Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gebauten schon fertig und ein stolzer Name für sie und ihren Fleiß gefunden.
Stores Landing, bisher ein Nest von etlichen elenden Blockhütten, wird fortan
"Napoleon", der Gänsepfuhl der "Columbus River" heißen. Der Oberst ist
ganz glücklich, er hat sich mit dem Erlös der Bauplätze behaglicher eingerichtet,
er hat sogar etwas Geld in der Bank stehen, womit er nicht wenig großthut.
Da wendet sich plötzlich das Blatt, Die zur Vertiefung des Columbus Rivers
bewilligten zweimalhunderttausend Dollars sind für Bestechung der Congreß-
mitglieder, für Gründerspesen, Reclamen u. tgi. aufgegangen, Tellers erfährt,
daß er, statt reich, verschuldet ist, mit Mühe und Noth erwehrt er sich durch
seine Beredsamkeit der Wuth der Arbeiter, die er nicht bezahlen kann, und
die ihn hängen wollen. Sie verlaufen sich endlich, ihnen folgen die neuen
Ansiedler, die Zeitung, die ein unternehmender Buchdrucker in Napoleon
gegründet hat, sinkt in ein frühes Grab, die kluge Kaulquappe, welche sich
vor dem Lärm am Gänsepfuhl von Stores Landing in höhere Regionen des
Flusses geflüchtet, kehrt aus der Verbannung zurück, der Ochsenfrosch beginnt
in der Einöde sein altes Lied von Neuem, die seelenruhige Schildkröte sonnt
wieder ihren Rücken auf Ufer und Baumklotz und verduselt ihr behagliches
Leben wie in den holden Tagen von Ehedem.

Es ist ein harter Schlag für den armen Obersten, sehen zu müssen, wie
seine Lieblingsunternehmung stockt und erstirbt. Aber seine Freunde leiden
davon mehr als er selbst. Er ist wie ein Kork, der nicht lange unter Wasser
gehalten werden kann. Hören wir, wie er seine Frau tröstet.

"'s ist Alles in der Ordnung, meine Liebe, Alles in der Ordnung. Es
wird sich Alles ganz gut machen in einer kleinen Weile. Mach Du Dir nur
ganz und gar keine Sorge, altes Weibchen; Du sollst sehen, wie wir mit
dieser Geschichte ganz gemüthlich zu Stande kommen. Et der Tausend, mag
doch in Gottes Namen die Bewilligung ausbleiben, wenn sie Lust hat
wir haben etwas Größeres auf dem Korn."

"Etwas Größeres als zweimalhunderttausend Dollars?"

"Ja wohl etwas Größeres, Kind. Lieber Himmel, was sind denn zwei¬
malhunderttausend Dollars? Taschengeld, das reine Taschengeld! Hast Du
die Eisenbahn vergessen? Es sind nicht viele Monate hin bis zum Frühjahr,
und die Eisenbahn schwimmt ihm dicht hinter den Fersen her."

"O die Eisenbahn, die hatte'ich wahrhaftig vergessen, Liebster; aber wenn
eins verdreht im Kopfe wird, vergißt er Alles. Ja wohl, die Eisenbahn --
erzähle mir von der Eisenbahn."

"Aha, mein Mädel, merkst Du was? Die Sachen liegen nicht so schlimm,
nicht wahr? Na, jetzt denk' einmal ein bischen nach, rechne Dir ein bischen
zusammen, was für die Zukunft so gewiß ist, wie daß zweimal zwei vier
macht. Zum Beispiel nimm an, daß dieser Präsentirteller die Stadt


gebauten schon fertig und ein stolzer Name für sie und ihren Fleiß gefunden.
Stores Landing, bisher ein Nest von etlichen elenden Blockhütten, wird fortan
„Napoleon", der Gänsepfuhl der „Columbus River" heißen. Der Oberst ist
ganz glücklich, er hat sich mit dem Erlös der Bauplätze behaglicher eingerichtet,
er hat sogar etwas Geld in der Bank stehen, womit er nicht wenig großthut.
Da wendet sich plötzlich das Blatt, Die zur Vertiefung des Columbus Rivers
bewilligten zweimalhunderttausend Dollars sind für Bestechung der Congreß-
mitglieder, für Gründerspesen, Reclamen u. tgi. aufgegangen, Tellers erfährt,
daß er, statt reich, verschuldet ist, mit Mühe und Noth erwehrt er sich durch
seine Beredsamkeit der Wuth der Arbeiter, die er nicht bezahlen kann, und
die ihn hängen wollen. Sie verlaufen sich endlich, ihnen folgen die neuen
Ansiedler, die Zeitung, die ein unternehmender Buchdrucker in Napoleon
gegründet hat, sinkt in ein frühes Grab, die kluge Kaulquappe, welche sich
vor dem Lärm am Gänsepfuhl von Stores Landing in höhere Regionen des
Flusses geflüchtet, kehrt aus der Verbannung zurück, der Ochsenfrosch beginnt
in der Einöde sein altes Lied von Neuem, die seelenruhige Schildkröte sonnt
wieder ihren Rücken auf Ufer und Baumklotz und verduselt ihr behagliches
Leben wie in den holden Tagen von Ehedem.

Es ist ein harter Schlag für den armen Obersten, sehen zu müssen, wie
seine Lieblingsunternehmung stockt und erstirbt. Aber seine Freunde leiden
davon mehr als er selbst. Er ist wie ein Kork, der nicht lange unter Wasser
gehalten werden kann. Hören wir, wie er seine Frau tröstet.

„'s ist Alles in der Ordnung, meine Liebe, Alles in der Ordnung. Es
wird sich Alles ganz gut machen in einer kleinen Weile. Mach Du Dir nur
ganz und gar keine Sorge, altes Weibchen; Du sollst sehen, wie wir mit
dieser Geschichte ganz gemüthlich zu Stande kommen. Et der Tausend, mag
doch in Gottes Namen die Bewilligung ausbleiben, wenn sie Lust hat
wir haben etwas Größeres auf dem Korn."

„Etwas Größeres als zweimalhunderttausend Dollars?"

„Ja wohl etwas Größeres, Kind. Lieber Himmel, was sind denn zwei¬
malhunderttausend Dollars? Taschengeld, das reine Taschengeld! Hast Du
die Eisenbahn vergessen? Es sind nicht viele Monate hin bis zum Frühjahr,
und die Eisenbahn schwimmt ihm dicht hinter den Fersen her."

„O die Eisenbahn, die hatte'ich wahrhaftig vergessen, Liebster; aber wenn
eins verdreht im Kopfe wird, vergißt er Alles. Ja wohl, die Eisenbahn —
erzähle mir von der Eisenbahn."

„Aha, mein Mädel, merkst Du was? Die Sachen liegen nicht so schlimm,
nicht wahr? Na, jetzt denk' einmal ein bischen nach, rechne Dir ein bischen
zusammen, was für die Zukunft so gewiß ist, wie daß zweimal zwei vier
macht. Zum Beispiel nimm an, daß dieser Präsentirteller die Stadt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135405"/>
          <p xml:id="ID_993" prev="#ID_992"> gebauten schon fertig und ein stolzer Name für sie und ihren Fleiß gefunden.<lb/>
Stores Landing, bisher ein Nest von etlichen elenden Blockhütten, wird fortan<lb/>
&#x201E;Napoleon", der Gänsepfuhl der &#x201E;Columbus River" heißen. Der Oberst ist<lb/>
ganz glücklich, er hat sich mit dem Erlös der Bauplätze behaglicher eingerichtet,<lb/>
er hat sogar etwas Geld in der Bank stehen, womit er nicht wenig großthut.<lb/>
Da wendet sich plötzlich das Blatt, Die zur Vertiefung des Columbus Rivers<lb/>
bewilligten zweimalhunderttausend Dollars sind für Bestechung der Congreß-<lb/>
mitglieder, für Gründerspesen, Reclamen u. tgi. aufgegangen, Tellers erfährt,<lb/>
daß er, statt reich, verschuldet ist, mit Mühe und Noth erwehrt er sich durch<lb/>
seine Beredsamkeit der Wuth der Arbeiter, die er nicht bezahlen kann, und<lb/>
die ihn hängen wollen. Sie verlaufen sich endlich, ihnen folgen die neuen<lb/>
Ansiedler, die Zeitung, die ein unternehmender Buchdrucker in Napoleon<lb/>
gegründet hat, sinkt in ein frühes Grab, die kluge Kaulquappe, welche sich<lb/>
vor dem Lärm am Gänsepfuhl von Stores Landing in höhere Regionen des<lb/>
Flusses geflüchtet, kehrt aus der Verbannung zurück, der Ochsenfrosch beginnt<lb/>
in der Einöde sein altes Lied von Neuem, die seelenruhige Schildkröte sonnt<lb/>
wieder ihren Rücken auf Ufer und Baumklotz und verduselt ihr behagliches<lb/>
Leben wie in den holden Tagen von Ehedem.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_994"> Es ist ein harter Schlag für den armen Obersten, sehen zu müssen, wie<lb/>
seine Lieblingsunternehmung stockt und erstirbt. Aber seine Freunde leiden<lb/>
davon mehr als er selbst. Er ist wie ein Kork, der nicht lange unter Wasser<lb/>
gehalten werden kann.  Hören wir, wie er seine Frau tröstet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_995"> &#x201E;'s ist Alles in der Ordnung, meine Liebe, Alles in der Ordnung. Es<lb/>
wird sich Alles ganz gut machen in einer kleinen Weile. Mach Du Dir nur<lb/>
ganz und gar keine Sorge, altes Weibchen; Du sollst sehen, wie wir mit<lb/>
dieser Geschichte ganz gemüthlich zu Stande kommen. Et der Tausend, mag<lb/>
doch in Gottes Namen die Bewilligung ausbleiben, wenn sie Lust hat<lb/>
wir haben etwas Größeres auf dem Korn."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_996"> &#x201E;Etwas Größeres als zweimalhunderttausend Dollars?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_997"> &#x201E;Ja wohl etwas Größeres, Kind. Lieber Himmel, was sind denn zwei¬<lb/>
malhunderttausend Dollars? Taschengeld, das reine Taschengeld! Hast Du<lb/>
die Eisenbahn vergessen? Es sind nicht viele Monate hin bis zum Frühjahr,<lb/>
und die Eisenbahn schwimmt ihm dicht hinter den Fersen her."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_998"> &#x201E;O die Eisenbahn, die hatte'ich wahrhaftig vergessen, Liebster; aber wenn<lb/>
eins verdreht im Kopfe wird, vergißt er Alles. Ja wohl, die Eisenbahn &#x2014;<lb/>
erzähle mir von der Eisenbahn."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_999" next="#ID_1000"> &#x201E;Aha, mein Mädel, merkst Du was? Die Sachen liegen nicht so schlimm,<lb/>
nicht wahr? Na, jetzt denk' einmal ein bischen nach, rechne Dir ein bischen<lb/>
zusammen, was für die Zukunft so gewiß ist, wie daß zweimal zwei vier<lb/>
macht.  Zum Beispiel nimm an, daß  dieser Präsentirteller  die Stadt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0352] gebauten schon fertig und ein stolzer Name für sie und ihren Fleiß gefunden. Stores Landing, bisher ein Nest von etlichen elenden Blockhütten, wird fortan „Napoleon", der Gänsepfuhl der „Columbus River" heißen. Der Oberst ist ganz glücklich, er hat sich mit dem Erlös der Bauplätze behaglicher eingerichtet, er hat sogar etwas Geld in der Bank stehen, womit er nicht wenig großthut. Da wendet sich plötzlich das Blatt, Die zur Vertiefung des Columbus Rivers bewilligten zweimalhunderttausend Dollars sind für Bestechung der Congreß- mitglieder, für Gründerspesen, Reclamen u. tgi. aufgegangen, Tellers erfährt, daß er, statt reich, verschuldet ist, mit Mühe und Noth erwehrt er sich durch seine Beredsamkeit der Wuth der Arbeiter, die er nicht bezahlen kann, und die ihn hängen wollen. Sie verlaufen sich endlich, ihnen folgen die neuen Ansiedler, die Zeitung, die ein unternehmender Buchdrucker in Napoleon gegründet hat, sinkt in ein frühes Grab, die kluge Kaulquappe, welche sich vor dem Lärm am Gänsepfuhl von Stores Landing in höhere Regionen des Flusses geflüchtet, kehrt aus der Verbannung zurück, der Ochsenfrosch beginnt in der Einöde sein altes Lied von Neuem, die seelenruhige Schildkröte sonnt wieder ihren Rücken auf Ufer und Baumklotz und verduselt ihr behagliches Leben wie in den holden Tagen von Ehedem. Es ist ein harter Schlag für den armen Obersten, sehen zu müssen, wie seine Lieblingsunternehmung stockt und erstirbt. Aber seine Freunde leiden davon mehr als er selbst. Er ist wie ein Kork, der nicht lange unter Wasser gehalten werden kann. Hören wir, wie er seine Frau tröstet. „'s ist Alles in der Ordnung, meine Liebe, Alles in der Ordnung. Es wird sich Alles ganz gut machen in einer kleinen Weile. Mach Du Dir nur ganz und gar keine Sorge, altes Weibchen; Du sollst sehen, wie wir mit dieser Geschichte ganz gemüthlich zu Stande kommen. Et der Tausend, mag doch in Gottes Namen die Bewilligung ausbleiben, wenn sie Lust hat wir haben etwas Größeres auf dem Korn." „Etwas Größeres als zweimalhunderttausend Dollars?" „Ja wohl etwas Größeres, Kind. Lieber Himmel, was sind denn zwei¬ malhunderttausend Dollars? Taschengeld, das reine Taschengeld! Hast Du die Eisenbahn vergessen? Es sind nicht viele Monate hin bis zum Frühjahr, und die Eisenbahn schwimmt ihm dicht hinter den Fersen her." „O die Eisenbahn, die hatte'ich wahrhaftig vergessen, Liebster; aber wenn eins verdreht im Kopfe wird, vergißt er Alles. Ja wohl, die Eisenbahn — erzähle mir von der Eisenbahn." „Aha, mein Mädel, merkst Du was? Die Sachen liegen nicht so schlimm, nicht wahr? Na, jetzt denk' einmal ein bischen nach, rechne Dir ein bischen zusammen, was für die Zukunft so gewiß ist, wie daß zweimal zwei vier macht. Zum Beispiel nimm an, daß dieser Präsentirteller die Stadt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/352
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/352>, abgerufen am 22.07.2024.