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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Eindruck eines ängstlich abgeschlossenen Raumes nicht aufkommen lassen, sondern
den anmuthigen kleinen Bau in freundlichen Verkehr mit dem großen Ganzen
setzen, in welches er sich einfügen soll. Die ganze Wand wird durch einen
Sims bekrönt, unter welchem ein Fries umläuft, der in jeder Nische, innen
wie außen, in silbernen Lettern einen auf Literatur und Bücher bezüglichen
ernsten oder heitern Spruch trägt. Ueber den Eingängen und den abge¬
stumpften Ecken sind Rundbogen herübergeschlagen, deren Zwickel durch Porträt¬
medaillons, mit Sepia auf Goldgrund gemalt, ausgefüllt sind. Die schwarze
Grundfarbe der Holzarchitektur mit ihrer leichten Ornamentik in Bronze
bildete zu der funkelnden und zerstreuenden Unruhe der Ausstellungsgegen¬
stände einen festumschließenden Rahmen.

Dem würdigen Ausstellungsraume entsprach, sicherlich wenigstens im
Großen und Ganzen, auch sein Inhalt, Nie erinnerte man sich bei einer
der üblichen Leipziger Ostermeßausstellungen den deutschen Buchhandel so
stattlich vertreten gesehen zu haben, wie hier, und doch waren es nur die
Leipziger, die an dieser Probeausstellung sich betheiligten, und doch fehlte
selbst unter diesen, neben vielen, die gut gethan hatten, zu Hause zu bleiben,
auch mancher, den man ungern vermißte -- ich nenne nur einen: S. Hirzel.
Die Fülle des Gebotenen erklärte sich natürlich dadurch, daß, während bei
den Osterausstellungen immer nur die Erzeugnisse des letzten Jahres vorge¬
führt werden, hier auf die letzten zehn Jahre zurückgegriffen werden konnte.
Einzelne Firmen hatten selbst diese Beschränkung sich nicht auferlegt, sondern
hatten, wogegen sich am Ende nichts einwenden läßt, z> B. von periodischen
Erscheinungen, deren Begründung weit über ein Jahrzehnt zurückreicht, com-
plete Exemplare ausgestellt. Die Firma T. O. Weigel war sogar bis an
den Anfang dieses Jahrhunderts, ja bis an das Ende des vorigen zurück¬
gegangen und hatte wissenschaftliche Prachtwerke ausgelegt, die sie nicht ein¬
mal selbst verlegt, sondern ihrer Zeit aus anderem Verlag übernommen
hatte -- eine Überschreitung der gegebenen Vorschrift, die sich schon
schwieriger rechtfertigen lassen dürfte. Andre Firmen hatten die Zeitgrenze
zwar ziemlich inne gehalten, dafür aber -- vermuthlich des Goethe'schen
Spruches eingedenk: "die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen" -- in
dem inneren Werthe des Gebotenen doch gar zu wenig Selbstkritik geübt.
Wenn z. B. die Firma O. Spamer bei einzelnem Trefflicher, das sie darbot,
für ihre leichte Fabrikwaare keinen geringeren Raum beanspruchte, als ein
schwerwissenschaftlicher Verlag wie der von W. Engelmann oder von F. C. W.
Vogel, so müßte sie doch, sollte man meinen, selber etwas betroffen hierüber
gewesen und 'ihr der Gedanke gekommen sein, daß das ein Mißverhält¬
niß ist.

Ein erfreuliches Bild bot nun die äußere Ausstattung der Bücher dar --


Eindruck eines ängstlich abgeschlossenen Raumes nicht aufkommen lassen, sondern
den anmuthigen kleinen Bau in freundlichen Verkehr mit dem großen Ganzen
setzen, in welches er sich einfügen soll. Die ganze Wand wird durch einen
Sims bekrönt, unter welchem ein Fries umläuft, der in jeder Nische, innen
wie außen, in silbernen Lettern einen auf Literatur und Bücher bezüglichen
ernsten oder heitern Spruch trägt. Ueber den Eingängen und den abge¬
stumpften Ecken sind Rundbogen herübergeschlagen, deren Zwickel durch Porträt¬
medaillons, mit Sepia auf Goldgrund gemalt, ausgefüllt sind. Die schwarze
Grundfarbe der Holzarchitektur mit ihrer leichten Ornamentik in Bronze
bildete zu der funkelnden und zerstreuenden Unruhe der Ausstellungsgegen¬
stände einen festumschließenden Rahmen.

Dem würdigen Ausstellungsraume entsprach, sicherlich wenigstens im
Großen und Ganzen, auch sein Inhalt, Nie erinnerte man sich bei einer
der üblichen Leipziger Ostermeßausstellungen den deutschen Buchhandel so
stattlich vertreten gesehen zu haben, wie hier, und doch waren es nur die
Leipziger, die an dieser Probeausstellung sich betheiligten, und doch fehlte
selbst unter diesen, neben vielen, die gut gethan hatten, zu Hause zu bleiben,
auch mancher, den man ungern vermißte — ich nenne nur einen: S. Hirzel.
Die Fülle des Gebotenen erklärte sich natürlich dadurch, daß, während bei
den Osterausstellungen immer nur die Erzeugnisse des letzten Jahres vorge¬
führt werden, hier auf die letzten zehn Jahre zurückgegriffen werden konnte.
Einzelne Firmen hatten selbst diese Beschränkung sich nicht auferlegt, sondern
hatten, wogegen sich am Ende nichts einwenden läßt, z> B. von periodischen
Erscheinungen, deren Begründung weit über ein Jahrzehnt zurückreicht, com-
plete Exemplare ausgestellt. Die Firma T. O. Weigel war sogar bis an
den Anfang dieses Jahrhunderts, ja bis an das Ende des vorigen zurück¬
gegangen und hatte wissenschaftliche Prachtwerke ausgelegt, die sie nicht ein¬
mal selbst verlegt, sondern ihrer Zeit aus anderem Verlag übernommen
hatte — eine Überschreitung der gegebenen Vorschrift, die sich schon
schwieriger rechtfertigen lassen dürfte. Andre Firmen hatten die Zeitgrenze
zwar ziemlich inne gehalten, dafür aber — vermuthlich des Goethe'schen
Spruches eingedenk: „die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen" — in
dem inneren Werthe des Gebotenen doch gar zu wenig Selbstkritik geübt.
Wenn z. B. die Firma O. Spamer bei einzelnem Trefflicher, das sie darbot,
für ihre leichte Fabrikwaare keinen geringeren Raum beanspruchte, als ein
schwerwissenschaftlicher Verlag wie der von W. Engelmann oder von F. C. W.
Vogel, so müßte sie doch, sollte man meinen, selber etwas betroffen hierüber
gewesen und 'ihr der Gedanke gekommen sein, daß das ein Mißverhält¬
niß ist.

Ein erfreuliches Bild bot nun die äußere Ausstattung der Bücher dar —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/331>, abgerufen am 27.09.2024.