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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. -- Ferner habe ich kürzlich zu Su-
nium mit der Aufnehmung und Zeichnung des Minerva-Tempels 3 himm¬
lische Tage, hingebracht. Wir hatten dabey das allerschönste Wetter, das
man sich nur wünschen kann. Lieber Br. möchte ich dir doch die Lage dieses
Monuments schildern können. Die Ruinen des Tempels stehen auf einer
ziemlich hohen und von der Meeres Seite steilen Vorgebirges. Der Marmor
hat seine weiße Farbe durchaus erhalten, und seine Oberfläche ist von der
Meeresluft etwas salpetrisirt, was ihm einen ganz eigenen bläulichen Ton
in den Halbschatten giebt. Dreizehn Säulen mit ihrem Architrav ragen noch
aus den zu Boden geschmetterten übrigen Theilen des Gebäudes hervor, und
machen eine ganz einzige Wirkung, wenn man den Berg hinabsteigt, und sie
auf dessen Gipfel sich auf der schönen blauen Luft abheben steht. Vorzüglich
schön aber ist der Anblick des Meeres, dessen erhabene Fläche sich auf drei Seiten
bis zum Horizont zwischen den schneeweißen Marmor-Säulen empor hebt,
wenn man in der Zelle steht, von welcher die Umfassungs-Mauern umgestürzt
sind. Ich gedenke hiervon, wenn mir Zeit übrig bleibt, eine Zeichnung aus¬
zuführen. Wir waren so glücklich unter den Trümmern einige Theile von
dem Kranz aufzufinden, den Chartier gar nicht angegeben hat.

Die Reise nach Sunium zu Lande, bietet dem Auge sehr schöne Theile
von Attika dar. Wir machten sie zu Pferde mit Lord Byron in einer zahl¬
reichen Gesellschaft, da man sich vor Räubern, die in jener Gegend nicht
selten sind, sicher stellen muß. Unter die mir bisher interessantesten Folgen
meiner Nachsuchungen gehört die Auffindung der vorzüglichsten Theile des
Kranzes und des Frontispice von dem Haupt-Theil der Propyläen, welche
Stuart gar nicht gemessen hat. In diesem Geb. bleiben mir noch einige wich¬
tige Untersuchungen übrig, die bisher nur äußerst oberflächlich gemacht worden
sind, da die eingebauten Vestungswerke sie erschweren, ja beynahe unthunlich
machen; und mit Nachgrabungen kann man nur auf eine kostspielige und
dabei noch eingeschränkte Weise zu Werke gehen. Wir sind deswegen schon
mehrmal von dem türkischen Commandanten der Acropolis gehindert worden,
den freilich nur der Gelderwerb dazu veranlaßt, und so muß man für jeden
Stein den man umwendet sich erst die Erlaubniß dazu erkaufen, außerdem
daß wir demselben nur allein für die Erlaubniß die Acropolis zu besuchen,
über 200 Levantiner Piaster bezahlt haben.

Wenn mir ein Plan, auf den ich gegenwärtig los arbeite, gelingt, so
hoffe ich auch die jonischen Alterthümer kennen zu lernen. Zu dem Studium
der Jonischen B. K. habe ich freilich hier die beste Schule, doch müßte ich noch
die sizilianischen Monumente nothwendiger Weise besuchen können, um sie
vollständig zu bekommen, obwohl die Monumente zu Paestum, nur für'diese
Periode der Kunst äußerst intereßante Beyspiele waren. -- Nun für heute


meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. — Ferner habe ich kürzlich zu Su-
nium mit der Aufnehmung und Zeichnung des Minerva-Tempels 3 himm¬
lische Tage, hingebracht. Wir hatten dabey das allerschönste Wetter, das
man sich nur wünschen kann. Lieber Br. möchte ich dir doch die Lage dieses
Monuments schildern können. Die Ruinen des Tempels stehen auf einer
ziemlich hohen und von der Meeres Seite steilen Vorgebirges. Der Marmor
hat seine weiße Farbe durchaus erhalten, und seine Oberfläche ist von der
Meeresluft etwas salpetrisirt, was ihm einen ganz eigenen bläulichen Ton
in den Halbschatten giebt. Dreizehn Säulen mit ihrem Architrav ragen noch
aus den zu Boden geschmetterten übrigen Theilen des Gebäudes hervor, und
machen eine ganz einzige Wirkung, wenn man den Berg hinabsteigt, und sie
auf dessen Gipfel sich auf der schönen blauen Luft abheben steht. Vorzüglich
schön aber ist der Anblick des Meeres, dessen erhabene Fläche sich auf drei Seiten
bis zum Horizont zwischen den schneeweißen Marmor-Säulen empor hebt,
wenn man in der Zelle steht, von welcher die Umfassungs-Mauern umgestürzt
sind. Ich gedenke hiervon, wenn mir Zeit übrig bleibt, eine Zeichnung aus¬
zuführen. Wir waren so glücklich unter den Trümmern einige Theile von
dem Kranz aufzufinden, den Chartier gar nicht angegeben hat.

Die Reise nach Sunium zu Lande, bietet dem Auge sehr schöne Theile
von Attika dar. Wir machten sie zu Pferde mit Lord Byron in einer zahl¬
reichen Gesellschaft, da man sich vor Räubern, die in jener Gegend nicht
selten sind, sicher stellen muß. Unter die mir bisher interessantesten Folgen
meiner Nachsuchungen gehört die Auffindung der vorzüglichsten Theile des
Kranzes und des Frontispice von dem Haupt-Theil der Propyläen, welche
Stuart gar nicht gemessen hat. In diesem Geb. bleiben mir noch einige wich¬
tige Untersuchungen übrig, die bisher nur äußerst oberflächlich gemacht worden
sind, da die eingebauten Vestungswerke sie erschweren, ja beynahe unthunlich
machen; und mit Nachgrabungen kann man nur auf eine kostspielige und
dabei noch eingeschränkte Weise zu Werke gehen. Wir sind deswegen schon
mehrmal von dem türkischen Commandanten der Acropolis gehindert worden,
den freilich nur der Gelderwerb dazu veranlaßt, und so muß man für jeden
Stein den man umwendet sich erst die Erlaubniß dazu erkaufen, außerdem
daß wir demselben nur allein für die Erlaubniß die Acropolis zu besuchen,
über 200 Levantiner Piaster bezahlt haben.

Wenn mir ein Plan, auf den ich gegenwärtig los arbeite, gelingt, so
hoffe ich auch die jonischen Alterthümer kennen zu lernen. Zu dem Studium
der Jonischen B. K. habe ich freilich hier die beste Schule, doch müßte ich noch
die sizilianischen Monumente nothwendiger Weise besuchen können, um sie
vollständig zu bekommen, obwohl die Monumente zu Paestum, nur für'diese
Periode der Kunst äußerst intereßante Beyspiele waren. — Nun für heute


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[0291] meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. — Ferner habe ich kürzlich zu Su- nium mit der Aufnehmung und Zeichnung des Minerva-Tempels 3 himm¬ lische Tage, hingebracht. Wir hatten dabey das allerschönste Wetter, das man sich nur wünschen kann. Lieber Br. möchte ich dir doch die Lage dieses Monuments schildern können. Die Ruinen des Tempels stehen auf einer ziemlich hohen und von der Meeres Seite steilen Vorgebirges. Der Marmor hat seine weiße Farbe durchaus erhalten, und seine Oberfläche ist von der Meeresluft etwas salpetrisirt, was ihm einen ganz eigenen bläulichen Ton in den Halbschatten giebt. Dreizehn Säulen mit ihrem Architrav ragen noch aus den zu Boden geschmetterten übrigen Theilen des Gebäudes hervor, und machen eine ganz einzige Wirkung, wenn man den Berg hinabsteigt, und sie auf dessen Gipfel sich auf der schönen blauen Luft abheben steht. Vorzüglich schön aber ist der Anblick des Meeres, dessen erhabene Fläche sich auf drei Seiten bis zum Horizont zwischen den schneeweißen Marmor-Säulen empor hebt, wenn man in der Zelle steht, von welcher die Umfassungs-Mauern umgestürzt sind. Ich gedenke hiervon, wenn mir Zeit übrig bleibt, eine Zeichnung aus¬ zuführen. Wir waren so glücklich unter den Trümmern einige Theile von dem Kranz aufzufinden, den Chartier gar nicht angegeben hat. Die Reise nach Sunium zu Lande, bietet dem Auge sehr schöne Theile von Attika dar. Wir machten sie zu Pferde mit Lord Byron in einer zahl¬ reichen Gesellschaft, da man sich vor Räubern, die in jener Gegend nicht selten sind, sicher stellen muß. Unter die mir bisher interessantesten Folgen meiner Nachsuchungen gehört die Auffindung der vorzüglichsten Theile des Kranzes und des Frontispice von dem Haupt-Theil der Propyläen, welche Stuart gar nicht gemessen hat. In diesem Geb. bleiben mir noch einige wich¬ tige Untersuchungen übrig, die bisher nur äußerst oberflächlich gemacht worden sind, da die eingebauten Vestungswerke sie erschweren, ja beynahe unthunlich machen; und mit Nachgrabungen kann man nur auf eine kostspielige und dabei noch eingeschränkte Weise zu Werke gehen. Wir sind deswegen schon mehrmal von dem türkischen Commandanten der Acropolis gehindert worden, den freilich nur der Gelderwerb dazu veranlaßt, und so muß man für jeden Stein den man umwendet sich erst die Erlaubniß dazu erkaufen, außerdem daß wir demselben nur allein für die Erlaubniß die Acropolis zu besuchen, über 200 Levantiner Piaster bezahlt haben. Wenn mir ein Plan, auf den ich gegenwärtig los arbeite, gelingt, so hoffe ich auch die jonischen Alterthümer kennen zu lernen. Zu dem Studium der Jonischen B. K. habe ich freilich hier die beste Schule, doch müßte ich noch die sizilianischen Monumente nothwendiger Weise besuchen können, um sie vollständig zu bekommen, obwohl die Monumente zu Paestum, nur für'diese Periode der Kunst äußerst intereßante Beyspiele waren. — Nun für heute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/291>, abgerufen am 27.09.2024.