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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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"Nächste Woche also. Signorino, nächste Woche. Denn das Wetter ist
noch nicht recht ruhig geworden, und außerdem habe ich's übernommen, eine
Gesellschaft nach Trapani zu bringen, und da ich hierbei die Straße einschlage,
die wir fahren werden, will ich in Alcamo Wohnung für die Damen vor¬
bereiten, wo sie zwei Nächte werden schlafen müssen, wenn der Ausflug be¬
quem werden soll. Es giebt in Aleamo nur Gasthäuser für Fuhrleute; aber
ich habe dort einen guten Freund, und der wird für die Unterbringung der
Damen ein paar ordentliche Stuben zurechtmachen".

"Und was verlangt Ihr dafür. Gnu Tann?"

"Das wollen wir in Ordnung bringen, Signorino, wenn ich Ihnen
gedient habe."

"Was für Geld oder Lebensmittel werden die Damen mitzunehmen haben?"

"Gar nichts, Signorino, durchaus nichts. Ich werde für alles sorgen,
was sie brauchen, und ich ersuche Sie, den Damen den Rath zu geben, ihre
ältesten und gewöhnlichsten Reisekleider zu tragen. Insbesondere dürfen sie
keinerlei Kostbarkeiten, Ringe oder Uhren mitnehmen; denn diese Dinge
könnten zerbrechen oder verloren gehen oder auch gestohlen werden, und auf
jeden Fall ist es gut, wenn man vermeidet, die Leute in Versuchung zu
führen. Was die Tageszeit betrifft, so habe ich eine gute Uhr", und er zog
eine große silberne heraus, um mir zu zeigen, daß er wirklich eine besaß,
"und überdieß kann ich die Stunde sagen, wenn ich nach der Sonne sehe."

"Sehr wohl, Gnu Tann, ich werde das den Damen sagen. Und wie
steht es mit der Sicherheit der Straßen? Ist irgendwelche Gefahr auf dem
Wege?"

Gnu Tann richtete sich mit der Miene beleidigter Würde auf, er erhob
seinen rechten Arm mit ausgebreiteter Hand und legte letztere auf seine breite
Brust, dann rief er mit dem Ausdruck des Selbstvertrauens und Stolzes aus:
"Gefahr? Signorino, vannu en mia", sie gehen ja mit mir. Er hätte nicht
mit mehr Würde und Zuversicht sprechen können, selbst wenn er der König
des Gebirges gewesen wäre.

"Nächsten Montag früh neun Uhr werde ich mit meinem Wagen vor
Ihrem Hause sein. Lege mich Euer Excellenz zu Füßen." Das war das
ganze Abkommen, welches ich mit Gnu Tann traf. Ueber die Reise der
Damen selbst sollen einige Auszüge aus dem für mich geführten Tagebuche
meiner Frau berichten.

"Gnu Tann ist ein Juwel von einem Fuhrmann, so intelligent, so be¬
dachtsam, so galant, darf ich sagen. Er behandelt uns mit einer Art achtungs¬
voller, vormundschaftlicher Würde, wie wenn wir vier junge Fräulein wären,
die man ihm auf die Seele gebunden hätte. Er sieht uns alle unsre Liebhabereien
und Launen nach, läßt uns aber nicht einen Augenblick aus den Augen, was


„Nächste Woche also. Signorino, nächste Woche. Denn das Wetter ist
noch nicht recht ruhig geworden, und außerdem habe ich's übernommen, eine
Gesellschaft nach Trapani zu bringen, und da ich hierbei die Straße einschlage,
die wir fahren werden, will ich in Alcamo Wohnung für die Damen vor¬
bereiten, wo sie zwei Nächte werden schlafen müssen, wenn der Ausflug be¬
quem werden soll. Es giebt in Aleamo nur Gasthäuser für Fuhrleute; aber
ich habe dort einen guten Freund, und der wird für die Unterbringung der
Damen ein paar ordentliche Stuben zurechtmachen".

„Und was verlangt Ihr dafür. Gnu Tann?"

„Das wollen wir in Ordnung bringen, Signorino, wenn ich Ihnen
gedient habe."

„Was für Geld oder Lebensmittel werden die Damen mitzunehmen haben?"

„Gar nichts, Signorino, durchaus nichts. Ich werde für alles sorgen,
was sie brauchen, und ich ersuche Sie, den Damen den Rath zu geben, ihre
ältesten und gewöhnlichsten Reisekleider zu tragen. Insbesondere dürfen sie
keinerlei Kostbarkeiten, Ringe oder Uhren mitnehmen; denn diese Dinge
könnten zerbrechen oder verloren gehen oder auch gestohlen werden, und auf
jeden Fall ist es gut, wenn man vermeidet, die Leute in Versuchung zu
führen. Was die Tageszeit betrifft, so habe ich eine gute Uhr", und er zog
eine große silberne heraus, um mir zu zeigen, daß er wirklich eine besaß,
„und überdieß kann ich die Stunde sagen, wenn ich nach der Sonne sehe."

„Sehr wohl, Gnu Tann, ich werde das den Damen sagen. Und wie
steht es mit der Sicherheit der Straßen? Ist irgendwelche Gefahr auf dem
Wege?"

Gnu Tann richtete sich mit der Miene beleidigter Würde auf, er erhob
seinen rechten Arm mit ausgebreiteter Hand und legte letztere auf seine breite
Brust, dann rief er mit dem Ausdruck des Selbstvertrauens und Stolzes aus:
„Gefahr? Signorino, vannu en mia", sie gehen ja mit mir. Er hätte nicht
mit mehr Würde und Zuversicht sprechen können, selbst wenn er der König
des Gebirges gewesen wäre.

„Nächsten Montag früh neun Uhr werde ich mit meinem Wagen vor
Ihrem Hause sein. Lege mich Euer Excellenz zu Füßen." Das war das
ganze Abkommen, welches ich mit Gnu Tann traf. Ueber die Reise der
Damen selbst sollen einige Auszüge aus dem für mich geführten Tagebuche
meiner Frau berichten.

„Gnu Tann ist ein Juwel von einem Fuhrmann, so intelligent, so be¬
dachtsam, so galant, darf ich sagen. Er behandelt uns mit einer Art achtungs¬
voller, vormundschaftlicher Würde, wie wenn wir vier junge Fräulein wären,
die man ihm auf die Seele gebunden hätte. Er sieht uns alle unsre Liebhabereien
und Launen nach, läßt uns aber nicht einen Augenblick aus den Augen, was


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[0144] „Nächste Woche also. Signorino, nächste Woche. Denn das Wetter ist noch nicht recht ruhig geworden, und außerdem habe ich's übernommen, eine Gesellschaft nach Trapani zu bringen, und da ich hierbei die Straße einschlage, die wir fahren werden, will ich in Alcamo Wohnung für die Damen vor¬ bereiten, wo sie zwei Nächte werden schlafen müssen, wenn der Ausflug be¬ quem werden soll. Es giebt in Aleamo nur Gasthäuser für Fuhrleute; aber ich habe dort einen guten Freund, und der wird für die Unterbringung der Damen ein paar ordentliche Stuben zurechtmachen". „Und was verlangt Ihr dafür. Gnu Tann?" „Das wollen wir in Ordnung bringen, Signorino, wenn ich Ihnen gedient habe." „Was für Geld oder Lebensmittel werden die Damen mitzunehmen haben?" „Gar nichts, Signorino, durchaus nichts. Ich werde für alles sorgen, was sie brauchen, und ich ersuche Sie, den Damen den Rath zu geben, ihre ältesten und gewöhnlichsten Reisekleider zu tragen. Insbesondere dürfen sie keinerlei Kostbarkeiten, Ringe oder Uhren mitnehmen; denn diese Dinge könnten zerbrechen oder verloren gehen oder auch gestohlen werden, und auf jeden Fall ist es gut, wenn man vermeidet, die Leute in Versuchung zu führen. Was die Tageszeit betrifft, so habe ich eine gute Uhr", und er zog eine große silberne heraus, um mir zu zeigen, daß er wirklich eine besaß, „und überdieß kann ich die Stunde sagen, wenn ich nach der Sonne sehe." „Sehr wohl, Gnu Tann, ich werde das den Damen sagen. Und wie steht es mit der Sicherheit der Straßen? Ist irgendwelche Gefahr auf dem Wege?" Gnu Tann richtete sich mit der Miene beleidigter Würde auf, er erhob seinen rechten Arm mit ausgebreiteter Hand und legte letztere auf seine breite Brust, dann rief er mit dem Ausdruck des Selbstvertrauens und Stolzes aus: „Gefahr? Signorino, vannu en mia", sie gehen ja mit mir. Er hätte nicht mit mehr Würde und Zuversicht sprechen können, selbst wenn er der König des Gebirges gewesen wäre. „Nächsten Montag früh neun Uhr werde ich mit meinem Wagen vor Ihrem Hause sein. Lege mich Euer Excellenz zu Füßen." Das war das ganze Abkommen, welches ich mit Gnu Tann traf. Ueber die Reise der Damen selbst sollen einige Auszüge aus dem für mich geführten Tagebuche meiner Frau berichten. „Gnu Tann ist ein Juwel von einem Fuhrmann, so intelligent, so be¬ dachtsam, so galant, darf ich sagen. Er behandelt uns mit einer Art achtungs¬ voller, vormundschaftlicher Würde, wie wenn wir vier junge Fräulein wären, die man ihm auf die Seele gebunden hätte. Er sieht uns alle unsre Liebhabereien und Launen nach, läßt uns aber nicht einen Augenblick aus den Augen, was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/144>, abgerufen am 27.11.2024.