Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.schaftlich mit dem Cultusminister festgestellten Vorlage zugestimmt. Zum Von dieser Antwort werden sie sämmtlich ohne Ausnahme ihr Votum schaftlich mit dem Cultusminister festgestellten Vorlage zugestimmt. Zum Von dieser Antwort werden sie sämmtlich ohne Ausnahme ihr Votum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135138"/> <p xml:id="ID_211" prev="#ID_210"> schaftlich mit dem Cultusminister festgestellten Vorlage zugestimmt. Zum<lb/> Abschluß der Verfassung der evangelischen Landeskirche Preußens — als<lb/> Landeskirche wird mit Recht der evangelische Kirchenverband der acht älteren<lb/> Provinzen, wie ihn die neue Ordnung herstellt, bezeichnet — bedarf es nun¬<lb/> mehr noch eines Staatsgesetzes, welches nicht bloß die in dieser Verfassung<lb/> gebildeten Organe der Lokalgemeinden, sondern auch die Organe der höheren<lb/> Kirchenstufen, namentlich aber das oberste Organ, die Generalsynode, in den<lb/> ihr beigelegten obrigkeitlichen, gesetzgebenden und verwaltenden Befugnissen<lb/> anerkennt. Freilich hat der Staat nach der herrschenden, übrigens sehr be¬<lb/> streitbaren Voraussetzung nur diejenigen Befugnisse der neuen Kirchenorgane<lb/> anzuerkennen, welche sich auf das Kircheneigenthum, auf die kirchliche Be¬<lb/> steuerung, kurz, auf das Geld- und Vermögenswesen beziehen. Allein es ist<lb/> klar, daß, obschon diese künstlich gemachte Voraussetzung wenig Widerspruch<lb/> erfährt, die Landtagsmitglieder ihr zustimmendes oder ablehnendes Votum<lb/> gegenüber einem die Anerkennung der neuen Ktrchenverfassung bezweckenden<lb/> Gesetz dennoch nicht allein abhängig machen werden von den Eigenschaften,<lb/> welche die neuen Verfassungsorgane etwa für eine geeignete Vermögens¬<lb/> verwaltung darbieten. Im Gegentheil, von den verschiedensten kirchlichen<lb/> und politischen Standpunkten aus werden sämmtliche Herren und Ab¬<lb/> geordneten sich fragen, laut oder im Stillen, wie ihnen die Kirchenverfassung<lb/> in politischer und kirchlicher Hinsicht gefällt.</p><lb/> <p xml:id="ID_212" next="#ID_213"> Von dieser Antwort werden sie sämmtlich ohne Ausnahme ihr Votum<lb/> abhängig machen, und das ist schließlich in der Ordnung. Denn die Gestal¬<lb/> tung der evangelischen Kirche ist für den preußischen Staat und für das<lb/> deutsche Reich eine politische Lebensfrage erster Ordnung, nichts mehr und<lb/> nichts weniger. So kommt es denn ganz naturgemäß, daß jetzt, nachdem die<lb/> Kirchenverfassung durch Kirchenregiment und außerordentliche Synode soweit<lb/> abgeschlossen ist. um nur noch der staatsgesetzlichen Anerkennung zu bedürfen, die<lb/> verschiedenen politischen Parteien von ihren politischen Standpunkten aus. die<lb/> bis zu einem gewissen Grad zugleich kirchliche, bezüglich antikirchliche sind.<lb/> Stellung zu nehmen sich anschicken. Am entschiedensten ist dies bis jetzt von<lb/> Seiten der Fortschrittspartei geschehen, welche dafür agitirt. die neue Ordnung<lb/> der evangelischen Kirche vom Landtage verwerfen zu lassen. Die freiconser-<lb/> vative Partei verhält sich zustimmend. Die Kreuzzeitungspartei verhält sich<lb/> ablehnend, trägt aber möglicher Weise doch Bedenken, das Werk im Bunde<lb/> mit der Fortschrittspartet zu vereiteln. Die Centrumspartei, welche an der<lb/> evangelischen Kirche als solcher kein Interesse, wenn nicht ein negatives hat,<lb/> wird wohl ihr Votum lediglich nach den Gesichtspunkten ihrer politischen<lb/> Strategie einrichten, z. B. danach, ob ein ablehnendes Votum dazu dienen<lb/> kann, den Minister Kalk zu stürzen oder ein Zerwürfniß der Regierung mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
schaftlich mit dem Cultusminister festgestellten Vorlage zugestimmt. Zum
Abschluß der Verfassung der evangelischen Landeskirche Preußens — als
Landeskirche wird mit Recht der evangelische Kirchenverband der acht älteren
Provinzen, wie ihn die neue Ordnung herstellt, bezeichnet — bedarf es nun¬
mehr noch eines Staatsgesetzes, welches nicht bloß die in dieser Verfassung
gebildeten Organe der Lokalgemeinden, sondern auch die Organe der höheren
Kirchenstufen, namentlich aber das oberste Organ, die Generalsynode, in den
ihr beigelegten obrigkeitlichen, gesetzgebenden und verwaltenden Befugnissen
anerkennt. Freilich hat der Staat nach der herrschenden, übrigens sehr be¬
streitbaren Voraussetzung nur diejenigen Befugnisse der neuen Kirchenorgane
anzuerkennen, welche sich auf das Kircheneigenthum, auf die kirchliche Be¬
steuerung, kurz, auf das Geld- und Vermögenswesen beziehen. Allein es ist
klar, daß, obschon diese künstlich gemachte Voraussetzung wenig Widerspruch
erfährt, die Landtagsmitglieder ihr zustimmendes oder ablehnendes Votum
gegenüber einem die Anerkennung der neuen Ktrchenverfassung bezweckenden
Gesetz dennoch nicht allein abhängig machen werden von den Eigenschaften,
welche die neuen Verfassungsorgane etwa für eine geeignete Vermögens¬
verwaltung darbieten. Im Gegentheil, von den verschiedensten kirchlichen
und politischen Standpunkten aus werden sämmtliche Herren und Ab¬
geordneten sich fragen, laut oder im Stillen, wie ihnen die Kirchenverfassung
in politischer und kirchlicher Hinsicht gefällt.
Von dieser Antwort werden sie sämmtlich ohne Ausnahme ihr Votum
abhängig machen, und das ist schließlich in der Ordnung. Denn die Gestal¬
tung der evangelischen Kirche ist für den preußischen Staat und für das
deutsche Reich eine politische Lebensfrage erster Ordnung, nichts mehr und
nichts weniger. So kommt es denn ganz naturgemäß, daß jetzt, nachdem die
Kirchenverfassung durch Kirchenregiment und außerordentliche Synode soweit
abgeschlossen ist. um nur noch der staatsgesetzlichen Anerkennung zu bedürfen, die
verschiedenen politischen Parteien von ihren politischen Standpunkten aus. die
bis zu einem gewissen Grad zugleich kirchliche, bezüglich antikirchliche sind.
Stellung zu nehmen sich anschicken. Am entschiedensten ist dies bis jetzt von
Seiten der Fortschrittspartei geschehen, welche dafür agitirt. die neue Ordnung
der evangelischen Kirche vom Landtage verwerfen zu lassen. Die freiconser-
vative Partei verhält sich zustimmend. Die Kreuzzeitungspartei verhält sich
ablehnend, trägt aber möglicher Weise doch Bedenken, das Werk im Bunde
mit der Fortschrittspartet zu vereiteln. Die Centrumspartei, welche an der
evangelischen Kirche als solcher kein Interesse, wenn nicht ein negatives hat,
wird wohl ihr Votum lediglich nach den Gesichtspunkten ihrer politischen
Strategie einrichten, z. B. danach, ob ein ablehnendes Votum dazu dienen
kann, den Minister Kalk zu stürzen oder ein Zerwürfniß der Regierung mit
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