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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Aerrn Sander-Masons's antideutscher Uoman^).

"Ich zähle zu den Wenigen in Deutschland, welche auch unter ver¬
änderten Verhältnissen, welche nach Königgrätz und Sedan ihren politischen
und sittlichen Grundsätzen, ihren freiheitlichen Idealen treu geblieben sind,
welche sich weder durch politische Erfolge noch durch Siege auf dem Schlacht¬
feld bestechen lassen. Während fast alle andern deutschen Schriftsteller zu
Götzendienern des Erfolges und der Macht geworden sind, wage ich es, dem
deutschen Volke unserer Tage einen Spiegel vorzuhalten, in dem es sich genau
so erblicken kann, wie es in der That ist. . . . Ein ekelerregender Byzantinis¬
mus macht sich, wie in unserem politischen Leben, auch in unserer Litera¬
tur breit u. s, w."

So bevorwortet Herr Sander-Masons, der ruthenische Kleinrusse, von den
Ufern der Mur aus, welche ungebildete Geographen bisher für einen nichtdeut¬
schen Fluß hielten, das neueste Erzeugniß seiner Feder. Er gerirt sich in
diesem Vorwort und in sämmtlichen vier Bänden seines Romans "Die Ideale
unsrer Zeit" mit der ihm eigenen Unverfrorenheit als Deutscher, ja mehr als das:
als der einzige aufrichtige, Wahrheit- und freiheitliebende, idealistisch angelegte
Deutsche, als der einzige deutsche Mensch überhaupt, der den Namen verdient.
Die Meisten werden einer solchen Zuversicht gegenüber nur schüchtern an das
Wort Fallstaff's zu denken wagen: "Nicht drei wackre Leute leben umgehangen
in England und der eine von ihnen ist fett und wird alt." Eine noch kleinere
Anzahl von Lesern wird dieser außerordentlichen Unbefangenheit des Autors,
der von Brück a/d. Mur aus "in Deutschland" schreibt, der sich zu "den andern
deutschen Schriftstellern" rechnet, von "unserm politischen Leben" und "unsrer
Literatur" spricht, mit der unzarten Frage zu begegnen wagen: an welchem
Orte des deutschen Reiches hat denn Herr Sander-Masons seinen
Unter se ützungswohnsitz erworben?



") Die Ideale unsrer Zeit. Roman in vier Büchern von Sander-Masons. 2. Auflage. Bern,
Haller 1875.
Greiijboten I. 1870. 56
Aerrn Sander-Masons's antideutscher Uoman^).

„Ich zähle zu den Wenigen in Deutschland, welche auch unter ver¬
änderten Verhältnissen, welche nach Königgrätz und Sedan ihren politischen
und sittlichen Grundsätzen, ihren freiheitlichen Idealen treu geblieben sind,
welche sich weder durch politische Erfolge noch durch Siege auf dem Schlacht¬
feld bestechen lassen. Während fast alle andern deutschen Schriftsteller zu
Götzendienern des Erfolges und der Macht geworden sind, wage ich es, dem
deutschen Volke unserer Tage einen Spiegel vorzuhalten, in dem es sich genau
so erblicken kann, wie es in der That ist. . . . Ein ekelerregender Byzantinis¬
mus macht sich, wie in unserem politischen Leben, auch in unserer Litera¬
tur breit u. s, w."

So bevorwortet Herr Sander-Masons, der ruthenische Kleinrusse, von den
Ufern der Mur aus, welche ungebildete Geographen bisher für einen nichtdeut¬
schen Fluß hielten, das neueste Erzeugniß seiner Feder. Er gerirt sich in
diesem Vorwort und in sämmtlichen vier Bänden seines Romans „Die Ideale
unsrer Zeit" mit der ihm eigenen Unverfrorenheit als Deutscher, ja mehr als das:
als der einzige aufrichtige, Wahrheit- und freiheitliebende, idealistisch angelegte
Deutsche, als der einzige deutsche Mensch überhaupt, der den Namen verdient.
Die Meisten werden einer solchen Zuversicht gegenüber nur schüchtern an das
Wort Fallstaff's zu denken wagen: „Nicht drei wackre Leute leben umgehangen
in England und der eine von ihnen ist fett und wird alt." Eine noch kleinere
Anzahl von Lesern wird dieser außerordentlichen Unbefangenheit des Autors,
der von Brück a/d. Mur aus „in Deutschland" schreibt, der sich zu „den andern
deutschen Schriftstellern" rechnet, von „unserm politischen Leben" und „unsrer
Literatur" spricht, mit der unzarten Frage zu begegnen wagen: an welchem
Orte des deutschen Reiches hat denn Herr Sander-Masons seinen
Unter se ützungswohnsitz erworben?



") Die Ideale unsrer Zeit. Roman in vier Büchern von Sander-Masons. 2. Auflage. Bern,
Haller 1875.
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[0449] Aerrn Sander-Masons's antideutscher Uoman^). „Ich zähle zu den Wenigen in Deutschland, welche auch unter ver¬ änderten Verhältnissen, welche nach Königgrätz und Sedan ihren politischen und sittlichen Grundsätzen, ihren freiheitlichen Idealen treu geblieben sind, welche sich weder durch politische Erfolge noch durch Siege auf dem Schlacht¬ feld bestechen lassen. Während fast alle andern deutschen Schriftsteller zu Götzendienern des Erfolges und der Macht geworden sind, wage ich es, dem deutschen Volke unserer Tage einen Spiegel vorzuhalten, in dem es sich genau so erblicken kann, wie es in der That ist. . . . Ein ekelerregender Byzantinis¬ mus macht sich, wie in unserem politischen Leben, auch in unserer Litera¬ tur breit u. s, w." So bevorwortet Herr Sander-Masons, der ruthenische Kleinrusse, von den Ufern der Mur aus, welche ungebildete Geographen bisher für einen nichtdeut¬ schen Fluß hielten, das neueste Erzeugniß seiner Feder. Er gerirt sich in diesem Vorwort und in sämmtlichen vier Bänden seines Romans „Die Ideale unsrer Zeit" mit der ihm eigenen Unverfrorenheit als Deutscher, ja mehr als das: als der einzige aufrichtige, Wahrheit- und freiheitliebende, idealistisch angelegte Deutsche, als der einzige deutsche Mensch überhaupt, der den Namen verdient. Die Meisten werden einer solchen Zuversicht gegenüber nur schüchtern an das Wort Fallstaff's zu denken wagen: „Nicht drei wackre Leute leben umgehangen in England und der eine von ihnen ist fett und wird alt." Eine noch kleinere Anzahl von Lesern wird dieser außerordentlichen Unbefangenheit des Autors, der von Brück a/d. Mur aus „in Deutschland" schreibt, der sich zu „den andern deutschen Schriftstellern" rechnet, von „unserm politischen Leben" und „unsrer Literatur" spricht, mit der unzarten Frage zu begegnen wagen: an welchem Orte des deutschen Reiches hat denn Herr Sander-Masons seinen Unter se ützungswohnsitz erworben? ") Die Ideale unsrer Zeit. Roman in vier Büchern von Sander-Masons. 2. Auflage. Bern, Haller 1875. Greiijboten I. 1870. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/449>, abgerufen am 25.08.2024.