Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

er, wie ich gern wollte und es mir nöthig scheinet, mündlich aber wird es
sich besser und mit mehr Respect thun lassen."

Es ist nicht möglich, die unendlich schwierigen Verhältnisse jenes Landes
in ihrer Totalität zur vollen Anschauung zu bringen. Die auswärtigen Be¬
ziehungen, namentlich zu den Ernstinischen Vettern, die Verwickelung mit
Fulda, aus denen der wenig bekannte Flachskrieg entstand, in dem ein Mann
sein Leben einbüßte, die Reichs- und Kreisangelegenheiten; die Kämpfe, die
im Innern des Landes theils durch beispiellose Finanzwirthschaft, theils durch
Justiz und Advocatenstreiche, wie sich Ernst August wiederholt ausdrückte, her¬
aufbeschworen wurden. Sie würden in den Bereich meiner Darstellung herein¬
zuziehen sein, wenn diese anders ein vollständiges Bild dieser kleinen Episode
anstreben könnte und wollte.

Vielleicht ist aus dem überreichen Stoff die Combination äußerer und
innerer Verhältnisse räthlich, zumal sie uns durch reiches Material, die Er¬
werbung des Eisenacher Landes und zugleich den Conflict Ernst August's mit
dem mächtigsten König der Erde, mit dem König Friedrich II. von Preußen,
veranschaulichen wird. Wir wählen dazu die Frage wegen Uebernahme der
Eisenacher Allodialerbschaft um so lieber, als auch die Beaulieu'sche Dar¬
stellung im Grunde nur in der Mittheilung einiger Documente gipfelt,
welche den Conflict mit Friedrich II. veranschaulichen. --

Ernst August war keineswegs über den Antritt der Erbschaft erfreut.
Denn wo er sondiren ließ, waren voraussichtlich mehr Passiva als Activa
vorhanden und seine Hauptbesorgniß war. auf welches Recht er sich stützen
könnte, daß der na>6r"zö zur Bezahlung der Allodialschulden ultra vires Kaere-
cZiwtis nicht verpflichtet werden könnte. Es war ihm nach den eingeforderten
Berichten höchst wunderlich, daß man am Eisenacher Hofe sich über die Ver¬
schwendung der Nachbarn aufgehalten, die dortige Einrichtung als muster¬
gültig hingestellt hatte, während factisch alles anders lag. Von Schätzen auf
Böden und in Gewölben wollte Niemand etwas wissen und er verwunderte
sich höchlich, daß man bei einer Schatullrevenue von jährlich 13000 Thaler,
Geschenke von 20000 Thaler und kostbare Christkindels bescheert hatte, was
freilich falsche Insinuationen waren, da die Einnahmen des Hofes sich min¬
destens auf 60.000 Thaler beliefen, wenn auch nicht zu Recht bestehende Ein¬
künfte dabei eine Rolle spielten. Während dieser sorgsamen Erörterungen
waren bereits zwei Abgesandte des Königs von Preußen eingetroffen, da
Friedrich II. als Testamentsvollstrecker bestellt war. Hatte der Herzog der
Wittwe bis dahin ein freundvetterliches Verhalten zugesagt, so zeigt sich schon
jetzt seine Erbitterung. "Ich muß denenselben melden, daß ich nach den un¬
denklichen Gerechtsamen meines alt fürstlichen Hauses gut kaiserlich und
sächsisch bin und keine auswärtige Militärs und Gelehrten in meinem Lande


er, wie ich gern wollte und es mir nöthig scheinet, mündlich aber wird es
sich besser und mit mehr Respect thun lassen."

Es ist nicht möglich, die unendlich schwierigen Verhältnisse jenes Landes
in ihrer Totalität zur vollen Anschauung zu bringen. Die auswärtigen Be¬
ziehungen, namentlich zu den Ernstinischen Vettern, die Verwickelung mit
Fulda, aus denen der wenig bekannte Flachskrieg entstand, in dem ein Mann
sein Leben einbüßte, die Reichs- und Kreisangelegenheiten; die Kämpfe, die
im Innern des Landes theils durch beispiellose Finanzwirthschaft, theils durch
Justiz und Advocatenstreiche, wie sich Ernst August wiederholt ausdrückte, her¬
aufbeschworen wurden. Sie würden in den Bereich meiner Darstellung herein¬
zuziehen sein, wenn diese anders ein vollständiges Bild dieser kleinen Episode
anstreben könnte und wollte.

Vielleicht ist aus dem überreichen Stoff die Combination äußerer und
innerer Verhältnisse räthlich, zumal sie uns durch reiches Material, die Er¬
werbung des Eisenacher Landes und zugleich den Conflict Ernst August's mit
dem mächtigsten König der Erde, mit dem König Friedrich II. von Preußen,
veranschaulichen wird. Wir wählen dazu die Frage wegen Uebernahme der
Eisenacher Allodialerbschaft um so lieber, als auch die Beaulieu'sche Dar¬
stellung im Grunde nur in der Mittheilung einiger Documente gipfelt,
welche den Conflict mit Friedrich II. veranschaulichen. —

Ernst August war keineswegs über den Antritt der Erbschaft erfreut.
Denn wo er sondiren ließ, waren voraussichtlich mehr Passiva als Activa
vorhanden und seine Hauptbesorgniß war. auf welches Recht er sich stützen
könnte, daß der na>6r«zö zur Bezahlung der Allodialschulden ultra vires Kaere-
cZiwtis nicht verpflichtet werden könnte. Es war ihm nach den eingeforderten
Berichten höchst wunderlich, daß man am Eisenacher Hofe sich über die Ver¬
schwendung der Nachbarn aufgehalten, die dortige Einrichtung als muster¬
gültig hingestellt hatte, während factisch alles anders lag. Von Schätzen auf
Böden und in Gewölben wollte Niemand etwas wissen und er verwunderte
sich höchlich, daß man bei einer Schatullrevenue von jährlich 13000 Thaler,
Geschenke von 20000 Thaler und kostbare Christkindels bescheert hatte, was
freilich falsche Insinuationen waren, da die Einnahmen des Hofes sich min¬
destens auf 60.000 Thaler beliefen, wenn auch nicht zu Recht bestehende Ein¬
künfte dabei eine Rolle spielten. Während dieser sorgsamen Erörterungen
waren bereits zwei Abgesandte des Königs von Preußen eingetroffen, da
Friedrich II. als Testamentsvollstrecker bestellt war. Hatte der Herzog der
Wittwe bis dahin ein freundvetterliches Verhalten zugesagt, so zeigt sich schon
jetzt seine Erbitterung. „Ich muß denenselben melden, daß ich nach den un¬
denklichen Gerechtsamen meines alt fürstlichen Hauses gut kaiserlich und
sächsisch bin und keine auswärtige Militärs und Gelehrten in meinem Lande


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135551"/>
          <p xml:id="ID_1518" prev="#ID_1517"> er, wie ich gern wollte und es mir nöthig scheinet, mündlich aber wird es<lb/>
sich besser und mit mehr Respect thun lassen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1519"> Es ist nicht möglich, die unendlich schwierigen Verhältnisse jenes Landes<lb/>
in ihrer Totalität zur vollen Anschauung zu bringen. Die auswärtigen Be¬<lb/>
ziehungen, namentlich zu den Ernstinischen Vettern, die Verwickelung mit<lb/>
Fulda, aus denen der wenig bekannte Flachskrieg entstand, in dem ein Mann<lb/>
sein Leben einbüßte, die Reichs- und Kreisangelegenheiten; die Kämpfe, die<lb/>
im Innern des Landes theils durch beispiellose Finanzwirthschaft, theils durch<lb/>
Justiz und Advocatenstreiche, wie sich Ernst August wiederholt ausdrückte, her¬<lb/>
aufbeschworen wurden. Sie würden in den Bereich meiner Darstellung herein¬<lb/>
zuziehen sein, wenn diese anders ein vollständiges Bild dieser kleinen Episode<lb/>
anstreben könnte und wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1520"> Vielleicht ist aus dem überreichen Stoff die Combination äußerer und<lb/>
innerer Verhältnisse räthlich, zumal sie uns durch reiches Material, die Er¬<lb/>
werbung des Eisenacher Landes und zugleich den Conflict Ernst August's mit<lb/>
dem mächtigsten König der Erde, mit dem König Friedrich II. von Preußen,<lb/>
veranschaulichen wird. Wir wählen dazu die Frage wegen Uebernahme der<lb/>
Eisenacher Allodialerbschaft um so lieber, als auch die Beaulieu'sche Dar¬<lb/>
stellung im Grunde nur in der Mittheilung einiger Documente gipfelt,<lb/>
welche den Conflict mit Friedrich II. veranschaulichen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1521" next="#ID_1522"> Ernst August war keineswegs über den Antritt der Erbschaft erfreut.<lb/>
Denn wo er sondiren ließ, waren voraussichtlich mehr Passiva als Activa<lb/>
vorhanden und seine Hauptbesorgniß war. auf welches Recht er sich stützen<lb/>
könnte, daß der na&gt;6r«zö zur Bezahlung der Allodialschulden ultra vires Kaere-<lb/>
cZiwtis nicht verpflichtet werden könnte. Es war ihm nach den eingeforderten<lb/>
Berichten höchst wunderlich, daß man am Eisenacher Hofe sich über die Ver¬<lb/>
schwendung der Nachbarn aufgehalten, die dortige Einrichtung als muster¬<lb/>
gültig hingestellt hatte, während factisch alles anders lag. Von Schätzen auf<lb/>
Böden und in Gewölben wollte Niemand etwas wissen und er verwunderte<lb/>
sich höchlich, daß man bei einer Schatullrevenue von jährlich 13000 Thaler,<lb/>
Geschenke von 20000 Thaler und kostbare Christkindels bescheert hatte, was<lb/>
freilich falsche Insinuationen waren, da die Einnahmen des Hofes sich min¬<lb/>
destens auf 60.000 Thaler beliefen, wenn auch nicht zu Recht bestehende Ein¬<lb/>
künfte dabei eine Rolle spielten. Während dieser sorgsamen Erörterungen<lb/>
waren bereits zwei Abgesandte des Königs von Preußen eingetroffen, da<lb/>
Friedrich II. als Testamentsvollstrecker bestellt war. Hatte der Herzog der<lb/>
Wittwe bis dahin ein freundvetterliches Verhalten zugesagt, so zeigt sich schon<lb/>
jetzt seine Erbitterung. &#x201E;Ich muß denenselben melden, daß ich nach den un¬<lb/>
denklichen Gerechtsamen meines alt fürstlichen Hauses gut kaiserlich und<lb/>
sächsisch bin und keine auswärtige Militärs und Gelehrten in meinem Lande</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0498] er, wie ich gern wollte und es mir nöthig scheinet, mündlich aber wird es sich besser und mit mehr Respect thun lassen." Es ist nicht möglich, die unendlich schwierigen Verhältnisse jenes Landes in ihrer Totalität zur vollen Anschauung zu bringen. Die auswärtigen Be¬ ziehungen, namentlich zu den Ernstinischen Vettern, die Verwickelung mit Fulda, aus denen der wenig bekannte Flachskrieg entstand, in dem ein Mann sein Leben einbüßte, die Reichs- und Kreisangelegenheiten; die Kämpfe, die im Innern des Landes theils durch beispiellose Finanzwirthschaft, theils durch Justiz und Advocatenstreiche, wie sich Ernst August wiederholt ausdrückte, her¬ aufbeschworen wurden. Sie würden in den Bereich meiner Darstellung herein¬ zuziehen sein, wenn diese anders ein vollständiges Bild dieser kleinen Episode anstreben könnte und wollte. Vielleicht ist aus dem überreichen Stoff die Combination äußerer und innerer Verhältnisse räthlich, zumal sie uns durch reiches Material, die Er¬ werbung des Eisenacher Landes und zugleich den Conflict Ernst August's mit dem mächtigsten König der Erde, mit dem König Friedrich II. von Preußen, veranschaulichen wird. Wir wählen dazu die Frage wegen Uebernahme der Eisenacher Allodialerbschaft um so lieber, als auch die Beaulieu'sche Dar¬ stellung im Grunde nur in der Mittheilung einiger Documente gipfelt, welche den Conflict mit Friedrich II. veranschaulichen. — Ernst August war keineswegs über den Antritt der Erbschaft erfreut. Denn wo er sondiren ließ, waren voraussichtlich mehr Passiva als Activa vorhanden und seine Hauptbesorgniß war. auf welches Recht er sich stützen könnte, daß der na>6r«zö zur Bezahlung der Allodialschulden ultra vires Kaere- cZiwtis nicht verpflichtet werden könnte. Es war ihm nach den eingeforderten Berichten höchst wunderlich, daß man am Eisenacher Hofe sich über die Ver¬ schwendung der Nachbarn aufgehalten, die dortige Einrichtung als muster¬ gültig hingestellt hatte, während factisch alles anders lag. Von Schätzen auf Böden und in Gewölben wollte Niemand etwas wissen und er verwunderte sich höchlich, daß man bei einer Schatullrevenue von jährlich 13000 Thaler, Geschenke von 20000 Thaler und kostbare Christkindels bescheert hatte, was freilich falsche Insinuationen waren, da die Einnahmen des Hofes sich min¬ destens auf 60.000 Thaler beliefen, wenn auch nicht zu Recht bestehende Ein¬ künfte dabei eine Rolle spielten. Während dieser sorgsamen Erörterungen waren bereits zwei Abgesandte des Königs von Preußen eingetroffen, da Friedrich II. als Testamentsvollstrecker bestellt war. Hatte der Herzog der Wittwe bis dahin ein freundvetterliches Verhalten zugesagt, so zeigt sich schon jetzt seine Erbitterung. „Ich muß denenselben melden, daß ich nach den un¬ denklichen Gerechtsamen meines alt fürstlichen Hauses gut kaiserlich und sächsisch bin und keine auswärtige Militärs und Gelehrten in meinem Lande

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/498
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/498>, abgerufen am 27.09.2024.