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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Ich habe bis jetzt blos die lichte Seite des Bildes gezeigt, aber es hat
auch eine dunkele, schreckliche. Dieser gefährliche Bund, eine Reliquie des
Fremdenjoches, welches auf Italien und namentlich Sicilien drei Jahrhunderte
lang wie ein schwarzes, bleischwer lastendes Leichentuch lag, wuchtet auf der
schönen Insel noch heute und schließt das Licht der Freiheit aus, welches über
Italien leuchtet. Die Verbrechen, welche ihre Mitglieder begangen haben,
um ihren verhängnißvollen Einfluß zu bewahren, sind ungeheuer. Aus Furcht
vor ihrer Vendetta wagen achtbare Leute nicht gegen Verbrecher zu zeugen,
Geschwornengerichte nicht, das Schuldig auszusprechen. Alle friedfertigen und
rechtschaffnen Bürger scheuen die Macht der Mafia, die Landeigenthümer
werden regelmäßig besteuert, und ebenso jeder Gewerbszweig. Werden die
neuen Gesetze der italienischen Regierung ihr ein Ende machen? Wie frühere
Erfahrungen gezeigt haben, kann das Räuberwesen mit Gewalt unterdrückt
werden, die Mafia aber nicht. Alle Gesetze und Strafen verfangen gegen sie
nicht. Sie werden offner Gewaltthat ein Ziel setzen, aber die Mafia, die im
Dunkeln schleicht, die durch das bereitwillige oder erzwungene Sichfügen eines
großen Theils der Bevölkerung gedeiht, kann nie durch Parlamentbeschlüsse
beseitigt werden. Allgemein verbreitete Schulbildung, Aufklärung, die Anlage
von Straßen und Eisenbahnen, die Vertheilung von Land an kleine Leute,
namentlich die Zerschlagung und Vertheilung der ungeheuren Landstrecken,
die den neuerdings unterdrückten religiösen Körperschaften gehörten und jetzt
verlassen und unbebaut daliegen, die Verbreitung freisinniger Ideen und vor
Allem der Ueberzeugung unter den ehrlichen Leuten und vorzüglich unter dem
Landvolke, daß den Schutz der liberalen italienischen Regierung zu suchen
Mannhafter, ehrenvoller und (wenn die Regierung sich gebührend anstrengt)
sicherer ist, als den der Mafiusi zu erkaufen, nur diese Dinge können mit
der Zeit diesen riesigen Geheimbund vernichten, der seit Jahrhunderten am
Lebensmark des Gewerbfleißes Siciliens genagt hat, und dieser reichbegabten
Insel ihre alte Fruchtbarkeit auf dem Gebiete des Ackerbaues, des Handels
und der geistigen Thätigkeit wiedergeben.




Me Gorgänge in Dänemark.

Der Ausgang des deutsch-französischen Kriegs hatte Dänemark belehrt,
daß an einen Wiedererwerb der Herzogthümer so gut wie niemals mehr zu
denken sei. Es blieb zwar noch die Hoffnung, bei irgend einer künftigen
Constellation der großen Mächte wenigstens eine Gelegenheit zur Wiederer-


Grenzboten II. 187". 19

Ich habe bis jetzt blos die lichte Seite des Bildes gezeigt, aber es hat
auch eine dunkele, schreckliche. Dieser gefährliche Bund, eine Reliquie des
Fremdenjoches, welches auf Italien und namentlich Sicilien drei Jahrhunderte
lang wie ein schwarzes, bleischwer lastendes Leichentuch lag, wuchtet auf der
schönen Insel noch heute und schließt das Licht der Freiheit aus, welches über
Italien leuchtet. Die Verbrechen, welche ihre Mitglieder begangen haben,
um ihren verhängnißvollen Einfluß zu bewahren, sind ungeheuer. Aus Furcht
vor ihrer Vendetta wagen achtbare Leute nicht gegen Verbrecher zu zeugen,
Geschwornengerichte nicht, das Schuldig auszusprechen. Alle friedfertigen und
rechtschaffnen Bürger scheuen die Macht der Mafia, die Landeigenthümer
werden regelmäßig besteuert, und ebenso jeder Gewerbszweig. Werden die
neuen Gesetze der italienischen Regierung ihr ein Ende machen? Wie frühere
Erfahrungen gezeigt haben, kann das Räuberwesen mit Gewalt unterdrückt
werden, die Mafia aber nicht. Alle Gesetze und Strafen verfangen gegen sie
nicht. Sie werden offner Gewaltthat ein Ziel setzen, aber die Mafia, die im
Dunkeln schleicht, die durch das bereitwillige oder erzwungene Sichfügen eines
großen Theils der Bevölkerung gedeiht, kann nie durch Parlamentbeschlüsse
beseitigt werden. Allgemein verbreitete Schulbildung, Aufklärung, die Anlage
von Straßen und Eisenbahnen, die Vertheilung von Land an kleine Leute,
namentlich die Zerschlagung und Vertheilung der ungeheuren Landstrecken,
die den neuerdings unterdrückten religiösen Körperschaften gehörten und jetzt
verlassen und unbebaut daliegen, die Verbreitung freisinniger Ideen und vor
Allem der Ueberzeugung unter den ehrlichen Leuten und vorzüglich unter dem
Landvolke, daß den Schutz der liberalen italienischen Regierung zu suchen
Mannhafter, ehrenvoller und (wenn die Regierung sich gebührend anstrengt)
sicherer ist, als den der Mafiusi zu erkaufen, nur diese Dinge können mit
der Zeit diesen riesigen Geheimbund vernichten, der seit Jahrhunderten am
Lebensmark des Gewerbfleißes Siciliens genagt hat, und dieser reichbegabten
Insel ihre alte Fruchtbarkeit auf dem Gebiete des Ackerbaues, des Handels
und der geistigen Thätigkeit wiedergeben.




Me Gorgänge in Dänemark.

Der Ausgang des deutsch-französischen Kriegs hatte Dänemark belehrt,
daß an einen Wiedererwerb der Herzogthümer so gut wie niemals mehr zu
denken sei. Es blieb zwar noch die Hoffnung, bei irgend einer künftigen
Constellation der großen Mächte wenigstens eine Gelegenheit zur Wiederer-


Grenzboten II. 187«. 19
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[0149] Ich habe bis jetzt blos die lichte Seite des Bildes gezeigt, aber es hat auch eine dunkele, schreckliche. Dieser gefährliche Bund, eine Reliquie des Fremdenjoches, welches auf Italien und namentlich Sicilien drei Jahrhunderte lang wie ein schwarzes, bleischwer lastendes Leichentuch lag, wuchtet auf der schönen Insel noch heute und schließt das Licht der Freiheit aus, welches über Italien leuchtet. Die Verbrechen, welche ihre Mitglieder begangen haben, um ihren verhängnißvollen Einfluß zu bewahren, sind ungeheuer. Aus Furcht vor ihrer Vendetta wagen achtbare Leute nicht gegen Verbrecher zu zeugen, Geschwornengerichte nicht, das Schuldig auszusprechen. Alle friedfertigen und rechtschaffnen Bürger scheuen die Macht der Mafia, die Landeigenthümer werden regelmäßig besteuert, und ebenso jeder Gewerbszweig. Werden die neuen Gesetze der italienischen Regierung ihr ein Ende machen? Wie frühere Erfahrungen gezeigt haben, kann das Räuberwesen mit Gewalt unterdrückt werden, die Mafia aber nicht. Alle Gesetze und Strafen verfangen gegen sie nicht. Sie werden offner Gewaltthat ein Ziel setzen, aber die Mafia, die im Dunkeln schleicht, die durch das bereitwillige oder erzwungene Sichfügen eines großen Theils der Bevölkerung gedeiht, kann nie durch Parlamentbeschlüsse beseitigt werden. Allgemein verbreitete Schulbildung, Aufklärung, die Anlage von Straßen und Eisenbahnen, die Vertheilung von Land an kleine Leute, namentlich die Zerschlagung und Vertheilung der ungeheuren Landstrecken, die den neuerdings unterdrückten religiösen Körperschaften gehörten und jetzt verlassen und unbebaut daliegen, die Verbreitung freisinniger Ideen und vor Allem der Ueberzeugung unter den ehrlichen Leuten und vorzüglich unter dem Landvolke, daß den Schutz der liberalen italienischen Regierung zu suchen Mannhafter, ehrenvoller und (wenn die Regierung sich gebührend anstrengt) sicherer ist, als den der Mafiusi zu erkaufen, nur diese Dinge können mit der Zeit diesen riesigen Geheimbund vernichten, der seit Jahrhunderten am Lebensmark des Gewerbfleißes Siciliens genagt hat, und dieser reichbegabten Insel ihre alte Fruchtbarkeit auf dem Gebiete des Ackerbaues, des Handels und der geistigen Thätigkeit wiedergeben. Me Gorgänge in Dänemark. Der Ausgang des deutsch-französischen Kriegs hatte Dänemark belehrt, daß an einen Wiedererwerb der Herzogthümer so gut wie niemals mehr zu denken sei. Es blieb zwar noch die Hoffnung, bei irgend einer künftigen Constellation der großen Mächte wenigstens eine Gelegenheit zur Wiederer- Grenzboten II. 187«. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/149>, abgerufen am 27.11.2024.