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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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binnen 4 Wochen zu Ende gebracht wissen, wie sehr auch Gärtner die Un¬
möglichkeit der Ausführung des Befehls betonte. schob Ernst August alles
auf lauen Geschäftsgang, so replicirte Gärtner, daß im Grunde der Parallelis¬
mus der Registrande die Rückstände der fürstlichen Resolutionen zeige,
dagegen Niemand die Hände in Eisenach in den Schoß lege. Ich bin, schrieb
Gärtner, von 6 Uhr Morgens bis Nachts 10 Uhr in der Last, habe etwa
eine Stunde zum Mittagsessen, denn Abends speise ich nicht, die Nacht wende
ich zum Schlaf an, niemand wird mir eine Negligenz nachweisen können. --

Ganz unerwartet erlitt, wohl auch eine Folge des Widerspruchs, die
Etsenacher Landesverwaltung eine gewaltige Umänderung. Am 28. Dec. 1741
gelangte an Gärtner ein Rescript, das ihm jede Einsprache in Kammer- und
Konsistorialsachen untersagte, da es sich geäußert, daß er den guten Inten¬
tionen Ernst August's entgegen sei. "Wir sind nicht gewohnt in unsern Thun
und Lassen von unsern Dienern alles vorschreiben zu lassen, werden Euch auch
deßwegen in Unserm Dienste nicht beibehalten." Es wurde ihm die Besorgung
gewisser Geschäfte'in Aussicht gestellt und er in Ansehung seiner langwierigen
Dienste zum Präsidenten ernannt. -- Bald darauf wurde eine scharfe Trennung
der Regierungsgeschäfte vorgenommen, ein Oberfiscal, ein Polizei- und Com-
mercienrath bestellt; "Regierung bleibt Regierung, Kammer Kammer und der
Militärstand in seiner aparten Ordnung, wir werden uns als ein Reichsfürst
niemals von unsern Dienern vorschreiben, noch I.<zgss und Grenzen unserer
Aetionen setzen lassen und sind nicht gesonnen, die Eisenachische Herrschsucht
wie sonst üblich gewesen, unsern Dienern, gleich viel ob sie alt oder jung
sind, zu gestatten. Wir werden als Landesherr die uns zustehende xvuvoir
bei allen Gelegenheiten durch convenable Wege zu vindiciren und zu conser-
viren wissen, indem wir in unserem os. Jahre nicht erst Collegia frequentiren
und den Schlendrian lernen wollen."

Die Mißstimmung zwischen Fürst und Diener war durch die Erklärung
Ernst August's nicht gesteigert. Gärtner blieb sein ,,trof eker ami"; Ernst
August stellte seinen Besuch in Eisenach in Aussicht, wo dann in geistlichen
und weltlichen Dingen fleißig gearbeitet, dem alten Faß der Boden völlig ausge¬
stoßen werden und die alte Leyer, da jeder Koch und Kellner gewesen, gänzlich
abgeschafft werden sollte. "Gott gebe uns mit einander gute Gesundheit, auf¬
richtiges gutes Verständniß, so gedenke ich Vieles auszurichten. Ich werde
die Grenzirrungen durch gerade Linien suchen in Ordnung zu bringen, soll
ich auch dabei etwas einbüßen. Herr und Diener müssen fleißig daran sein.
Die Zeit ist edel und des Menschen Leben kurz. Ich bin entschlossen. Alles
schleunigst in die Wege zu richten, und brauche dazu interessirte Gemüther,
die das Licht nicht scheuen und der Caprice nicht folgen. Mein Symbol
heißt fürchte Gott, ehre den Fürsten, treuer Herr, treue Knechte. Der An-


binnen 4 Wochen zu Ende gebracht wissen, wie sehr auch Gärtner die Un¬
möglichkeit der Ausführung des Befehls betonte. schob Ernst August alles
auf lauen Geschäftsgang, so replicirte Gärtner, daß im Grunde der Parallelis¬
mus der Registrande die Rückstände der fürstlichen Resolutionen zeige,
dagegen Niemand die Hände in Eisenach in den Schoß lege. Ich bin, schrieb
Gärtner, von 6 Uhr Morgens bis Nachts 10 Uhr in der Last, habe etwa
eine Stunde zum Mittagsessen, denn Abends speise ich nicht, die Nacht wende
ich zum Schlaf an, niemand wird mir eine Negligenz nachweisen können. —

Ganz unerwartet erlitt, wohl auch eine Folge des Widerspruchs, die
Etsenacher Landesverwaltung eine gewaltige Umänderung. Am 28. Dec. 1741
gelangte an Gärtner ein Rescript, das ihm jede Einsprache in Kammer- und
Konsistorialsachen untersagte, da es sich geäußert, daß er den guten Inten¬
tionen Ernst August's entgegen sei. „Wir sind nicht gewohnt in unsern Thun
und Lassen von unsern Dienern alles vorschreiben zu lassen, werden Euch auch
deßwegen in Unserm Dienste nicht beibehalten." Es wurde ihm die Besorgung
gewisser Geschäfte'in Aussicht gestellt und er in Ansehung seiner langwierigen
Dienste zum Präsidenten ernannt. — Bald darauf wurde eine scharfe Trennung
der Regierungsgeschäfte vorgenommen, ein Oberfiscal, ein Polizei- und Com-
mercienrath bestellt; „Regierung bleibt Regierung, Kammer Kammer und der
Militärstand in seiner aparten Ordnung, wir werden uns als ein Reichsfürst
niemals von unsern Dienern vorschreiben, noch I.<zgss und Grenzen unserer
Aetionen setzen lassen und sind nicht gesonnen, die Eisenachische Herrschsucht
wie sonst üblich gewesen, unsern Dienern, gleich viel ob sie alt oder jung
sind, zu gestatten. Wir werden als Landesherr die uns zustehende xvuvoir
bei allen Gelegenheiten durch convenable Wege zu vindiciren und zu conser-
viren wissen, indem wir in unserem os. Jahre nicht erst Collegia frequentiren
und den Schlendrian lernen wollen."

Die Mißstimmung zwischen Fürst und Diener war durch die Erklärung
Ernst August's nicht gesteigert. Gärtner blieb sein ,,trof eker ami"; Ernst
August stellte seinen Besuch in Eisenach in Aussicht, wo dann in geistlichen
und weltlichen Dingen fleißig gearbeitet, dem alten Faß der Boden völlig ausge¬
stoßen werden und die alte Leyer, da jeder Koch und Kellner gewesen, gänzlich
abgeschafft werden sollte. „Gott gebe uns mit einander gute Gesundheit, auf¬
richtiges gutes Verständniß, so gedenke ich Vieles auszurichten. Ich werde
die Grenzirrungen durch gerade Linien suchen in Ordnung zu bringen, soll
ich auch dabei etwas einbüßen. Herr und Diener müssen fleißig daran sein.
Die Zeit ist edel und des Menschen Leben kurz. Ich bin entschlossen. Alles
schleunigst in die Wege zu richten, und brauche dazu interessirte Gemüther,
die das Licht nicht scheuen und der Caprice nicht folgen. Mein Symbol
heißt fürchte Gott, ehre den Fürsten, treuer Herr, treue Knechte. Der An-


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[0495] binnen 4 Wochen zu Ende gebracht wissen, wie sehr auch Gärtner die Un¬ möglichkeit der Ausführung des Befehls betonte. schob Ernst August alles auf lauen Geschäftsgang, so replicirte Gärtner, daß im Grunde der Parallelis¬ mus der Registrande die Rückstände der fürstlichen Resolutionen zeige, dagegen Niemand die Hände in Eisenach in den Schoß lege. Ich bin, schrieb Gärtner, von 6 Uhr Morgens bis Nachts 10 Uhr in der Last, habe etwa eine Stunde zum Mittagsessen, denn Abends speise ich nicht, die Nacht wende ich zum Schlaf an, niemand wird mir eine Negligenz nachweisen können. — Ganz unerwartet erlitt, wohl auch eine Folge des Widerspruchs, die Etsenacher Landesverwaltung eine gewaltige Umänderung. Am 28. Dec. 1741 gelangte an Gärtner ein Rescript, das ihm jede Einsprache in Kammer- und Konsistorialsachen untersagte, da es sich geäußert, daß er den guten Inten¬ tionen Ernst August's entgegen sei. „Wir sind nicht gewohnt in unsern Thun und Lassen von unsern Dienern alles vorschreiben zu lassen, werden Euch auch deßwegen in Unserm Dienste nicht beibehalten." Es wurde ihm die Besorgung gewisser Geschäfte'in Aussicht gestellt und er in Ansehung seiner langwierigen Dienste zum Präsidenten ernannt. — Bald darauf wurde eine scharfe Trennung der Regierungsgeschäfte vorgenommen, ein Oberfiscal, ein Polizei- und Com- mercienrath bestellt; „Regierung bleibt Regierung, Kammer Kammer und der Militärstand in seiner aparten Ordnung, wir werden uns als ein Reichsfürst niemals von unsern Dienern vorschreiben, noch I.<zgss und Grenzen unserer Aetionen setzen lassen und sind nicht gesonnen, die Eisenachische Herrschsucht wie sonst üblich gewesen, unsern Dienern, gleich viel ob sie alt oder jung sind, zu gestatten. Wir werden als Landesherr die uns zustehende xvuvoir bei allen Gelegenheiten durch convenable Wege zu vindiciren und zu conser- viren wissen, indem wir in unserem os. Jahre nicht erst Collegia frequentiren und den Schlendrian lernen wollen." Die Mißstimmung zwischen Fürst und Diener war durch die Erklärung Ernst August's nicht gesteigert. Gärtner blieb sein ,,trof eker ami"; Ernst August stellte seinen Besuch in Eisenach in Aussicht, wo dann in geistlichen und weltlichen Dingen fleißig gearbeitet, dem alten Faß der Boden völlig ausge¬ stoßen werden und die alte Leyer, da jeder Koch und Kellner gewesen, gänzlich abgeschafft werden sollte. „Gott gebe uns mit einander gute Gesundheit, auf¬ richtiges gutes Verständniß, so gedenke ich Vieles auszurichten. Ich werde die Grenzirrungen durch gerade Linien suchen in Ordnung zu bringen, soll ich auch dabei etwas einbüßen. Herr und Diener müssen fleißig daran sein. Die Zeit ist edel und des Menschen Leben kurz. Ich bin entschlossen. Alles schleunigst in die Wege zu richten, und brauche dazu interessirte Gemüther, die das Licht nicht scheuen und der Caprice nicht folgen. Mein Symbol heißt fürchte Gott, ehre den Fürsten, treuer Herr, treue Knechte. Der An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/495>, abgerufen am 27.09.2024.