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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Ile Mastust.
Ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Gesellschaften Italiens.
I.

Vor einigen Wochen brachten diese Blätter ausführliche Mittheilungen
über die politischen Geheimbünde, die in der ersten Hälfte unseres Jahr¬
hunderts in Italien spukten. Das Folgende mag, obwohl die darin ge¬
schilderte geheime Gesellschaft weniger politische, als sociale Zwecke verfolgt,
das dort Berichtete ergänzen und wird durch die anmuthige und lebendige
Art, in welcher der Verfasser seine sich auf den Gegenstand beziehenden Er¬
lebnisse erzählt, neben dankenswerther Belehrung über eine Erscheinung, welche
von sehr wesentlichem Einfluß aus die neuesten Vorgänge in Süditalien war
und noch ist, zugleich eine angenehme Unterhaltung gewähren. Wir ent¬
nehmen den Bericht einem Aufsatze Luigi Monti's, der im letzten Hefte
(Januar 1876) des in Boston erscheinenden "Atlantic Monthly" ent-
halten war.

Im vorigen Jahre fanden, wie die Leser sich erinnern werden, im ita¬
lienischen Parlamente sehr erregte Debatten über das Räuberwesen in Süd¬
italien statt, und lange wurde über die Nothwendigkeit und Zweckdienlichkeit
der von der Regierung zur Unterdrückung desselben beantragten "rmsuro
eeeLöiollali" gestritten, die sich namentlich auf die Zustände auf der Insel Sicilien
bezogen. Auch die deutsche Presse hat an der Besprechung des Gegenstandes
vielfach theilgenommen, und dabei kamen erhebliche Irrthümer und Mißver¬
ständnisse ins Publikum, die zu beseitigen sind, wenn man ein richtiges Ur¬
theil über die Sache gewinnen will. Der Verfasser unseres Artikels unter¬
nimmt dieß auf Grund einer genauen Kenntniß der dabei in Betracht kommen¬
den Verhältnisse. Er ist ein Eingeborner des Landes, um das es sich handelt,
er hat ferner geraume Zeit als Beamter dort gelebt, und so sind seine Mit¬
theilungen, die sich vorzüglich auf die geheime Gesellschaft beziehen, welche
unter dem Namen der "Mafia" ihr Wesen treibt, ein besonders werthvoller
und willkommener Beitrag zur Kenntniß der bisher ziemlich dunkeln Vorgänge,
die jene Gesetzvorschläge veranlaßten.

Das Räuberwesen auf der Insel Sicilien hat einen ganz eigenthümlichen
Charakter, und die Mafia ist nicht so ohne Weiteres in diesen Zusammen¬
hang zu verweisen. Die "Mafiusi", "Malandrini" oder "Camorristt" Si-
ciliens -- sie werden bald mit dem einen, bald mit dem andern dieser drei
Namen bezeichnet -- leben nur selten in bewaffneten Banden zusammen wie
die Räuber in den Abruzzen, sie begehen nicht häufig Straßenrand, und wenn
dies geschieht, so liegt ihren Bewegungen ein bestimmter Plan ihrer Oberen


Ile Mastust.
Ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Gesellschaften Italiens.
I.

Vor einigen Wochen brachten diese Blätter ausführliche Mittheilungen
über die politischen Geheimbünde, die in der ersten Hälfte unseres Jahr¬
hunderts in Italien spukten. Das Folgende mag, obwohl die darin ge¬
schilderte geheime Gesellschaft weniger politische, als sociale Zwecke verfolgt,
das dort Berichtete ergänzen und wird durch die anmuthige und lebendige
Art, in welcher der Verfasser seine sich auf den Gegenstand beziehenden Er¬
lebnisse erzählt, neben dankenswerther Belehrung über eine Erscheinung, welche
von sehr wesentlichem Einfluß aus die neuesten Vorgänge in Süditalien war
und noch ist, zugleich eine angenehme Unterhaltung gewähren. Wir ent¬
nehmen den Bericht einem Aufsatze Luigi Monti's, der im letzten Hefte
(Januar 1876) des in Boston erscheinenden „Atlantic Monthly" ent-
halten war.

Im vorigen Jahre fanden, wie die Leser sich erinnern werden, im ita¬
lienischen Parlamente sehr erregte Debatten über das Räuberwesen in Süd¬
italien statt, und lange wurde über die Nothwendigkeit und Zweckdienlichkeit
der von der Regierung zur Unterdrückung desselben beantragten „rmsuro
eeeLöiollali" gestritten, die sich namentlich auf die Zustände auf der Insel Sicilien
bezogen. Auch die deutsche Presse hat an der Besprechung des Gegenstandes
vielfach theilgenommen, und dabei kamen erhebliche Irrthümer und Mißver¬
ständnisse ins Publikum, die zu beseitigen sind, wenn man ein richtiges Ur¬
theil über die Sache gewinnen will. Der Verfasser unseres Artikels unter¬
nimmt dieß auf Grund einer genauen Kenntniß der dabei in Betracht kommen¬
den Verhältnisse. Er ist ein Eingeborner des Landes, um das es sich handelt,
er hat ferner geraume Zeit als Beamter dort gelebt, und so sind seine Mit¬
theilungen, die sich vorzüglich auf die geheime Gesellschaft beziehen, welche
unter dem Namen der „Mafia" ihr Wesen treibt, ein besonders werthvoller
und willkommener Beitrag zur Kenntniß der bisher ziemlich dunkeln Vorgänge,
die jene Gesetzvorschläge veranlaßten.

Das Räuberwesen auf der Insel Sicilien hat einen ganz eigenthümlichen
Charakter, und die Mafia ist nicht so ohne Weiteres in diesen Zusammen¬
hang zu verweisen. Die „Mafiusi", „Malandrini" oder „Camorristt" Si-
ciliens — sie werden bald mit dem einen, bald mit dem andern dieser drei
Namen bezeichnet — leben nur selten in bewaffneten Banden zusammen wie
die Räuber in den Abruzzen, sie begehen nicht häufig Straßenrand, und wenn
dies geschieht, so liegt ihren Bewegungen ein bestimmter Plan ihrer Oberen


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[0014] Ile Mastust. Ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Gesellschaften Italiens. I. Vor einigen Wochen brachten diese Blätter ausführliche Mittheilungen über die politischen Geheimbünde, die in der ersten Hälfte unseres Jahr¬ hunderts in Italien spukten. Das Folgende mag, obwohl die darin ge¬ schilderte geheime Gesellschaft weniger politische, als sociale Zwecke verfolgt, das dort Berichtete ergänzen und wird durch die anmuthige und lebendige Art, in welcher der Verfasser seine sich auf den Gegenstand beziehenden Er¬ lebnisse erzählt, neben dankenswerther Belehrung über eine Erscheinung, welche von sehr wesentlichem Einfluß aus die neuesten Vorgänge in Süditalien war und noch ist, zugleich eine angenehme Unterhaltung gewähren. Wir ent¬ nehmen den Bericht einem Aufsatze Luigi Monti's, der im letzten Hefte (Januar 1876) des in Boston erscheinenden „Atlantic Monthly" ent- halten war. Im vorigen Jahre fanden, wie die Leser sich erinnern werden, im ita¬ lienischen Parlamente sehr erregte Debatten über das Räuberwesen in Süd¬ italien statt, und lange wurde über die Nothwendigkeit und Zweckdienlichkeit der von der Regierung zur Unterdrückung desselben beantragten „rmsuro eeeLöiollali" gestritten, die sich namentlich auf die Zustände auf der Insel Sicilien bezogen. Auch die deutsche Presse hat an der Besprechung des Gegenstandes vielfach theilgenommen, und dabei kamen erhebliche Irrthümer und Mißver¬ ständnisse ins Publikum, die zu beseitigen sind, wenn man ein richtiges Ur¬ theil über die Sache gewinnen will. Der Verfasser unseres Artikels unter¬ nimmt dieß auf Grund einer genauen Kenntniß der dabei in Betracht kommen¬ den Verhältnisse. Er ist ein Eingeborner des Landes, um das es sich handelt, er hat ferner geraume Zeit als Beamter dort gelebt, und so sind seine Mit¬ theilungen, die sich vorzüglich auf die geheime Gesellschaft beziehen, welche unter dem Namen der „Mafia" ihr Wesen treibt, ein besonders werthvoller und willkommener Beitrag zur Kenntniß der bisher ziemlich dunkeln Vorgänge, die jene Gesetzvorschläge veranlaßten. Das Räuberwesen auf der Insel Sicilien hat einen ganz eigenthümlichen Charakter, und die Mafia ist nicht so ohne Weiteres in diesen Zusammen¬ hang zu verweisen. Die „Mafiusi", „Malandrini" oder „Camorristt" Si- ciliens — sie werden bald mit dem einen, bald mit dem andern dieser drei Namen bezeichnet — leben nur selten in bewaffneten Banden zusammen wie die Räuber in den Abruzzen, sie begehen nicht häufig Straßenrand, und wenn dies geschieht, so liegt ihren Bewegungen ein bestimmter Plan ihrer Oberen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/14>, abgerufen am 27.11.2024.