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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Suworow's "Marsch durch die Schweiz im Jahre 1799.
Von Friedrich von Bülow. II.

Je mehr man dem Vierwaldstättersee sich nähert, desto weiter treten die
hohen Felsmassen zu beiden Seiten des Defilees zurück und das Thal er¬
scheint uns in andrer Gestalt. Die mit Schnee bedeckten Spitzen entschwinden
unsern Blicken und die Bergvorsprunge sind mit grünen Matten bedeckt. Der
Strom wird in seinem Falle ruhiger und längs seiner Ufer treten Felder
und Wiesen hervor; gegen das Schächenthal öffnet sich auf dem rechten Ufer
der Reuß eine Fläche von wohl einer halben Stunde in der Breite.

Dort nahm Lecourbe, südlich Altdorf, Stellung. Ein andrer Theil der
französischen Truppen war auf das linke Reuß-Ufer gegangen und hatte sich
zwischen den Dörfern Attinghausen und Sectors verschanzt; auch bei Flüelen
waren Verschanzungen angelegt. Eine Flotille von Kanonenbooten und Trans¬
portfahrzeugen war an beiden letzteren Orten vertheilt.

Das Corps Rosenberg, die feindlichen Streitkräfte, welche ihm auf dem
linken Ufer in der Flanke blieben, nicht beachtend, überschritt am 2S. früh
den Schächenbach. Lecourbe vermochte sich hier nicht lange zu halten und
zog sich nach Flüelen und Sectors zurück. Die ganze russische Armee sammelte
sich nun bei Altdorf und bezog ein Bivouak längs des Schächenbaches.
Die russische Armee hatte innerhalb dreier Tage von Dazio bis Altdorf
11 Meilen zurückgelegt, die einzelnen Umgehungscolonnen noch weit mehr.
Wenn man bedenkt, auf welcher äußerst schwierigen Gebirgsstraße vorge¬
drungen worden, was für ein hartnäckiger Widerstand des Feindes, Schritt
für Schritt dabei zu überwinden gewesen, wird man diese Leistung der Truppen
zu würdigen verstehen. In Altdorf eingetroffen wird erst Suworow gewahr,
wohin er geführt worden; die Se. Gotthardt Straße hatte hier ein Ende;
der Verkehr mit Luzern und Schwyz war damals nur per Schiff möglich, --
und den See und sämmtliche Schiffe daraus hatten die Franzosen im Besitz.


Grenzboten I. 1876. 61
Suworow's "Marsch durch die Schweiz im Jahre 1799.
Von Friedrich von Bülow. II.

Je mehr man dem Vierwaldstättersee sich nähert, desto weiter treten die
hohen Felsmassen zu beiden Seiten des Defilees zurück und das Thal er¬
scheint uns in andrer Gestalt. Die mit Schnee bedeckten Spitzen entschwinden
unsern Blicken und die Bergvorsprunge sind mit grünen Matten bedeckt. Der
Strom wird in seinem Falle ruhiger und längs seiner Ufer treten Felder
und Wiesen hervor; gegen das Schächenthal öffnet sich auf dem rechten Ufer
der Reuß eine Fläche von wohl einer halben Stunde in der Breite.

Dort nahm Lecourbe, südlich Altdorf, Stellung. Ein andrer Theil der
französischen Truppen war auf das linke Reuß-Ufer gegangen und hatte sich
zwischen den Dörfern Attinghausen und Sectors verschanzt; auch bei Flüelen
waren Verschanzungen angelegt. Eine Flotille von Kanonenbooten und Trans¬
portfahrzeugen war an beiden letzteren Orten vertheilt.

Das Corps Rosenberg, die feindlichen Streitkräfte, welche ihm auf dem
linken Ufer in der Flanke blieben, nicht beachtend, überschritt am 2S. früh
den Schächenbach. Lecourbe vermochte sich hier nicht lange zu halten und
zog sich nach Flüelen und Sectors zurück. Die ganze russische Armee sammelte
sich nun bei Altdorf und bezog ein Bivouak längs des Schächenbaches.
Die russische Armee hatte innerhalb dreier Tage von Dazio bis Altdorf
11 Meilen zurückgelegt, die einzelnen Umgehungscolonnen noch weit mehr.
Wenn man bedenkt, auf welcher äußerst schwierigen Gebirgsstraße vorge¬
drungen worden, was für ein hartnäckiger Widerstand des Feindes, Schritt
für Schritt dabei zu überwinden gewesen, wird man diese Leistung der Truppen
zu würdigen verstehen. In Altdorf eingetroffen wird erst Suworow gewahr,
wohin er geführt worden; die Se. Gotthardt Straße hatte hier ein Ende;
der Verkehr mit Luzern und Schwyz war damals nur per Schiff möglich, —
und den See und sämmtliche Schiffe daraus hatten die Franzosen im Besitz.


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[0409] Suworow's "Marsch durch die Schweiz im Jahre 1799. Von Friedrich von Bülow. II. Je mehr man dem Vierwaldstättersee sich nähert, desto weiter treten die hohen Felsmassen zu beiden Seiten des Defilees zurück und das Thal er¬ scheint uns in andrer Gestalt. Die mit Schnee bedeckten Spitzen entschwinden unsern Blicken und die Bergvorsprunge sind mit grünen Matten bedeckt. Der Strom wird in seinem Falle ruhiger und längs seiner Ufer treten Felder und Wiesen hervor; gegen das Schächenthal öffnet sich auf dem rechten Ufer der Reuß eine Fläche von wohl einer halben Stunde in der Breite. Dort nahm Lecourbe, südlich Altdorf, Stellung. Ein andrer Theil der französischen Truppen war auf das linke Reuß-Ufer gegangen und hatte sich zwischen den Dörfern Attinghausen und Sectors verschanzt; auch bei Flüelen waren Verschanzungen angelegt. Eine Flotille von Kanonenbooten und Trans¬ portfahrzeugen war an beiden letzteren Orten vertheilt. Das Corps Rosenberg, die feindlichen Streitkräfte, welche ihm auf dem linken Ufer in der Flanke blieben, nicht beachtend, überschritt am 2S. früh den Schächenbach. Lecourbe vermochte sich hier nicht lange zu halten und zog sich nach Flüelen und Sectors zurück. Die ganze russische Armee sammelte sich nun bei Altdorf und bezog ein Bivouak längs des Schächenbaches. Die russische Armee hatte innerhalb dreier Tage von Dazio bis Altdorf 11 Meilen zurückgelegt, die einzelnen Umgehungscolonnen noch weit mehr. Wenn man bedenkt, auf welcher äußerst schwierigen Gebirgsstraße vorge¬ drungen worden, was für ein hartnäckiger Widerstand des Feindes, Schritt für Schritt dabei zu überwinden gewesen, wird man diese Leistung der Truppen zu würdigen verstehen. In Altdorf eingetroffen wird erst Suworow gewahr, wohin er geführt worden; die Se. Gotthardt Straße hatte hier ein Ende; der Verkehr mit Luzern und Schwyz war damals nur per Schiff möglich, — und den See und sämmtliche Schiffe daraus hatten die Franzosen im Besitz. Grenzboten I. 1876. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/409>, abgerufen am 27.09.2024.