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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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sagter Herr von Kambyses bezeichnen wird. -- Zu gleicher Zeit knöpfte er
sein Hoseupreis auf. Das Bedientenvolk, das seine Absicht verstand, klatschte
Beifall aus Leibeskräften und schrie: Es lebe der Marquis von Kam¬
byses! -- Was meinen armen Onkel anbelangt, so brüllte er vor Zorn;
später sagte er, er habe gefürchtet, vom Schlage gerührt zu werden. Zwei
Jagdhüter hielten die Flinten auf ihn angeschlagen und hatten den Befehl,
beim ersten Zeichen des Marquis zu schießen. Eins, zwei, sagte dieser.
Benjamin wußte, daß der Marquis der Mann war, seine Drohung auszu¬
führen, er wollte sich keinem Flintenschuß aussetzen, und einige Secunden
später war der Richterspruch des Marquis vollzogen. -- Ganz gut, sagte
Herr von Kambyses, ich bin mit Dir zufrieden. Du kannst Dich jetzt
rühmen, einen Marquis geküßt zu haben. -- Benjamin enteilte gleich
einem Hunde, dem ein junger Taugenichts eine Pfanne an den Schwanz
gebunden."

Benjamin geht nach Corvol, wo Papa Minxit, von seiner Gefangen¬
nehmung inzwischen unterrichtet, bereits zu einem Feldzuge gegen das Edel-
nest derer von Kambyses gerüstet steht. Sein Hof gleicht einem Wasserplatze.
Die Musikanten, die ihm bei seinen Gastereien aufspielen, sind, beritten ge¬
wacht und mit Flinten aller Art bewaffnet, in Schlachtordnung aufgestellt,
der alte Sergeant, seit kurzem in die Dienste des Doctors getreten, befehligt
diese Kerntruppe, aus deren Mitte eine aus einem Borhange gefertigte Fahne
mit der Inschrift: "Die Freiheit Benjamin's oder die Ohren des Kam¬
byses" emporsteigt. In zweiter Linie kommt die Infanterie, sechs Meier-
burschen mit ihren Hacken auf den Schultern und vier Dachdecker des Ortes,
die mit Leitern versehen sind. Die Kalesche stellt die Bagage vor, sie ist mit
Faschinen zur Ausfüllung des Schloßgrabens beladen. Der kriegerische Doctor
tummelt, von einem Federhut überragt und den bloßen Degen in der Hand,
sein Pferd rings um seine Truppen, beschleunigt mit Donnerstimme die Vor¬
bereitungen zum Abmarsch und hat eben eine Ansprache voll Feuer gehalten,
als Benjamin eintrifft. Minxit ist außer sich, als er hört, wozu Kambyses
seinen zukünftigen Schwiegersohn genöthigt hat. Er will, daß dieser sofort das
Heer gegen das Schloß des Marquis führt und es dem Erdboden gleichmacht, sodaß
Brennnessel und Hundszahn wachsen, wo seine Thürme gestanden. Benjamin
meint, sogar der Berg, auf dem das Schloß sich befinde, müsse abgetragen
werden, doch müsse man Kriegslist brauchen: "wir ersteigen die Mauern
nächtlicher Weile, wir bemächtigen uns des Kambyses und all seiner Lakaien.
Mährend sie, wie Virgil sagt, in Wein und Schlaf versunken sind, und --
sie müssen uns alle küssen." Benjamin stärkt sich eben zu diesem Vorhaben
mit einem Imbiß, als zum Glück für den Edelhof des Marquis der Advocat
Pagina auf dem Rückwege von einem Geschäftsgange vorspricht und dem


Grenzboten l. 1876. 29

sagter Herr von Kambyses bezeichnen wird. — Zu gleicher Zeit knöpfte er
sein Hoseupreis auf. Das Bedientenvolk, das seine Absicht verstand, klatschte
Beifall aus Leibeskräften und schrie: Es lebe der Marquis von Kam¬
byses! — Was meinen armen Onkel anbelangt, so brüllte er vor Zorn;
später sagte er, er habe gefürchtet, vom Schlage gerührt zu werden. Zwei
Jagdhüter hielten die Flinten auf ihn angeschlagen und hatten den Befehl,
beim ersten Zeichen des Marquis zu schießen. Eins, zwei, sagte dieser.
Benjamin wußte, daß der Marquis der Mann war, seine Drohung auszu¬
führen, er wollte sich keinem Flintenschuß aussetzen, und einige Secunden
später war der Richterspruch des Marquis vollzogen. — Ganz gut, sagte
Herr von Kambyses, ich bin mit Dir zufrieden. Du kannst Dich jetzt
rühmen, einen Marquis geküßt zu haben. — Benjamin enteilte gleich
einem Hunde, dem ein junger Taugenichts eine Pfanne an den Schwanz
gebunden."

Benjamin geht nach Corvol, wo Papa Minxit, von seiner Gefangen¬
nehmung inzwischen unterrichtet, bereits zu einem Feldzuge gegen das Edel-
nest derer von Kambyses gerüstet steht. Sein Hof gleicht einem Wasserplatze.
Die Musikanten, die ihm bei seinen Gastereien aufspielen, sind, beritten ge¬
wacht und mit Flinten aller Art bewaffnet, in Schlachtordnung aufgestellt,
der alte Sergeant, seit kurzem in die Dienste des Doctors getreten, befehligt
diese Kerntruppe, aus deren Mitte eine aus einem Borhange gefertigte Fahne
mit der Inschrift: „Die Freiheit Benjamin's oder die Ohren des Kam¬
byses" emporsteigt. In zweiter Linie kommt die Infanterie, sechs Meier-
burschen mit ihren Hacken auf den Schultern und vier Dachdecker des Ortes,
die mit Leitern versehen sind. Die Kalesche stellt die Bagage vor, sie ist mit
Faschinen zur Ausfüllung des Schloßgrabens beladen. Der kriegerische Doctor
tummelt, von einem Federhut überragt und den bloßen Degen in der Hand,
sein Pferd rings um seine Truppen, beschleunigt mit Donnerstimme die Vor¬
bereitungen zum Abmarsch und hat eben eine Ansprache voll Feuer gehalten,
als Benjamin eintrifft. Minxit ist außer sich, als er hört, wozu Kambyses
seinen zukünftigen Schwiegersohn genöthigt hat. Er will, daß dieser sofort das
Heer gegen das Schloß des Marquis führt und es dem Erdboden gleichmacht, sodaß
Brennnessel und Hundszahn wachsen, wo seine Thürme gestanden. Benjamin
meint, sogar der Berg, auf dem das Schloß sich befinde, müsse abgetragen
werden, doch müsse man Kriegslist brauchen: „wir ersteigen die Mauern
nächtlicher Weile, wir bemächtigen uns des Kambyses und all seiner Lakaien.
Mährend sie, wie Virgil sagt, in Wein und Schlaf versunken sind, und —
sie müssen uns alle küssen." Benjamin stärkt sich eben zu diesem Vorhaben
mit einem Imbiß, als zum Glück für den Edelhof des Marquis der Advocat
Pagina auf dem Rückwege von einem Geschäftsgange vorspricht und dem


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[0233] sagter Herr von Kambyses bezeichnen wird. — Zu gleicher Zeit knöpfte er sein Hoseupreis auf. Das Bedientenvolk, das seine Absicht verstand, klatschte Beifall aus Leibeskräften und schrie: Es lebe der Marquis von Kam¬ byses! — Was meinen armen Onkel anbelangt, so brüllte er vor Zorn; später sagte er, er habe gefürchtet, vom Schlage gerührt zu werden. Zwei Jagdhüter hielten die Flinten auf ihn angeschlagen und hatten den Befehl, beim ersten Zeichen des Marquis zu schießen. Eins, zwei, sagte dieser. Benjamin wußte, daß der Marquis der Mann war, seine Drohung auszu¬ führen, er wollte sich keinem Flintenschuß aussetzen, und einige Secunden später war der Richterspruch des Marquis vollzogen. — Ganz gut, sagte Herr von Kambyses, ich bin mit Dir zufrieden. Du kannst Dich jetzt rühmen, einen Marquis geküßt zu haben. — Benjamin enteilte gleich einem Hunde, dem ein junger Taugenichts eine Pfanne an den Schwanz gebunden." Benjamin geht nach Corvol, wo Papa Minxit, von seiner Gefangen¬ nehmung inzwischen unterrichtet, bereits zu einem Feldzuge gegen das Edel- nest derer von Kambyses gerüstet steht. Sein Hof gleicht einem Wasserplatze. Die Musikanten, die ihm bei seinen Gastereien aufspielen, sind, beritten ge¬ wacht und mit Flinten aller Art bewaffnet, in Schlachtordnung aufgestellt, der alte Sergeant, seit kurzem in die Dienste des Doctors getreten, befehligt diese Kerntruppe, aus deren Mitte eine aus einem Borhange gefertigte Fahne mit der Inschrift: „Die Freiheit Benjamin's oder die Ohren des Kam¬ byses" emporsteigt. In zweiter Linie kommt die Infanterie, sechs Meier- burschen mit ihren Hacken auf den Schultern und vier Dachdecker des Ortes, die mit Leitern versehen sind. Die Kalesche stellt die Bagage vor, sie ist mit Faschinen zur Ausfüllung des Schloßgrabens beladen. Der kriegerische Doctor tummelt, von einem Federhut überragt und den bloßen Degen in der Hand, sein Pferd rings um seine Truppen, beschleunigt mit Donnerstimme die Vor¬ bereitungen zum Abmarsch und hat eben eine Ansprache voll Feuer gehalten, als Benjamin eintrifft. Minxit ist außer sich, als er hört, wozu Kambyses seinen zukünftigen Schwiegersohn genöthigt hat. Er will, daß dieser sofort das Heer gegen das Schloß des Marquis führt und es dem Erdboden gleichmacht, sodaß Brennnessel und Hundszahn wachsen, wo seine Thürme gestanden. Benjamin meint, sogar der Berg, auf dem das Schloß sich befinde, müsse abgetragen werden, doch müsse man Kriegslist brauchen: „wir ersteigen die Mauern nächtlicher Weile, wir bemächtigen uns des Kambyses und all seiner Lakaien. Mährend sie, wie Virgil sagt, in Wein und Schlaf versunken sind, und — sie müssen uns alle küssen." Benjamin stärkt sich eben zu diesem Vorhaben mit einem Imbiß, als zum Glück für den Edelhof des Marquis der Advocat Pagina auf dem Rückwege von einem Geschäftsgange vorspricht und dem Grenzboten l. 1876. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/233>, abgerufen am 19.10.2024.