik, die Zukunft der Kirche, die ästhetische Welt-
anstcht, die Bedeutung der Kunst verbreitet, dann zu gewissen Fragen der
Naturwissenschaft übergeht und schließlich sich mit den Hauptpunkten dessen
beschäftigt, was der Verfasser aus der Erziehung entfernt oder in dieselbe auf¬
genommen zu sehen wünscht. Vieles von den Resultaten, zu denen die Schrift
gelangt, ist recht ansprechend; in der Hauptsache aber wird Herr Hattler mit
seinen Ideen schwerlich durchdringen, und der Gedanke, die Religion in den
Schulen durch die Mathematik zu ersetzen, kommt uns geradezu grotesk vor.


Der Angriff eines Materialisten auf den Glauben an Gott, besprochen
von Dr. I. I. Doedes. Uebersetzt von Dr. W. Weißenbach. Jena, Verlag von
Hermann Dufft, 1875.

Der Materialist ist der bekannte Büchner, der Verfasser von „Kraft und
Stoff", und der Vertheidiger des Gottesglaubens Professor der Theologie in
Utrecht. Für philosophisch gebildete Leser ist das seichte Gerede des Herrn
Büchner nicht gefährlich, aber für den nicht streng Geschulten können seine
Deductionen verhängnißvoll werden, zumal er sie immer im Tone wissen¬
schaftlicher Unfehlbarkeit vorträgt und seine Aussprüche für Erfahrungsthat,
sachen ausgiebt, an die der Zweifel nicht heranreicht. Der holländische Theo-
^g geht bei seiner Abwehr des materialistischen Angriffs auf den Glauben
an Gott rein sachlich zu Werke, er operirt mit wirklichen Gründen und be¬
wahrt dem Schimpfen des Gegners gegenüber würdige Ruhe und maßvolle
Selbstbeherrschung, und diese vornehme Haltung macht an sich schon den Ein¬
druck, daß es keine schlechte Sache sein kann, die er vertheidigt. Indem wir
noch hinzufügen, daß die kleine Schrift bei aller wissenschaftlichen Strenge
auch den Vorzug einer übersichtlichen und allgemein verständlichen Darstellungs¬
weise besitzt, wollen wir dieselbe bestens empfohlen haben.


Teleologie und Naturalismus in der altchristlichen Zeit dargestellt
von Dr. A. Kind. Jena, Hermann Dufft. 1875.

Die Frage, ob Zweckmäßigkeit in der Natur existirt oder mit andern
Worten, ob die Mannichfaltigkeit der Welt von vornherein auf ein einheit-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/161>, abgerufen am 27.11.2024.