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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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rissen (?) gutmüthig, der Engländer bewahrte seine Würde, der Franzose ver¬
lor keinen Augenblick jene Eleganz, Grazie und Großmuth, welche ihn so
sehr auszeichnen, aber unter uns wandelt die nackte Ehrlosigkeit ohne Scham,
ohne Mitleid, in häßlicher Gemeinheit einher." Weiter: "Wo man mit dem
Gesetze nicht auskommt, läßt es sich mit Hilfe gründlicher deutscher Juristen
spielend umgehen. Diese armen Leute, die sich stolz Bürger eines freien
Staates nannten, waren in den Augen ihrer Gebieterin nur Unterthanen,
ein Heer von Bedienten, bestimmt für sie zu arbeiten und ihrem Willen zu
gehorchen, und sie gehorchen prächtig und waren zufrieden, daß man sie
dafür schreiben und reden ließ, was sie nur wollten. Ehrt mir nur immer
die deutsche Freiheit beim Bierglase, Ihr Minister und Herrscher von Gottes¬
gnaden und im Uebrigen könnt Ihr dann regieren, wie's Euch gefällt.
Macht geht vor Recht, aber der Freiheitssinn beim Bterglas geht bei uns
vor Macht. Merkt Euch das." Ferner bei einer Actienzeichnung: "Man trat
sich mit Füßen, schimpfte und fluchte, wie es nur gebildeteDeutsche allein
in solchen Lagen vermögen und die Frauen, welche sich in das Gedränge ge¬
wagt hatten, wurden zwar förmlich in Stücke gerissen, aber gewiß in zarter
Weise, wie es einem Volke ziemt, das die "Würde der Frauen" erfunden und
die Verehrung derselben seit beinahe 1000 Jahren als sein Monopol ansteht."
Es war ja aber auch eine so noble Gründung! Deutsche Generale standen,
nach der Darstellung des Herrn Masons unter den Namen der Gründer --
während in Wahrheit jede entfernte Beziehung eines activen Offiziers zu
Gründungen bekanntlich mit Außerdienststellung geahndet worden ist -- und
deutsche Minister hatten sich bestechen lassen!

Es ist an diesen Proben ruthenischer Wahrheitsliebe sicherlich mehr als
genug. Die Verantwortung für diese bubenhafte Lästerung unserer Nation
wird dadurch natürlich nicht ausgeschlossen, daß der Autor auf einem Bil¬
dungsniveau steht, welches dem Schüler der Quinta auf deutschen Gymnasien
die Benutzung derselben Classe für ein zweites Jahr sichern würde. Herr
Sander-Masons construirt, wie man sich aus den mitgetheilten Citaten über¬
zeugen kann, selten einen deutschen Satz richtig. Er hat von den Gesetzen
vernünftiger Interpunktion keine Ahnung. Er schreibt consequent Odissee,
Dyonisos, von (Zuixotes, Colatinus, Vtrtuosinen, Gustav Freitag, deko-
letirt, Satyrohren. Er schreibt "lange Zoten wirren Haares," der Queu, der
Polster (Plural: die Polster), "für was hattest Du sie?" "vom alten König herab
bis zur Trödlerin" u. s. w. Dieser erhebliche Mangel an gewöhnlicher Schul-
bildung nimmt ihm aber nichts von seiner Verantwortlichkeit für diese Ver¬
leumdungen. Es fehlt an einem internationalen Strafcodex für gemeine An¬
griffe auf die Ehre anderer Nationen. Wenn Herr Sander-Masons Fräulein
Josefine Gallmeyer in einer der von seiner Feder bevorzugten Wiener Vor-


rissen (?) gutmüthig, der Engländer bewahrte seine Würde, der Franzose ver¬
lor keinen Augenblick jene Eleganz, Grazie und Großmuth, welche ihn so
sehr auszeichnen, aber unter uns wandelt die nackte Ehrlosigkeit ohne Scham,
ohne Mitleid, in häßlicher Gemeinheit einher." Weiter: „Wo man mit dem
Gesetze nicht auskommt, läßt es sich mit Hilfe gründlicher deutscher Juristen
spielend umgehen. Diese armen Leute, die sich stolz Bürger eines freien
Staates nannten, waren in den Augen ihrer Gebieterin nur Unterthanen,
ein Heer von Bedienten, bestimmt für sie zu arbeiten und ihrem Willen zu
gehorchen, und sie gehorchen prächtig und waren zufrieden, daß man sie
dafür schreiben und reden ließ, was sie nur wollten. Ehrt mir nur immer
die deutsche Freiheit beim Bierglase, Ihr Minister und Herrscher von Gottes¬
gnaden und im Uebrigen könnt Ihr dann regieren, wie's Euch gefällt.
Macht geht vor Recht, aber der Freiheitssinn beim Bterglas geht bei uns
vor Macht. Merkt Euch das." Ferner bei einer Actienzeichnung: „Man trat
sich mit Füßen, schimpfte und fluchte, wie es nur gebildeteDeutsche allein
in solchen Lagen vermögen und die Frauen, welche sich in das Gedränge ge¬
wagt hatten, wurden zwar förmlich in Stücke gerissen, aber gewiß in zarter
Weise, wie es einem Volke ziemt, das die „Würde der Frauen" erfunden und
die Verehrung derselben seit beinahe 1000 Jahren als sein Monopol ansteht."
Es war ja aber auch eine so noble Gründung! Deutsche Generale standen,
nach der Darstellung des Herrn Masons unter den Namen der Gründer —
während in Wahrheit jede entfernte Beziehung eines activen Offiziers zu
Gründungen bekanntlich mit Außerdienststellung geahndet worden ist — und
deutsche Minister hatten sich bestechen lassen!

Es ist an diesen Proben ruthenischer Wahrheitsliebe sicherlich mehr als
genug. Die Verantwortung für diese bubenhafte Lästerung unserer Nation
wird dadurch natürlich nicht ausgeschlossen, daß der Autor auf einem Bil¬
dungsniveau steht, welches dem Schüler der Quinta auf deutschen Gymnasien
die Benutzung derselben Classe für ein zweites Jahr sichern würde. Herr
Sander-Masons construirt, wie man sich aus den mitgetheilten Citaten über¬
zeugen kann, selten einen deutschen Satz richtig. Er hat von den Gesetzen
vernünftiger Interpunktion keine Ahnung. Er schreibt consequent Odissee,
Dyonisos, von (Zuixotes, Colatinus, Vtrtuosinen, Gustav Freitag, deko-
letirt, Satyrohren. Er schreibt „lange Zoten wirren Haares," der Queu, der
Polster (Plural: die Polster), „für was hattest Du sie?" „vom alten König herab
bis zur Trödlerin" u. s. w. Dieser erhebliche Mangel an gewöhnlicher Schul-
bildung nimmt ihm aber nichts von seiner Verantwortlichkeit für diese Ver¬
leumdungen. Es fehlt an einem internationalen Strafcodex für gemeine An¬
griffe auf die Ehre anderer Nationen. Wenn Herr Sander-Masons Fräulein
Josefine Gallmeyer in einer der von seiner Feder bevorzugten Wiener Vor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/461>, abgerufen am 22.07.2024.