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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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der eiserne Mittelpunkt desselben aber ist Diedenhofen, die alte Villa Theo-
donis, die Beste Thionville. Hier zieht die uralte Heerstraße vorüber von
Metz gegen Trier und Luxemburg; hier treffen sich jetzt die mächtigen Schienen,
die nach allen Seiten den Weltverkehr der Gegenwart vermitteln. Es ist eine
strenge Theilung: die Stadt selbst hat das linke Ufer der Mosel für sich
genommen, während rechts die riesigen Forts und all die Gebäude liegen,
die zum Waffendienste gehören; denn schon unter Frankreich galt Thionville
für eine Festung ersten Ranges, es war einer der vorgeschobensten Posten
Wider Deutschland.

Die günstige Lage, welche der Stadt eine solche Bedeutung gab, erhellt
auch für den Laien auf den ersten Blick und ward schon in frühester Zeit
begriffen. Mit jenem seltenen Scharfsinn, der jeden strategischen Punkt aus
der Wildniß germanischer Urzeit herausfand, hatten die Römer hier ihre
Straßen gezogen und Diedenhofen zu einem Stützpunkt derselben gemacht:
ihr Erbe fiel dann in deutsche Hand und was jene aus Klugheit gethan, das
that der große Karolingerstamm aus Neigung; auch er wandte seinen Blick
nach dieser Scholle. In der alten Königspfalz, die zu Diedenhofen erstand,
hielt schon Pipin der Kleine Hof und so manche entscheidende That, die Karl
der Große gethan, ist mit dem Namen der Stadt verknüpft. Zwei große
Concilien, deren Zweck es war die kirchliche Zucht im Reiche zu festigen, traten
hier zusammen, mehrere seiner Capitularien ergingen von hier und als der
große Kaiser des Sterbens gedachte und der Frage, was einst nach seinem
Tode aus diesen Ländermassen würde, da beschied er die Mächtigsten secher,
um ihren Rath zu hören und ihnen den eigenen Rathschluß zu künden,

Nach dem Erlöschen der Karolinger begann für die Stadt ein wechsel¬
volles Geschick. Schon im dreizehnten Jahrhundert besaß sie den Ruf einer
hervorragenden Beste und ihr Besitz war demnach viel umworben, die
Herren, welche ihn innehalten, waren erst die Grasen von Luxemburg,
dann kam Burgund und Habsburg, Spanien und das Frankreich der
Bourbonen.

Natürlich war jeder Wechsel solcher Macht mit schweren Kämpfen für
die Stadt verknüpft, denn keiner wich dem besseren Rechte des Nachbars, jeder
wich nur der blutigen Gewalt. Eine Reihe furchtbarer Belagerungen wurde
das Loos der Stadt, die sich zwar allzeit tapfer ihres Lebens wehrte, aber
oft genug siegte doch die drückende Uebermacht. Nach der Einnahme durch
den Herzog von Guise und den Marschall von Meilleville wurden sogar
die Einwohner vertrieben um die Stadt mit Ansiedlern aus Metz zu be¬
völkern; bis Philipp VI. im Frieden von Chateau-CambreW dieselbe zurück¬
gewann. Unter den Mauern von Diedenhofen stand Piccolomtni im dreißig¬
jährigen Kriege.


der eiserne Mittelpunkt desselben aber ist Diedenhofen, die alte Villa Theo-
donis, die Beste Thionville. Hier zieht die uralte Heerstraße vorüber von
Metz gegen Trier und Luxemburg; hier treffen sich jetzt die mächtigen Schienen,
die nach allen Seiten den Weltverkehr der Gegenwart vermitteln. Es ist eine
strenge Theilung: die Stadt selbst hat das linke Ufer der Mosel für sich
genommen, während rechts die riesigen Forts und all die Gebäude liegen,
die zum Waffendienste gehören; denn schon unter Frankreich galt Thionville
für eine Festung ersten Ranges, es war einer der vorgeschobensten Posten
Wider Deutschland.

Die günstige Lage, welche der Stadt eine solche Bedeutung gab, erhellt
auch für den Laien auf den ersten Blick und ward schon in frühester Zeit
begriffen. Mit jenem seltenen Scharfsinn, der jeden strategischen Punkt aus
der Wildniß germanischer Urzeit herausfand, hatten die Römer hier ihre
Straßen gezogen und Diedenhofen zu einem Stützpunkt derselben gemacht:
ihr Erbe fiel dann in deutsche Hand und was jene aus Klugheit gethan, das
that der große Karolingerstamm aus Neigung; auch er wandte seinen Blick
nach dieser Scholle. In der alten Königspfalz, die zu Diedenhofen erstand,
hielt schon Pipin der Kleine Hof und so manche entscheidende That, die Karl
der Große gethan, ist mit dem Namen der Stadt verknüpft. Zwei große
Concilien, deren Zweck es war die kirchliche Zucht im Reiche zu festigen, traten
hier zusammen, mehrere seiner Capitularien ergingen von hier und als der
große Kaiser des Sterbens gedachte und der Frage, was einst nach seinem
Tode aus diesen Ländermassen würde, da beschied er die Mächtigsten secher,
um ihren Rath zu hören und ihnen den eigenen Rathschluß zu künden,

Nach dem Erlöschen der Karolinger begann für die Stadt ein wechsel¬
volles Geschick. Schon im dreizehnten Jahrhundert besaß sie den Ruf einer
hervorragenden Beste und ihr Besitz war demnach viel umworben, die
Herren, welche ihn innehalten, waren erst die Grasen von Luxemburg,
dann kam Burgund und Habsburg, Spanien und das Frankreich der
Bourbonen.

Natürlich war jeder Wechsel solcher Macht mit schweren Kämpfen für
die Stadt verknüpft, denn keiner wich dem besseren Rechte des Nachbars, jeder
wich nur der blutigen Gewalt. Eine Reihe furchtbarer Belagerungen wurde
das Loos der Stadt, die sich zwar allzeit tapfer ihres Lebens wehrte, aber
oft genug siegte doch die drückende Uebermacht. Nach der Einnahme durch
den Herzog von Guise und den Marschall von Meilleville wurden sogar
die Einwohner vertrieben um die Stadt mit Ansiedlern aus Metz zu be¬
völkern; bis Philipp VI. im Frieden von Chateau-CambreW dieselbe zurück¬
gewann. Unter den Mauern von Diedenhofen stand Piccolomtni im dreißig¬
jährigen Kriege.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/356>, abgerufen am 22.07.2024.