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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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mich bei einer dieser Speculationen betheiligen ... ich wollte, ich wäre nicht
von Armuth bedrängt und niedergehalten und gefesselt, wo solche wundervolle
Aussichten hier vor meinen Augen liegen. ..

Ein liebreiches mitleidiges Lächeln spielte auf den Zügen des Obersten, und
er lehnte sich über den Tisch mit der Miene eines Mannes, der "es Einem
schon zeigen wird" und zwar ohne Mühe. El, Washington, mein Junge,
rief er, diese Sachen sind gar nichts. Sie sehen aus, als ob sie 'was
Großes wären -- natürlich sehen sie groß aus in den Augen eines Neulings
-- aber für einen Mann, der sein ganzes Leben lang an große Operationen
gewöhnt gewesen ist -- bah! Sie sind ganz gut, um damit eine unbeschäf¬
tigte Stunde zu verbringen, oder einem Bischen brach liegendes Kapital Ge¬
legenheit zu verschaffen, ein paar Dollars zu verdienen, so lange es warten
muß, bis es wirklich 'was zu thun giebt; aber -- jetzt horch einen Augen¬
blick auf -- laß mich Dir einmal eine Idee von dem geben, was wir alten
Veteranen der Handelswelt ein Geschäft nennen. Hier haben wir den Roth-
-Schild'schen Borschlag -- das ist unter uns, verstehst Du-- denn ich möchte
es nicht um ein Bermögen herauskommen lassen. Sie wollen mich im Stillen
dabei haben -- Agent vor zwei Wochen deshalb hier gewesen -- ganz in der
Stille soll ich mitthun und -- hier dämpfte er seine Stimme zu einem ein¬
drucksvoller Flüstern hundert und dreizehn nothleidende Banken in Ohio,
Jndiana. Kentucky. Illinois und Missouri aufkaufen. Die Noten dieser
Banken stehen verschieden -- durchschnittlich vierundvierzig -- ich soll sie auf¬
kaufen, siehst Du wohl, und dann plötzlich die Katze aus dem Sacke lassen.
Wutsch! würden die Actien aller dieser Banken sich zu einem fürchterlich
hohen Stand in die Höhe wirbeln, ehe Du nur einen Purzelbaum schlagen
könntest -- Profit bei der Speculatton nicht ein Dollar weniger als vierzig
Millionen."

Es folgt eine beredte Pause, während welcher die wundervolle Vision
sich in Washington's Gemüth senkt und dort Wurzel schlägt. Er gewinnt
endlich seinen Athem wieder und sagt: "O warum konnten diese Dinge nicht
passiren, als Vater noch im Gange war! Und ich -- na, es nutzt nichts --
sie liegen mir einfach vor der Nase und spotten meiner. Mir bleibt nichts
übrig als Hülflos dazustehen und zuzusehen, wie andre Leute die staunener¬
weckende Ernte einheimsen." Der Oberst tröstet ihn: "Na laß Dich das
nicht bekümmern, Washington, gräme Dich nicht. Will schon für Dich sor¬
gen. Es giebt eine Menge Gelegenheiten. Wie viel Geld hast Du?" Im
Angesichts so vieler Millionen kann Washington sich nicht enthalten, zu er-
röthen, als er gestehen muß, daß er in der ganzen Welt nur achtzehn Dol¬
lars sein nennen kann. "Nun -- schon gut," erwidert der Oberst, "Du
brauchst nicht zu verzweifeln. Andere Leute sind genöthigt gewesen, mit


Grenzboten I. 187". 43

mich bei einer dieser Speculationen betheiligen ... ich wollte, ich wäre nicht
von Armuth bedrängt und niedergehalten und gefesselt, wo solche wundervolle
Aussichten hier vor meinen Augen liegen. ..

Ein liebreiches mitleidiges Lächeln spielte auf den Zügen des Obersten, und
er lehnte sich über den Tisch mit der Miene eines Mannes, der „es Einem
schon zeigen wird" und zwar ohne Mühe. El, Washington, mein Junge,
rief er, diese Sachen sind gar nichts. Sie sehen aus, als ob sie 'was
Großes wären — natürlich sehen sie groß aus in den Augen eines Neulings
— aber für einen Mann, der sein ganzes Leben lang an große Operationen
gewöhnt gewesen ist — bah! Sie sind ganz gut, um damit eine unbeschäf¬
tigte Stunde zu verbringen, oder einem Bischen brach liegendes Kapital Ge¬
legenheit zu verschaffen, ein paar Dollars zu verdienen, so lange es warten
muß, bis es wirklich 'was zu thun giebt; aber — jetzt horch einen Augen¬
blick auf — laß mich Dir einmal eine Idee von dem geben, was wir alten
Veteranen der Handelswelt ein Geschäft nennen. Hier haben wir den Roth-
-Schild'schen Borschlag — das ist unter uns, verstehst Du— denn ich möchte
es nicht um ein Bermögen herauskommen lassen. Sie wollen mich im Stillen
dabei haben — Agent vor zwei Wochen deshalb hier gewesen — ganz in der
Stille soll ich mitthun und — hier dämpfte er seine Stimme zu einem ein¬
drucksvoller Flüstern hundert und dreizehn nothleidende Banken in Ohio,
Jndiana. Kentucky. Illinois und Missouri aufkaufen. Die Noten dieser
Banken stehen verschieden — durchschnittlich vierundvierzig — ich soll sie auf¬
kaufen, siehst Du wohl, und dann plötzlich die Katze aus dem Sacke lassen.
Wutsch! würden die Actien aller dieser Banken sich zu einem fürchterlich
hohen Stand in die Höhe wirbeln, ehe Du nur einen Purzelbaum schlagen
könntest — Profit bei der Speculatton nicht ein Dollar weniger als vierzig
Millionen."

Es folgt eine beredte Pause, während welcher die wundervolle Vision
sich in Washington's Gemüth senkt und dort Wurzel schlägt. Er gewinnt
endlich seinen Athem wieder und sagt: „O warum konnten diese Dinge nicht
passiren, als Vater noch im Gange war! Und ich — na, es nutzt nichts —
sie liegen mir einfach vor der Nase und spotten meiner. Mir bleibt nichts
übrig als Hülflos dazustehen und zuzusehen, wie andre Leute die staunener¬
weckende Ernte einheimsen." Der Oberst tröstet ihn: „Na laß Dich das
nicht bekümmern, Washington, gräme Dich nicht. Will schon für Dich sor¬
gen. Es giebt eine Menge Gelegenheiten. Wie viel Geld hast Du?" Im
Angesichts so vieler Millionen kann Washington sich nicht enthalten, zu er-
röthen, als er gestehen muß, daß er in der ganzen Welt nur achtzehn Dol¬
lars sein nennen kann. „Nun — schon gut," erwidert der Oberst, „Du
brauchst nicht zu verzweifeln. Andere Leute sind genöthigt gewesen, mit


Grenzboten I. 187«. 43
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[0345] mich bei einer dieser Speculationen betheiligen ... ich wollte, ich wäre nicht von Armuth bedrängt und niedergehalten und gefesselt, wo solche wundervolle Aussichten hier vor meinen Augen liegen. .. Ein liebreiches mitleidiges Lächeln spielte auf den Zügen des Obersten, und er lehnte sich über den Tisch mit der Miene eines Mannes, der „es Einem schon zeigen wird" und zwar ohne Mühe. El, Washington, mein Junge, rief er, diese Sachen sind gar nichts. Sie sehen aus, als ob sie 'was Großes wären — natürlich sehen sie groß aus in den Augen eines Neulings — aber für einen Mann, der sein ganzes Leben lang an große Operationen gewöhnt gewesen ist — bah! Sie sind ganz gut, um damit eine unbeschäf¬ tigte Stunde zu verbringen, oder einem Bischen brach liegendes Kapital Ge¬ legenheit zu verschaffen, ein paar Dollars zu verdienen, so lange es warten muß, bis es wirklich 'was zu thun giebt; aber — jetzt horch einen Augen¬ blick auf — laß mich Dir einmal eine Idee von dem geben, was wir alten Veteranen der Handelswelt ein Geschäft nennen. Hier haben wir den Roth- -Schild'schen Borschlag — das ist unter uns, verstehst Du— denn ich möchte es nicht um ein Bermögen herauskommen lassen. Sie wollen mich im Stillen dabei haben — Agent vor zwei Wochen deshalb hier gewesen — ganz in der Stille soll ich mitthun und — hier dämpfte er seine Stimme zu einem ein¬ drucksvoller Flüstern hundert und dreizehn nothleidende Banken in Ohio, Jndiana. Kentucky. Illinois und Missouri aufkaufen. Die Noten dieser Banken stehen verschieden — durchschnittlich vierundvierzig — ich soll sie auf¬ kaufen, siehst Du wohl, und dann plötzlich die Katze aus dem Sacke lassen. Wutsch! würden die Actien aller dieser Banken sich zu einem fürchterlich hohen Stand in die Höhe wirbeln, ehe Du nur einen Purzelbaum schlagen könntest — Profit bei der Speculatton nicht ein Dollar weniger als vierzig Millionen." Es folgt eine beredte Pause, während welcher die wundervolle Vision sich in Washington's Gemüth senkt und dort Wurzel schlägt. Er gewinnt endlich seinen Athem wieder und sagt: „O warum konnten diese Dinge nicht passiren, als Vater noch im Gange war! Und ich — na, es nutzt nichts — sie liegen mir einfach vor der Nase und spotten meiner. Mir bleibt nichts übrig als Hülflos dazustehen und zuzusehen, wie andre Leute die staunener¬ weckende Ernte einheimsen." Der Oberst tröstet ihn: „Na laß Dich das nicht bekümmern, Washington, gräme Dich nicht. Will schon für Dich sor¬ gen. Es giebt eine Menge Gelegenheiten. Wie viel Geld hast Du?" Im Angesichts so vieler Millionen kann Washington sich nicht enthalten, zu er- röthen, als er gestehen muß, daß er in der ganzen Welt nur achtzehn Dol¬ lars sein nennen kann. „Nun — schon gut," erwidert der Oberst, „Du brauchst nicht zu verzweifeln. Andere Leute sind genöthigt gewesen, mit Grenzboten I. 187«. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/345>, abgerufen am 25.08.2024.