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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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schickte. Hiermit war sein Lebensdrief besiegelt. Von Massuah, der Hafen¬
stadt am Rothen Meere aus, gelangte er nach Keren und dem Lande der
Bogo's in den nördlichen Ausläufern der abessinischen Gebirge. Hier, in dem
gelobten Lande der Naturschönheit und des Naturreichthums blieb er mehrere
Jahre angesessen, wenn man ansässig sein ein beständiges Umherstreifen auf
Entdeckungen nennen darf (1855-- 1861). Von seinen Studien giebt seine
Schrift "Sitten und Recht der Bogo's" (1859) ein glänzendes Zeugniß. Die
deutsche Nation that einen glücklichen Griff, als sie auch Werner Munzinger
zur Theilnahme an der Erpedition ersuchte, welche (1861) den verschollenen
Afrikareisenden Eduard Vogel aufsuchen sollte. Munzinger folgte der Auf¬
forderung und gelangte mit seinem Gefolge durch Länder, welche noch kein
Europäer vor ihm betreten hatte. Nachdem er von einem Araber das traurige
Schicksal des Gemordeten erfahren, trat er die Rückreise an (Juli 1862).
denn weiteres Vordringen, von L'Obeid in Kordofan aus, wäre der sichere
Tod für die Expedition gewesen und hätte der Wissenschaft nicht den geringsten
Gewinnst gebracht. Nach 10 jähriger Abwesenheit sahen ihn, wenn auch nur
für kurze Zeit, die Seinigen wieder in der schweizerischen Heimath (Febr. 1863).
Schon im Herbst desselben Jahres trieb es ihn wieder nach dem Lande seiner
Bestimmung. Die "ostafrikanischen Studien" (1864), sein "voeabulairs Ah ig,
liMAu" "kiZrö" (1865) und mehrere andere Arbeiten in Petermann's Mit¬
theilungen und anderen Zeitschriften erschlossen der Ethnographie und Sprach¬
kunde eine Fülle neuen Materials; die ostafr. Studien besonders gelten bei
Kennern als classisch. Es folgte nun Munzinger's von so schönem Erfolge
für England gekrönte, für seine eigene Person jedoch mehr als mager aus-
fallende, ja mit schnödem Undank belohnte Verbindung mit englischen Inter¬
essen; das erste glänzende Zeugniß derselben waren seine "Routss in ^b^g-
sinis, prksenteä de> edle Kouss ok Lowinons" (1867).

Am Gelingen der abessinischen Expedition hat Munzinger das Hauptver¬
dienst (das wußte Sir Robert Napier); er hat England unzählige Opfer an
Zeit, Geld und Menschenleben erspart. Das Lohn dafür war die Aufhebung
des Vice-Consulats zu Massuah und Kündigung des Gehalts an Munzinger
auf den Juni 1869. Was kümmert sich das noble Albion drum, wenn ein
Schrei des Unwillens und der Entrüstung vom Continent aus ihm entgegen tönt!
Den Ruhm konnte es zum Glück Munzinger nicht rauben, daß dieser aus
Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit ihm weit voranstand. Der Vice-König
von Aegypten wußte seinen Mann auch zu finden und besser zu lohnen. Im
Juli 1871 ernannte er ihn zum Gouverneur von Massuah. theilte ihm das
Jahr darauf noch die Provinz Suakim zu und erhob ihn zum Pascha und
Generalgouvemeur dieser Länder. Was nun Munzinger in die Hand nahm,
hatte Sinn und Plan, gerade das. was so vielen gebildeten, unternehmenden


Grenzboten I. 187V, 50

schickte. Hiermit war sein Lebensdrief besiegelt. Von Massuah, der Hafen¬
stadt am Rothen Meere aus, gelangte er nach Keren und dem Lande der
Bogo's in den nördlichen Ausläufern der abessinischen Gebirge. Hier, in dem
gelobten Lande der Naturschönheit und des Naturreichthums blieb er mehrere
Jahre angesessen, wenn man ansässig sein ein beständiges Umherstreifen auf
Entdeckungen nennen darf (1855— 1861). Von seinen Studien giebt seine
Schrift „Sitten und Recht der Bogo's" (1859) ein glänzendes Zeugniß. Die
deutsche Nation that einen glücklichen Griff, als sie auch Werner Munzinger
zur Theilnahme an der Erpedition ersuchte, welche (1861) den verschollenen
Afrikareisenden Eduard Vogel aufsuchen sollte. Munzinger folgte der Auf¬
forderung und gelangte mit seinem Gefolge durch Länder, welche noch kein
Europäer vor ihm betreten hatte. Nachdem er von einem Araber das traurige
Schicksal des Gemordeten erfahren, trat er die Rückreise an (Juli 1862).
denn weiteres Vordringen, von L'Obeid in Kordofan aus, wäre der sichere
Tod für die Expedition gewesen und hätte der Wissenschaft nicht den geringsten
Gewinnst gebracht. Nach 10 jähriger Abwesenheit sahen ihn, wenn auch nur
für kurze Zeit, die Seinigen wieder in der schweizerischen Heimath (Febr. 1863).
Schon im Herbst desselben Jahres trieb es ihn wieder nach dem Lande seiner
Bestimmung. Die „ostafrikanischen Studien" (1864), sein „voeabulairs Ah ig,
liMAu« "kiZrö" (1865) und mehrere andere Arbeiten in Petermann's Mit¬
theilungen und anderen Zeitschriften erschlossen der Ethnographie und Sprach¬
kunde eine Fülle neuen Materials; die ostafr. Studien besonders gelten bei
Kennern als classisch. Es folgte nun Munzinger's von so schönem Erfolge
für England gekrönte, für seine eigene Person jedoch mehr als mager aus-
fallende, ja mit schnödem Undank belohnte Verbindung mit englischen Inter¬
essen; das erste glänzende Zeugniß derselben waren seine „Routss in ^b^g-
sinis, prksenteä de> edle Kouss ok Lowinons" (1867).

Am Gelingen der abessinischen Expedition hat Munzinger das Hauptver¬
dienst (das wußte Sir Robert Napier); er hat England unzählige Opfer an
Zeit, Geld und Menschenleben erspart. Das Lohn dafür war die Aufhebung
des Vice-Consulats zu Massuah und Kündigung des Gehalts an Munzinger
auf den Juni 1869. Was kümmert sich das noble Albion drum, wenn ein
Schrei des Unwillens und der Entrüstung vom Continent aus ihm entgegen tönt!
Den Ruhm konnte es zum Glück Munzinger nicht rauben, daß dieser aus
Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit ihm weit voranstand. Der Vice-König
von Aegypten wußte seinen Mann auch zu finden und besser zu lohnen. Im
Juli 1871 ernannte er ihn zum Gouverneur von Massuah. theilte ihm das
Jahr darauf noch die Provinz Suakim zu und erhob ihn zum Pascha und
Generalgouvemeur dieser Länder. Was nun Munzinger in die Hand nahm,
hatte Sinn und Plan, gerade das. was so vielen gebildeten, unternehmenden


Grenzboten I. 187V, 50
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/401>, abgerufen am 19.10.2024.