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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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stiegen Scharnachthal und Kätzy mit der Richtung auf Corcelles thalab;
denn obgleich die Vorsicht gerathen hätte, mit dem Angriff auf den über¬
mächtigen Feind zu warten, bis die übrigen Eidgenossen im Thale auf gleicher
Höhe angelangt oder über den Berg nachgezogen mären, so erwies sich doch
der Rachedurst, namentlich der bernischen Mannschaft, so groß, daß die Führer
sie nicht zu halten vermochten. "Vorwärts!" erscholl es durch die Reihen, und
da die Verner sahen, daß es Ernst gelte, stiegen sie von ihren Rossen und
schritten durch die kahlen Reben bergab "ohne alle Furcht noch hinter sich
sehen". ^)

Vor Corcelles hatte inzwischen die burgundische Avantgarde Stellung
genommen: das schwache Fußvolk und die abgesessenen Bogenschützen im
Centrum, vor diesem die Artillerie, rechts und links die Reiterei der Ordonnanz¬
compagnien. -- Als Herzog Karl der Schweizer ansichtig wurde, und be¬
merkte, wie sich dieselben aufs Knie senkten und mit ausgestreckten Armen
Gott um Betstand anflehten, brach er in den Ruf aus: ,,?in' Le. deorge!
L63 oauaillöL ni'ihre imzre?! (?6As all canon, ton Zur Los viliülls!"^) Und
gleich die erste burgundische Kugel warf zehn Schweizer nieder. Aber auch
die Feldschlangen der Berner thaten ihre Wirkung, und unter dem Schutz
derselben faßten die Eidgenossen festen Fuß in der Ebene. Der schweizerische
Haufe stellte sich so auf, daß er "den Berg zum Vortheil nahm", d. h. daß
er sich mit dem rechten Flügel an die Höhe lehnte. Zur Bedeckung der
Flügel wurden die Freiknechte, das leichte Fußvolk unter Schwarzmauer von
Zürich und Mültinee von Bern rechts und links etwas vorgezogen. Einen
Ernst gebietenden Anblick bot das eiserne Viereck dar. "Dicht aufgeschlossen,
mit langen Spießen, Brustharnisch und Sturmhaube gewaffnet, standen die
Mannen da; aus der Mitte ragte eine gewaltige Standarte, von mehr als
30 Bannern und Fähnlein umflattert, und vor dem Haufen hielt ein Mann
zu Roß mit langem Bart und weitem Rock; befehlend umritt er den
Haufen" --^> wahrscheinlich Kätzy oder Scharnachthal.

Nachdem das Artilleriefeuer einige Zeit gewährt, befahl Karl der Reiterei
vorzurücken und dem Feinde in die Flanke zu fallen. Graf Chateau-Guyon,
welcher die Lanzen des linken Flügels führte, griff die schweizerischen Büchsen¬
schützen an und trieb sie unter den Schutz ihres Banners zurück; Karl selbst
ritt mit der Reiterei des rechten Flügels, welche keilförmig formiert war,
gegen die Linke des Gewalthaufens an. "II saisit son Stölidart ä'unz maln
et eouekö Lg, 1g,nes en arröt eontrs ses Miwwis, es qui velut uns dorridl"
nmrqus 6e sou eoura-M" sagt Baillot. "Grüselich" war sein Einrennen,





') Frcybmger Chronik bei v. Rott.
") VIiwn. nu vdsn. Sö N. I.. Ebenso Schilling und VMot.
Pmucharol-i bei Rode.

stiegen Scharnachthal und Kätzy mit der Richtung auf Corcelles thalab;
denn obgleich die Vorsicht gerathen hätte, mit dem Angriff auf den über¬
mächtigen Feind zu warten, bis die übrigen Eidgenossen im Thale auf gleicher
Höhe angelangt oder über den Berg nachgezogen mären, so erwies sich doch
der Rachedurst, namentlich der bernischen Mannschaft, so groß, daß die Führer
sie nicht zu halten vermochten. „Vorwärts!" erscholl es durch die Reihen, und
da die Verner sahen, daß es Ernst gelte, stiegen sie von ihren Rossen und
schritten durch die kahlen Reben bergab „ohne alle Furcht noch hinter sich
sehen". ^)

Vor Corcelles hatte inzwischen die burgundische Avantgarde Stellung
genommen: das schwache Fußvolk und die abgesessenen Bogenschützen im
Centrum, vor diesem die Artillerie, rechts und links die Reiterei der Ordonnanz¬
compagnien. — Als Herzog Karl der Schweizer ansichtig wurde, und be¬
merkte, wie sich dieselben aufs Knie senkten und mit ausgestreckten Armen
Gott um Betstand anflehten, brach er in den Ruf aus: ,,?in' Le. deorge!
L63 oauaillöL ni'ihre imzre?! (?6As all canon, ton Zur Los viliülls!"^) Und
gleich die erste burgundische Kugel warf zehn Schweizer nieder. Aber auch
die Feldschlangen der Berner thaten ihre Wirkung, und unter dem Schutz
derselben faßten die Eidgenossen festen Fuß in der Ebene. Der schweizerische
Haufe stellte sich so auf, daß er „den Berg zum Vortheil nahm", d. h. daß
er sich mit dem rechten Flügel an die Höhe lehnte. Zur Bedeckung der
Flügel wurden die Freiknechte, das leichte Fußvolk unter Schwarzmauer von
Zürich und Mültinee von Bern rechts und links etwas vorgezogen. Einen
Ernst gebietenden Anblick bot das eiserne Viereck dar. „Dicht aufgeschlossen,
mit langen Spießen, Brustharnisch und Sturmhaube gewaffnet, standen die
Mannen da; aus der Mitte ragte eine gewaltige Standarte, von mehr als
30 Bannern und Fähnlein umflattert, und vor dem Haufen hielt ein Mann
zu Roß mit langem Bart und weitem Rock; befehlend umritt er den
Haufen" —^> wahrscheinlich Kätzy oder Scharnachthal.

Nachdem das Artilleriefeuer einige Zeit gewährt, befahl Karl der Reiterei
vorzurücken und dem Feinde in die Flanke zu fallen. Graf Chateau-Guyon,
welcher die Lanzen des linken Flügels führte, griff die schweizerischen Büchsen¬
schützen an und trieb sie unter den Schutz ihres Banners zurück; Karl selbst
ritt mit der Reiterei des rechten Flügels, welche keilförmig formiert war,
gegen die Linke des Gewalthaufens an. „II saisit son Stölidart ä'unz maln
et eouekö Lg, 1g,nes en arröt eontrs ses Miwwis, es qui velut uns dorridl«
nmrqus 6e sou eoura-M" sagt Baillot. „Grüselich" war sein Einrennen,





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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/58>, abgerufen am 24.08.2024.