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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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sah, so verwandelte sich mein Schmerz in den, den gekränktes Ehrgefühl giebt.
Mein Gemüth, das alle Eindrücke so heftig aufnimmt, so daß sie nicht so
leicht wieder verhallen können, ließ mir daher die ferneren Carnevalsfreuden
nur entfernt mit genießen. -- Meistenteils begünstigte die Witterung die
Ausgelaßenheiten des Volkes, die mitunter auf einen hohen Grad stieg, denn
man sah Masken, die wirklich an keinem Orte wie viel weniger in dem hei¬
ligen Rom zu erwarten gewesen wären. -- So hatten z. B. ein paar Kerle
die Jndecenz zu weit getrieben, indem sie auf die gemeinste Weise, die Ver¬
richtungen der Acoucheurs auf einem eigenen offenen Wagen fahrend, dem
Publikum zur Schau brachten. Sie sollen auch dafür wirklich bestraft worden
sein. Desto reizender, ja bis zum höchsten Grad von Reiz, zeigte sich die
weibliche römische Jugend, unter verschiedenen Masken, unter denen besonders
die Tracht der Ciozaren und die der Mädchen von Nettuno -- ganz ge¬
eignet ist, um die Reize eines schönen Wuchses dem Auge darzustellen. --
Die Maske eines Gärtners bietet insbesondere Gelegenheit dar, seine Ga¬
lanterien auf sehr artige Weise anzubringen. Meistens wird sie von ein paar
Mannspersonen und ein paar Mädchen gemacht. Von den erstern stellt der
eine den Gärtner, in einer sehr freundlichen und einnehmenden Gestalt, der
andere aber einen Waldmenschen mit Pelzwerk und einer Keule versehen, bei
einer fürchterlichen Miene vor. Die nett und lieblich gekleideten Mädchen
tragen Körbe mit Blumen. Der Gärtner hat ein Instrument, Scaletta ge¬
nannt, dessen Mechanismus sehr sinnreich ist, und mit welchem er in einem
Augenblick durch seine Entfaltung bis an das Fenster der obersten Stock¬
werke reichen kann. Auf diese Art bringt er seine Blume dem schönen Mäd¬
chen, sei sie auch noch so hoch an einen Fenster, oder auf einen Balkon, über
ihn, mit einer ganz eigenen Geschickltchkeit mitten im Gewühl der Menge
dar. --

Den 15. März.

Das Wettrennen der Pferde habe ich voriges Jahr einmal schon ge¬
sehen; mit diesem endigt jeden Tag die Carnevals-Belustigung im Corso. Das
Laufen der Pferde selbst ist eine blitzschnell vorübergehende Erscheinung; allein
das Gewühl der Menschen und Alles was dabei zusammentrifft, giebt einen
ganz unnennbaren Eindruck. Ich habe das Schauspiel an verschiedenen
Orten gehabt, da wo die Pferde ablaufen (sita Nossa,) dann in dem mitt-
leren Theil des Corso und endlich wo sie wieder aufgefangen werden (alla,
riprosa) am Palazzo ti Benezia. Am intereßantesten war es mir am ersteren
Orte, wo ich einmal das Glück hatte, einen Platz auf dem Gerüste gerade
unter dem Obelisk zu bekommen. Man sieht von da den unabsehbaren Corso
entlang, auf beiden Seiten mit Menschen begränzt, so daß der mittlere Theil


sah, so verwandelte sich mein Schmerz in den, den gekränktes Ehrgefühl giebt.
Mein Gemüth, das alle Eindrücke so heftig aufnimmt, so daß sie nicht so
leicht wieder verhallen können, ließ mir daher die ferneren Carnevalsfreuden
nur entfernt mit genießen. — Meistenteils begünstigte die Witterung die
Ausgelaßenheiten des Volkes, die mitunter auf einen hohen Grad stieg, denn
man sah Masken, die wirklich an keinem Orte wie viel weniger in dem hei¬
ligen Rom zu erwarten gewesen wären. — So hatten z. B. ein paar Kerle
die Jndecenz zu weit getrieben, indem sie auf die gemeinste Weise, die Ver¬
richtungen der Acoucheurs auf einem eigenen offenen Wagen fahrend, dem
Publikum zur Schau brachten. Sie sollen auch dafür wirklich bestraft worden
sein. Desto reizender, ja bis zum höchsten Grad von Reiz, zeigte sich die
weibliche römische Jugend, unter verschiedenen Masken, unter denen besonders
die Tracht der Ciozaren und die der Mädchen von Nettuno — ganz ge¬
eignet ist, um die Reize eines schönen Wuchses dem Auge darzustellen. —
Die Maske eines Gärtners bietet insbesondere Gelegenheit dar, seine Ga¬
lanterien auf sehr artige Weise anzubringen. Meistens wird sie von ein paar
Mannspersonen und ein paar Mädchen gemacht. Von den erstern stellt der
eine den Gärtner, in einer sehr freundlichen und einnehmenden Gestalt, der
andere aber einen Waldmenschen mit Pelzwerk und einer Keule versehen, bei
einer fürchterlichen Miene vor. Die nett und lieblich gekleideten Mädchen
tragen Körbe mit Blumen. Der Gärtner hat ein Instrument, Scaletta ge¬
nannt, dessen Mechanismus sehr sinnreich ist, und mit welchem er in einem
Augenblick durch seine Entfaltung bis an das Fenster der obersten Stock¬
werke reichen kann. Auf diese Art bringt er seine Blume dem schönen Mäd¬
chen, sei sie auch noch so hoch an einen Fenster, oder auf einen Balkon, über
ihn, mit einer ganz eigenen Geschickltchkeit mitten im Gewühl der Menge
dar. —

Den 15. März.

Das Wettrennen der Pferde habe ich voriges Jahr einmal schon ge¬
sehen; mit diesem endigt jeden Tag die Carnevals-Belustigung im Corso. Das
Laufen der Pferde selbst ist eine blitzschnell vorübergehende Erscheinung; allein
das Gewühl der Menschen und Alles was dabei zusammentrifft, giebt einen
ganz unnennbaren Eindruck. Ich habe das Schauspiel an verschiedenen
Orten gehabt, da wo die Pferde ablaufen (sita Nossa,) dann in dem mitt-
leren Theil des Corso und endlich wo sie wieder aufgefangen werden (alla,
riprosa) am Palazzo ti Benezia. Am intereßantesten war es mir am ersteren
Orte, wo ich einmal das Glück hatte, einen Platz auf dem Gerüste gerade
unter dem Obelisk zu bekommen. Man sieht von da den unabsehbaren Corso
entlang, auf beiden Seiten mit Menschen begränzt, so daß der mittlere Theil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/252>, abgerufen am 24.08.2024.