Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch die einheimische Bevölkerung schwärmt und träumt beim Anbruch
der neuen Jahreszeit von kommenden, glücklichern Zeiten -- davon gleichfalls
ein Pröbchen. Vor einigen Wochen brachte sowohl das "Journal ä'^Isaek,"
als der "Inüustriel ^Isaeien" eine Note, die wenn auch nicht von einem
rechts- und sachkundigen, so doch jedenfalls für die verfassungsmäßige Fort¬
entwicklung seines engern Heimathslandes glühenden Patrioten stammt und
sich über einige "in Elsaß-Lothringen einzuführende Reformen" ausläßt. Es
ist da von einem Ministerium die Rede, welches die Geschäfte des Oberprä¬
sidiums und der elsaß-Lothringischen Abtheilung im Reichskanzleramte absor-
biren, seinen Sitz in Straßburg nehmen und dem Lande gegenüber volle Ver¬
antwortlichkeit übernehmen solle. Der Verfasser meint jedoch, daß es besser
wäre, die Vollmachten des Oberpräsidiums in reichem Maße zu vermehren
durch die Ertheilung von Befugnissen, die gegenwärtig in Berlin ausgeübt
werden, anstatt ein solches Ministerium für Elsaß-Lothringen in Berlin zu
errichten. Er macht ferner darauf aufmerksam, daß das Reichsland keine
Vertretung im Bundesrathe besitze, daß seine Interessen der Würdigung der
Vertreter der übrigen Staaten des deutschen Reiches unterworfen und es folg¬
lich, denselben gegenüber eine abhängige Stellung einnehmen müsse, statt auf
gleichem, verfassungsmäßigen Fuße mit ihnen zu stehen. Er wünscht daher,
daß Elsaß-Lothringen im Bundesrathe von drei Mitgliedern vertreten werde,
welche der Kaiser auf Vorschlag des Landesausschusses ernennen
solle; sowie endlich, daß die Entschließungen des Landes-Ausschußes bloß
dann dem Reichstage vorgelegt werden sollen, wenn die Regierung sie be¬
streitet, daß aber im entgegengesetzten Falle diese Entschließungen als end¬
gültig angenommen werden möchten.

Das "Elsässer Journal," welches diese immerhin an maßgebender Stelle
beachtenswerthe Note seither in mehreren Artikeln commentirt hat, macht da¬
bei auf die anormale Stellung Elsaß-Lothringens im deutschen Reiche, als
Reichslandes ^oxH" aufmerksam, worüber es wohl am Besten in der
präzisen und klaren Darstellung dieses Verhältnisses am Schlüsse des I. Bandes
des verdienstvollen Werkes über das "Staatsrecht des Deutschen Reiches" von
dem Straßburger Professor Paul Laband Aufklärung finden dürfte. Es
wird Sache der Central-Regierung sein, sich über die Möglichkeit und Aus¬
führbarkeit derartiger ganz gewiß aus dem Interesse für das Wohl des Landes
hervorgegangener Wünsche auszusprechen und schlüssig zu machen. Eine vor¬
läufige Antwort auf diese Ausführungen in der "Straßb. Zeitung" macht
dem Verfasser zum Vorwurf, daß er sich nicht genügend über die staats¬
rechtliche Stellung des Reichslandes informire habe. Das Reichsland sei nicht,
wie Bayern, Sachsen u. s. w. "Mitglied" des Reiches mit den dieser Stel¬
lung entsprechenden Rechten, sondern vielmehr nur ein Verwaltungsge-


Auch die einheimische Bevölkerung schwärmt und träumt beim Anbruch
der neuen Jahreszeit von kommenden, glücklichern Zeiten — davon gleichfalls
ein Pröbchen. Vor einigen Wochen brachte sowohl das „Journal ä'^Isaek,"
als der „Inüustriel ^Isaeien" eine Note, die wenn auch nicht von einem
rechts- und sachkundigen, so doch jedenfalls für die verfassungsmäßige Fort¬
entwicklung seines engern Heimathslandes glühenden Patrioten stammt und
sich über einige „in Elsaß-Lothringen einzuführende Reformen" ausläßt. Es
ist da von einem Ministerium die Rede, welches die Geschäfte des Oberprä¬
sidiums und der elsaß-Lothringischen Abtheilung im Reichskanzleramte absor-
biren, seinen Sitz in Straßburg nehmen und dem Lande gegenüber volle Ver¬
antwortlichkeit übernehmen solle. Der Verfasser meint jedoch, daß es besser
wäre, die Vollmachten des Oberpräsidiums in reichem Maße zu vermehren
durch die Ertheilung von Befugnissen, die gegenwärtig in Berlin ausgeübt
werden, anstatt ein solches Ministerium für Elsaß-Lothringen in Berlin zu
errichten. Er macht ferner darauf aufmerksam, daß das Reichsland keine
Vertretung im Bundesrathe besitze, daß seine Interessen der Würdigung der
Vertreter der übrigen Staaten des deutschen Reiches unterworfen und es folg¬
lich, denselben gegenüber eine abhängige Stellung einnehmen müsse, statt auf
gleichem, verfassungsmäßigen Fuße mit ihnen zu stehen. Er wünscht daher,
daß Elsaß-Lothringen im Bundesrathe von drei Mitgliedern vertreten werde,
welche der Kaiser auf Vorschlag des Landesausschusses ernennen
solle; sowie endlich, daß die Entschließungen des Landes-Ausschußes bloß
dann dem Reichstage vorgelegt werden sollen, wenn die Regierung sie be¬
streitet, daß aber im entgegengesetzten Falle diese Entschließungen als end¬
gültig angenommen werden möchten.

Das „Elsässer Journal," welches diese immerhin an maßgebender Stelle
beachtenswerthe Note seither in mehreren Artikeln commentirt hat, macht da¬
bei auf die anormale Stellung Elsaß-Lothringens im deutschen Reiche, als
Reichslandes ^oxH" aufmerksam, worüber es wohl am Besten in der
präzisen und klaren Darstellung dieses Verhältnisses am Schlüsse des I. Bandes
des verdienstvollen Werkes über das „Staatsrecht des Deutschen Reiches" von
dem Straßburger Professor Paul Laband Aufklärung finden dürfte. Es
wird Sache der Central-Regierung sein, sich über die Möglichkeit und Aus¬
führbarkeit derartiger ganz gewiß aus dem Interesse für das Wohl des Landes
hervorgegangener Wünsche auszusprechen und schlüssig zu machen. Eine vor¬
läufige Antwort auf diese Ausführungen in der „Straßb. Zeitung" macht
dem Verfasser zum Vorwurf, daß er sich nicht genügend über die staats¬
rechtliche Stellung des Reichslandes informire habe. Das Reichsland sei nicht,
wie Bayern, Sachsen u. s. w. „Mitglied" des Reiches mit den dieser Stel¬
lung entsprechenden Rechten, sondern vielmehr nur ein Verwaltungsge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135735"/>
          <p xml:id="ID_531"> Auch die einheimische Bevölkerung schwärmt und träumt beim Anbruch<lb/>
der neuen Jahreszeit von kommenden, glücklichern Zeiten &#x2014; davon gleichfalls<lb/>
ein Pröbchen. Vor einigen Wochen brachte sowohl das &#x201E;Journal ä'^Isaek,"<lb/>
als der &#x201E;Inüustriel ^Isaeien" eine Note, die wenn auch nicht von einem<lb/>
rechts- und sachkundigen, so doch jedenfalls für die verfassungsmäßige Fort¬<lb/>
entwicklung seines engern Heimathslandes glühenden Patrioten stammt und<lb/>
sich über einige &#x201E;in Elsaß-Lothringen einzuführende Reformen" ausläßt. Es<lb/>
ist da von einem Ministerium die Rede, welches die Geschäfte des Oberprä¬<lb/>
sidiums und der elsaß-Lothringischen Abtheilung im Reichskanzleramte absor-<lb/>
biren, seinen Sitz in Straßburg nehmen und dem Lande gegenüber volle Ver¬<lb/>
antwortlichkeit übernehmen solle. Der Verfasser meint jedoch, daß es besser<lb/>
wäre, die Vollmachten des Oberpräsidiums in reichem Maße zu vermehren<lb/>
durch die Ertheilung von Befugnissen, die gegenwärtig in Berlin ausgeübt<lb/>
werden, anstatt ein solches Ministerium für Elsaß-Lothringen in Berlin zu<lb/>
errichten. Er macht ferner darauf aufmerksam, daß das Reichsland keine<lb/>
Vertretung im Bundesrathe besitze, daß seine Interessen der Würdigung der<lb/>
Vertreter der übrigen Staaten des deutschen Reiches unterworfen und es folg¬<lb/>
lich, denselben gegenüber eine abhängige Stellung einnehmen müsse, statt auf<lb/>
gleichem, verfassungsmäßigen Fuße mit ihnen zu stehen. Er wünscht daher,<lb/>
daß Elsaß-Lothringen im Bundesrathe von drei Mitgliedern vertreten werde,<lb/>
welche der Kaiser auf Vorschlag des Landesausschusses ernennen<lb/>
solle; sowie endlich, daß die Entschließungen des Landes-Ausschußes bloß<lb/>
dann dem Reichstage vorgelegt werden sollen, wenn die Regierung sie be¬<lb/>
streitet, daß aber im entgegengesetzten Falle diese Entschließungen als end¬<lb/>
gültig angenommen werden möchten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> Das &#x201E;Elsässer Journal," welches diese immerhin an maßgebender Stelle<lb/>
beachtenswerthe Note seither in mehreren Artikeln commentirt hat, macht da¬<lb/>
bei auf die anormale Stellung Elsaß-Lothringens im deutschen Reiche, als<lb/>
Reichslandes ^oxH" aufmerksam, worüber es wohl am Besten in der<lb/>
präzisen und klaren Darstellung dieses Verhältnisses am Schlüsse des I. Bandes<lb/>
des verdienstvollen Werkes über das &#x201E;Staatsrecht des Deutschen Reiches" von<lb/>
dem Straßburger Professor Paul Laband Aufklärung finden dürfte. Es<lb/>
wird Sache der Central-Regierung sein, sich über die Möglichkeit und Aus¬<lb/>
führbarkeit derartiger ganz gewiß aus dem Interesse für das Wohl des Landes<lb/>
hervorgegangener Wünsche auszusprechen und schlüssig zu machen. Eine vor¬<lb/>
läufige Antwort auf diese Ausführungen in der &#x201E;Straßb. Zeitung" macht<lb/>
dem Verfasser zum Vorwurf, daß er sich nicht genügend über die staats¬<lb/>
rechtliche Stellung des Reichslandes informire habe. Das Reichsland sei nicht,<lb/>
wie Bayern, Sachsen u. s. w. &#x201E;Mitglied" des Reiches mit den dieser Stel¬<lb/>
lung entsprechenden Rechten, sondern vielmehr nur ein Verwaltungsge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] Auch die einheimische Bevölkerung schwärmt und träumt beim Anbruch der neuen Jahreszeit von kommenden, glücklichern Zeiten — davon gleichfalls ein Pröbchen. Vor einigen Wochen brachte sowohl das „Journal ä'^Isaek," als der „Inüustriel ^Isaeien" eine Note, die wenn auch nicht von einem rechts- und sachkundigen, so doch jedenfalls für die verfassungsmäßige Fort¬ entwicklung seines engern Heimathslandes glühenden Patrioten stammt und sich über einige „in Elsaß-Lothringen einzuführende Reformen" ausläßt. Es ist da von einem Ministerium die Rede, welches die Geschäfte des Oberprä¬ sidiums und der elsaß-Lothringischen Abtheilung im Reichskanzleramte absor- biren, seinen Sitz in Straßburg nehmen und dem Lande gegenüber volle Ver¬ antwortlichkeit übernehmen solle. Der Verfasser meint jedoch, daß es besser wäre, die Vollmachten des Oberpräsidiums in reichem Maße zu vermehren durch die Ertheilung von Befugnissen, die gegenwärtig in Berlin ausgeübt werden, anstatt ein solches Ministerium für Elsaß-Lothringen in Berlin zu errichten. Er macht ferner darauf aufmerksam, daß das Reichsland keine Vertretung im Bundesrathe besitze, daß seine Interessen der Würdigung der Vertreter der übrigen Staaten des deutschen Reiches unterworfen und es folg¬ lich, denselben gegenüber eine abhängige Stellung einnehmen müsse, statt auf gleichem, verfassungsmäßigen Fuße mit ihnen zu stehen. Er wünscht daher, daß Elsaß-Lothringen im Bundesrathe von drei Mitgliedern vertreten werde, welche der Kaiser auf Vorschlag des Landesausschusses ernennen solle; sowie endlich, daß die Entschließungen des Landes-Ausschußes bloß dann dem Reichstage vorgelegt werden sollen, wenn die Regierung sie be¬ streitet, daß aber im entgegengesetzten Falle diese Entschließungen als end¬ gültig angenommen werden möchten. Das „Elsässer Journal," welches diese immerhin an maßgebender Stelle beachtenswerthe Note seither in mehreren Artikeln commentirt hat, macht da¬ bei auf die anormale Stellung Elsaß-Lothringens im deutschen Reiche, als Reichslandes ^oxH" aufmerksam, worüber es wohl am Besten in der präzisen und klaren Darstellung dieses Verhältnisses am Schlüsse des I. Bandes des verdienstvollen Werkes über das „Staatsrecht des Deutschen Reiches" von dem Straßburger Professor Paul Laband Aufklärung finden dürfte. Es wird Sache der Central-Regierung sein, sich über die Möglichkeit und Aus¬ führbarkeit derartiger ganz gewiß aus dem Interesse für das Wohl des Landes hervorgegangener Wünsche auszusprechen und schlüssig zu machen. Eine vor¬ läufige Antwort auf diese Ausführungen in der „Straßb. Zeitung" macht dem Verfasser zum Vorwurf, daß er sich nicht genügend über die staats¬ rechtliche Stellung des Reichslandes informire habe. Das Reichsland sei nicht, wie Bayern, Sachsen u. s. w. „Mitglied" des Reiches mit den dieser Stel¬ lung entsprechenden Rechten, sondern vielmehr nur ein Verwaltungsge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/154>, abgerufen am 27.07.2024.