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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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einer Matratze, Charpie und Binden für Benjamin, wenn er nicht schon todt,
nach der unglückseligen Kneipe auf. "Bei den ersten Häusern der Vorstadt
begegnete sie ihrem Manne, der, mit einer Stöpselkrone geschmückt, im Tri¬
umphe heimgeführt wurde. Er stützte sich auf den Arm Benjamin's, und
dieser schrie aus vollem Halse: Jederm> nniglich, so anwesend, thun wir kund
und zu wissen, daß der so benamste Beißkurz, wohlbestallter Gerichtsbote
Seiner Majestät, zum Oberwaffenmeister ernannt worden in Anerkennung --
Du lüderlicher Saufaus! rief meine Großmutter, als sie Benjamin bemerkte.
Und ohne der Gemüthsbewegung, die sie seit einer Stunde zu ersticken drohte,
länger widerstehen zu können, fiel sie aufs Pflaster. Man mußte sie auf der
Matratze nach Hause tragen, die sie für ihren Bruder mitgebracht hatte."
Ein hitziges Fieber ist die Folge, und als sie davon genesen, muß Benjamin
ihr versprechen, sich zu bessern und ans Heirathen zu denken. Beißkurz kund¬
schaftet eine Frau für ihn aus, und zwar in der Person der Tochter jenes
Urinbeschauers Minxit, der eine i^roße Neigung zu Benjamin gefaßt hat.
Vergebens wendet dieser das Gewerbe des ihm zum Schwiegervater Vorge¬
schlagnen , die rothen Haare und Sommersprossen der Jungfer Minxit und
endlich die Bedeutung des Namens derselben ein. "Horaz hat gesagt: Nun
minxit Mrios einöiLs. Dieses Spitzbuben-Perfectum ist's, was mich empört:
Herr Minxit, Frau Minxit, Herr Rathery Benjamin Minxit, der kleine
Peter Rathery Minxit, die kleine Adelheid Rathery Minxit -- eine schöne
Familie! Saperlot! Damit könnte man ein Mühlrad treiben." Es hilft
Alles nichts. Am nächsten Tage sott Benjamin der Jungfer Minxit einen
Besuch machen.

Dieser Versuch wird dadurch verhindert, daß Benjamin, mit dem Schuster
Cicero, der ihm ein paar Schuhe bringt, nach der Sitte der Zeit ein paar
Gläser Wein trinkt. "Benjamin bat seine Schwester, eine Flasche Weißen
zu holen, damit er mit Cicero anstoßen könne. Seine Schwester holte eine,
dann zwei, dann drei und sofort, bis es sieben waren. -- Meine liebe Schwe¬
ster, ich bitte Sie, noch eine Flasche. -- Aber weißt Du denn nicht, Unglück¬
licher, daß Du an der achten bist? -- Sie weiß wohl, liebe Schwester, daß
wir nicht mit einander rechnen. -- Und Du weißt wohl, daß Du einen Weg
zu machen hast. -- Noch'diese letzte Flasche, und ich gehe. -- Ja. Du bist
mir in einem schönen Zustande, um über Feld zu gehen, und wie, wenn
man Dich zu einem Kranken holen wollte? -- Wie schlecht, meine gute
Schwester, weiß Sie doch die Wirkungen des Weines zu würdigen; man steht,
daß Sie nur die klaren Wasser des Beuvron trinkt. Mein Schwerpunkt ist
immer auf demselben Flecke. Soll ich zur Ader lassen -- apropos, meine
Schwester, ich muß Ihr zur Ader lassen. Beißkurz hat es mir noch anem¬
pfohlen, ehe er ging. Sie klagte diesen Morgen über heftiges Kopfweh, ein


einer Matratze, Charpie und Binden für Benjamin, wenn er nicht schon todt,
nach der unglückseligen Kneipe auf. „Bei den ersten Häusern der Vorstadt
begegnete sie ihrem Manne, der, mit einer Stöpselkrone geschmückt, im Tri¬
umphe heimgeführt wurde. Er stützte sich auf den Arm Benjamin's, und
dieser schrie aus vollem Halse: Jederm> nniglich, so anwesend, thun wir kund
und zu wissen, daß der so benamste Beißkurz, wohlbestallter Gerichtsbote
Seiner Majestät, zum Oberwaffenmeister ernannt worden in Anerkennung —
Du lüderlicher Saufaus! rief meine Großmutter, als sie Benjamin bemerkte.
Und ohne der Gemüthsbewegung, die sie seit einer Stunde zu ersticken drohte,
länger widerstehen zu können, fiel sie aufs Pflaster. Man mußte sie auf der
Matratze nach Hause tragen, die sie für ihren Bruder mitgebracht hatte."
Ein hitziges Fieber ist die Folge, und als sie davon genesen, muß Benjamin
ihr versprechen, sich zu bessern und ans Heirathen zu denken. Beißkurz kund¬
schaftet eine Frau für ihn aus, und zwar in der Person der Tochter jenes
Urinbeschauers Minxit, der eine i^roße Neigung zu Benjamin gefaßt hat.
Vergebens wendet dieser das Gewerbe des ihm zum Schwiegervater Vorge¬
schlagnen , die rothen Haare und Sommersprossen der Jungfer Minxit und
endlich die Bedeutung des Namens derselben ein. „Horaz hat gesagt: Nun
minxit Mrios einöiLs. Dieses Spitzbuben-Perfectum ist's, was mich empört:
Herr Minxit, Frau Minxit, Herr Rathery Benjamin Minxit, der kleine
Peter Rathery Minxit, die kleine Adelheid Rathery Minxit — eine schöne
Familie! Saperlot! Damit könnte man ein Mühlrad treiben." Es hilft
Alles nichts. Am nächsten Tage sott Benjamin der Jungfer Minxit einen
Besuch machen.

Dieser Versuch wird dadurch verhindert, daß Benjamin, mit dem Schuster
Cicero, der ihm ein paar Schuhe bringt, nach der Sitte der Zeit ein paar
Gläser Wein trinkt. „Benjamin bat seine Schwester, eine Flasche Weißen
zu holen, damit er mit Cicero anstoßen könne. Seine Schwester holte eine,
dann zwei, dann drei und sofort, bis es sieben waren. — Meine liebe Schwe¬
ster, ich bitte Sie, noch eine Flasche. — Aber weißt Du denn nicht, Unglück¬
licher, daß Du an der achten bist? — Sie weiß wohl, liebe Schwester, daß
wir nicht mit einander rechnen. — Und Du weißt wohl, daß Du einen Weg
zu machen hast. — Noch'diese letzte Flasche, und ich gehe. — Ja. Du bist
mir in einem schönen Zustande, um über Feld zu gehen, und wie, wenn
man Dich zu einem Kranken holen wollte? — Wie schlecht, meine gute
Schwester, weiß Sie doch die Wirkungen des Weines zu würdigen; man steht,
daß Sie nur die klaren Wasser des Beuvron trinkt. Mein Schwerpunkt ist
immer auf demselben Flecke. Soll ich zur Ader lassen — apropos, meine
Schwester, ich muß Ihr zur Ader lassen. Beißkurz hat es mir noch anem¬
pfohlen, ehe er ging. Sie klagte diesen Morgen über heftiges Kopfweh, ein


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[0187] einer Matratze, Charpie und Binden für Benjamin, wenn er nicht schon todt, nach der unglückseligen Kneipe auf. „Bei den ersten Häusern der Vorstadt begegnete sie ihrem Manne, der, mit einer Stöpselkrone geschmückt, im Tri¬ umphe heimgeführt wurde. Er stützte sich auf den Arm Benjamin's, und dieser schrie aus vollem Halse: Jederm> nniglich, so anwesend, thun wir kund und zu wissen, daß der so benamste Beißkurz, wohlbestallter Gerichtsbote Seiner Majestät, zum Oberwaffenmeister ernannt worden in Anerkennung — Du lüderlicher Saufaus! rief meine Großmutter, als sie Benjamin bemerkte. Und ohne der Gemüthsbewegung, die sie seit einer Stunde zu ersticken drohte, länger widerstehen zu können, fiel sie aufs Pflaster. Man mußte sie auf der Matratze nach Hause tragen, die sie für ihren Bruder mitgebracht hatte." Ein hitziges Fieber ist die Folge, und als sie davon genesen, muß Benjamin ihr versprechen, sich zu bessern und ans Heirathen zu denken. Beißkurz kund¬ schaftet eine Frau für ihn aus, und zwar in der Person der Tochter jenes Urinbeschauers Minxit, der eine i^roße Neigung zu Benjamin gefaßt hat. Vergebens wendet dieser das Gewerbe des ihm zum Schwiegervater Vorge¬ schlagnen , die rothen Haare und Sommersprossen der Jungfer Minxit und endlich die Bedeutung des Namens derselben ein. „Horaz hat gesagt: Nun minxit Mrios einöiLs. Dieses Spitzbuben-Perfectum ist's, was mich empört: Herr Minxit, Frau Minxit, Herr Rathery Benjamin Minxit, der kleine Peter Rathery Minxit, die kleine Adelheid Rathery Minxit — eine schöne Familie! Saperlot! Damit könnte man ein Mühlrad treiben." Es hilft Alles nichts. Am nächsten Tage sott Benjamin der Jungfer Minxit einen Besuch machen. Dieser Versuch wird dadurch verhindert, daß Benjamin, mit dem Schuster Cicero, der ihm ein paar Schuhe bringt, nach der Sitte der Zeit ein paar Gläser Wein trinkt. „Benjamin bat seine Schwester, eine Flasche Weißen zu holen, damit er mit Cicero anstoßen könne. Seine Schwester holte eine, dann zwei, dann drei und sofort, bis es sieben waren. — Meine liebe Schwe¬ ster, ich bitte Sie, noch eine Flasche. — Aber weißt Du denn nicht, Unglück¬ licher, daß Du an der achten bist? — Sie weiß wohl, liebe Schwester, daß wir nicht mit einander rechnen. — Und Du weißt wohl, daß Du einen Weg zu machen hast. — Noch'diese letzte Flasche, und ich gehe. — Ja. Du bist mir in einem schönen Zustande, um über Feld zu gehen, und wie, wenn man Dich zu einem Kranken holen wollte? — Wie schlecht, meine gute Schwester, weiß Sie doch die Wirkungen des Weines zu würdigen; man steht, daß Sie nur die klaren Wasser des Beuvron trinkt. Mein Schwerpunkt ist immer auf demselben Flecke. Soll ich zur Ader lassen — apropos, meine Schwester, ich muß Ihr zur Ader lassen. Beißkurz hat es mir noch anem¬ pfohlen, ehe er ging. Sie klagte diesen Morgen über heftiges Kopfweh, ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/187>, abgerufen am 22.07.2024.