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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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herrschenden Zeit-Umstände haben es in vielen Stücken sehr eingeschränkt, und
doch habe ich seine Beschreibung bei dem Vergleich im wirklichen Genuß eben
so treffend gefunden, als ich dabei auch überzeugt zu sein glaube, daß sich
auch in dieser Sache durch keine Beschreibung ein deutlicher Begriff geben
läßt; man muß es durchaus mit allen seinen Sinnen in der Wirklichkeit ge¬
nießen, um den ganz eigenen Genuß, den nur Rom, wie so unendlich viele
Genllße anderer Art, allein geben kann, ganz und gar in sich aufnehmen zu
können. -- Nachdem im verwichenen Jahre durch des heilg. Vaters -- Wille
die Carnevalsfeierlichkeiten durchaus keinen Fortgang gewinnen konnte, und
so sehr sich die französische Parthei zu ihrer Beförderung bemüht hatte, doch
unmittelbar in ihrer Geburt erstickt wurden, so war zu erwarten, daß sie
auch Heuer nur unter der größten Beschränkung stattfinden würden, um so
mehr, da die Art der Gouvernements-Veränderung auf den fedelen Theil der
Römer einen Eindruck zurücklassen mußte, mit dem schlechterdings jene Ge-
nüße nicht vereint seyn können. Die Erwartung war daher auf den Carne-
vals-Anfang gespannt, und der erste Tag ließ wirklich vermuthen, daß es
wie im vor. Jahre gehen würde; doch am folgenden Montag, als am 2.
Carnevals Tag schlug sich schon ein ungleich größerer Theil zu der Classe,
die schon unter die Fahne der privilegirten Tollheit getreten waren, und so
wuchs mit jedem Tage die Masse der Ausgelassenen sowohl, als die, der sich
an ihnen Erlustigenden, bis auf den letzten Abend, wo sogar der Spaß mit
den Moccoli, der schon mehrere Jahre lang unterblieben seyn soll, mit dem
größten Enthusiasmus ausgeübt wurde.

Den 12. März.

Ich habe mich für meine Person sehr leidend bey allen Carnevalsfeierlich¬
keiten verhalten, was, ich bekenne es offenherzig nicht ganz freiwillig geschehen
war. Mein Herz war durch die Bekanntschaft mit einem niedlichen Mädchen
in Regung gekommen, und das kostete mir wieder mehrere traurige Tage,
so daß, anstatt mich mit ganzer Seele mit meiner lieben Bekannten mitfreuen
gekonnt zu haben, ich mich zurückzog, und im Stillen mit meiner Herzensan¬
gelegenheit zu kämpfen hatte. Glücklicherweise war der Kampf zu bestehen,
denn es galt nur einer neuen Aufwallung meiner Gefühle entgegen zu arbeiten.
Das Mädchen hatte auf ein paar Bällen meine Aufmerksamkeit auf sich ge¬
zogen; es entstand eine Sehnsucht sie öfter zu sehen, und der Carneval gab
die erwünschte Gelegenheit sie unter den reizenden maskirten Römerinnen aus¬
zuspähen und aufzufinden. So träumte ich mich ein paar Abendstunden an
ihrer lieben Seite glücklicher; bis auf dem ersten Festtno im Theater Aliberti
meine unselige Leidenschaft zur Eifersucht, Störer meiner Wonne wurde; da
ich sie nochmals nur ein paar Mal unter einer gegenseitigen Spannung wieder-


herrschenden Zeit-Umstände haben es in vielen Stücken sehr eingeschränkt, und
doch habe ich seine Beschreibung bei dem Vergleich im wirklichen Genuß eben
so treffend gefunden, als ich dabei auch überzeugt zu sein glaube, daß sich
auch in dieser Sache durch keine Beschreibung ein deutlicher Begriff geben
läßt; man muß es durchaus mit allen seinen Sinnen in der Wirklichkeit ge¬
nießen, um den ganz eigenen Genuß, den nur Rom, wie so unendlich viele
Genllße anderer Art, allein geben kann, ganz und gar in sich aufnehmen zu
können. — Nachdem im verwichenen Jahre durch des heilg. Vaters — Wille
die Carnevalsfeierlichkeiten durchaus keinen Fortgang gewinnen konnte, und
so sehr sich die französische Parthei zu ihrer Beförderung bemüht hatte, doch
unmittelbar in ihrer Geburt erstickt wurden, so war zu erwarten, daß sie
auch Heuer nur unter der größten Beschränkung stattfinden würden, um so
mehr, da die Art der Gouvernements-Veränderung auf den fedelen Theil der
Römer einen Eindruck zurücklassen mußte, mit dem schlechterdings jene Ge-
nüße nicht vereint seyn können. Die Erwartung war daher auf den Carne-
vals-Anfang gespannt, und der erste Tag ließ wirklich vermuthen, daß es
wie im vor. Jahre gehen würde; doch am folgenden Montag, als am 2.
Carnevals Tag schlug sich schon ein ungleich größerer Theil zu der Classe,
die schon unter die Fahne der privilegirten Tollheit getreten waren, und so
wuchs mit jedem Tage die Masse der Ausgelassenen sowohl, als die, der sich
an ihnen Erlustigenden, bis auf den letzten Abend, wo sogar der Spaß mit
den Moccoli, der schon mehrere Jahre lang unterblieben seyn soll, mit dem
größten Enthusiasmus ausgeübt wurde.

Den 12. März.

Ich habe mich für meine Person sehr leidend bey allen Carnevalsfeierlich¬
keiten verhalten, was, ich bekenne es offenherzig nicht ganz freiwillig geschehen
war. Mein Herz war durch die Bekanntschaft mit einem niedlichen Mädchen
in Regung gekommen, und das kostete mir wieder mehrere traurige Tage,
so daß, anstatt mich mit ganzer Seele mit meiner lieben Bekannten mitfreuen
gekonnt zu haben, ich mich zurückzog, und im Stillen mit meiner Herzensan¬
gelegenheit zu kämpfen hatte. Glücklicherweise war der Kampf zu bestehen,
denn es galt nur einer neuen Aufwallung meiner Gefühle entgegen zu arbeiten.
Das Mädchen hatte auf ein paar Bällen meine Aufmerksamkeit auf sich ge¬
zogen; es entstand eine Sehnsucht sie öfter zu sehen, und der Carneval gab
die erwünschte Gelegenheit sie unter den reizenden maskirten Römerinnen aus¬
zuspähen und aufzufinden. So träumte ich mich ein paar Abendstunden an
ihrer lieben Seite glücklicher; bis auf dem ersten Festtno im Theater Aliberti
meine unselige Leidenschaft zur Eifersucht, Störer meiner Wonne wurde; da
ich sie nochmals nur ein paar Mal unter einer gegenseitigen Spannung wieder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/251>, abgerufen am 22.07.2024.